Neoliberale Ignoranz: Regierung bestreitet Anstieg der Kinderarmut
Die Einkommensarmut von Kindern hat in Deutschland einen historischen Höchststand erreicht. Während noch im Jahr 2005 rund 1,6 Millionen Kinder unter 15 Jahren Sozialgeld nach dem SGB II bzw. Sozialhilfe erhielten, müssen nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbunds (DKSB) inzwischen 1,93 Millionen Kinder unter 15 Jahren in Familien aufwachsen, die auf dem Niveau von Hartz IV leben. Damit sind knapp 17 Prozent der 11,5 Millionen Kinder in Deutschland gezwungen, mit 208 Euro monatlich für Ernährung, Kleidung, Spielzeug, Gesundheit, Bildung, Schulkosten etc. auszukommen.
Aber gerade diese harten Zahlen und Fakten werden von der Bundesregierung geleugnet. In ihrer heutigen Antwort auf eine Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE bestreitet das Ressort um Ursula von der Leyen den geradezu dramatischen Anstieg der Kinderarmut seit 2004.
"Die Antwort der Bundesregierung ist der Gipfel der Ignoranz“, empört sich deshalb Diana Golze, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion völlig zu Recht. Ganz Deutschland diskutiere über zu geringe Hartz-IV-Sätze für Kinder und das besonders hohe Armutsrisiko von Kindern aus Zuwandererfamilien. Doch die Bundesregierung antworte auf die Frage, wie sich die Situation von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund seit 1990 entwickelt habe, dass ihr dazu keine eigenen Daten der amtlichen Statistik vorlägen. „Wer sich so wenig um die Probleme von Millionen Zugewanderten kümmert, kann sich eigentlich auch gleich jeden Integrationsplan sparen“, so Golze. Skandalös sei auch die Antwort der Regierung auf die Frage, ob die Hartz-IV-Sätze zur Verhinderung von Kinderarmut ausreichen. "Ja. Die Regelsätze in der Sozialhilfe sichern das soziokulturelle Existenzminimum", lautet die unglaubliche Antwort. Von Preissteigerungen und Rekordinflation bekommt man in den Ministerien offenbar nicht viel mit.
Überhaupt scheint es die Regierung mit den Zahlen offensichtlich nicht so genau zu nehmen. In ihrer Antwort beziffert das Familienministerium die Armutsrisikoquote der Kinder auf 12 Prozent, einen Prozentpunkt unter der Armutsrisikoquote der Gesamtbevölkerung, und jubiliert: "Damit gehört Deutschland im europäischen Vergleich zu den Ländern mit der niedrigsten Armutsrisikoquote von Kindern." In dem vom Kabinett beschlossenen dritten Armuts- und Reichtumsbericht ist hingegen zu lesen, dass die Armutsrisikoquote zwischen 1998 und 2005 von 12 auf 18 Prozent gestiegen ist. Bei Kindern unter 15 Jahren stieg die Quote in diesem Zeitraum von 16 auf 26 Prozent und bei den 16- bis 24-jährigen Jugendlichen gar von 18 auf 28 Prozent. Mit diesen Zahlen liegt Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Immerhin ermittelte das Familienministerium unter Ursula von der Leyen selbst eine Quote von über 17 Prozent Kinderarmut in Deutschland. Doch darauf geht die Bundesregierung in ihrer Antwort mit keinem Wort ein.
Diana Golze: „Mit Ignoranz und Schönfärberei wird das Problem Kinderarmut in Deutschland aber nicht gelöst werden. Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass es DIE LINKE braucht, um unbequeme Wahrheiten zu benennen und nach Lösungen zu suchen!"
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