Die Finanzmarktkrise und der drohende wirtschaftliche Abschwung in Deutschland - Argumente und Forderungen

30.09.2008

Die Finanzmarktkrise und der drohende wirtschaftliche Abschwung in Deutschland
Argumente und Forderungen der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

Seit Mitte des Jahres 2007 hat die jahrelange Weiterreichung von unzureichend besi­cherten US-Immobilienkrediten an die internationalen Kapitalmärkte zu einer weltweiten Krise im Finanzsektor geführt. Längst beschäftigen sich nicht mehr nur die Wirtschafts­seiten der Zeitungen mit dieser Krise und für die Bundesregierung ist sie willkommener Anlass, um vom Versagen der eigenen Wirtschafts- und Finanzpolitik abzulenken. Je nach Lust und Laune schiebt sie der Weltkonjunktur, den gestiegenen Rohstoffpreisen oder den schludrigen USA den schwarzen Peter zu. Nachdem sie lange Zeit verkündet hat, Deutschlands Konjunktur sei robust, erklärt Finanzminister Steinbrück jetzt, die Fi­nanzkrise sei das größte konjunkturelle Risiko für die deutsche Volkswirtschaft, statt die eigene Verantwortung für die Rezession einzugestehen.

Während die USA bereits mit einem Konjunkturprogramm reagieren, lehnt Steinbrück diese Maßnahmen als „verbranntes Geld“ ab. Der Chefvolkswirt der Financial Times Deutschland warnt mit Blick auf Äußerungen von Finanzminister Steinbrück und Wirt­schaftsminister Glos: „Der Absturz der Wall Street wird von der deutschen Politik in die­sen Tagen nur als eine hochwillkommene Ausrede genutzt, um endlich einen Ab­schwung öffentlich einzugestehen, der sich schon seit Längerem abzeichnet und der in großen Teilen durch Fehler der Regierung in Berlin und der Notenbank in Frankfurt hausgemacht ist.“

Was die Finanzmarktkrise ausgelöst hat

Ausgehend von den USA, hat seit dem Sommer 2007 die Durchreichung von schlecht besicherten Immobilienkrediten an den Finanzmärkten zu einer weltweiten Krise im Fi­nanzsektor geführt. So führten in den USA kontinuierliche Zinserhöhungen bei einem zuletzt massiven Verfall der Immobilienpreise dazu, dass mehrere Millionen Kreditver­träge, die in den letzten zehn Jahren geschlossen wurden, von den Kreditnehmern nicht mehr bedient werden konnten.

Ein Großteil dieses Kreditvolumens (und somit auch die damit verbundenen Risiken) wurde in der Form sogenannter forderungsbesicherter Wertpapiere an die internationa­len Finanzmärkte weiter gereicht. In Folge der dort vorhandenen überreichen Liquidität erfuhren diese Forderungsverbriefungen einen schwunghaften und spekulativ gepräg­ten Handel: Diese Wertpapiere wurden immer wieder aufs Neue umstrukturiert, so dass zum Schluss auch für erfahrene Händler kaum noch zu überschauen war, welche Si­cherheiten tatsächlich den gehandelten Papieren zu Grunde lagen. Dass der Handel mit diesen „Wundertüten“ dennoch nicht zum Erliegen kam, lag zum einen daran, dass die Händler sich auf das Urteil von Ratingagenturen stützten. Zum anderen lagen den ge­handelten Papieren auch Kreditversicherungen zu Grunde. Während sich die Kreditver­sicherer von den guten Bonitätsbewertungen der Ratingagenturen beeindrucken ließen, trug umgekehrt das Vorhandensein dieser Versicherungen wiederum zu den guten Ur­teilen der Ratingagenturen bei. Zudem wurden auch die Kreditversicherungen selbst verbrieft, umstrukturiert und ihrerseits selbst Gegenstand der Finanzspekulation. Die ganze Unübersichtlichkeit dieser Spekulation gipfelte darin, dass die Kreditinstitute die­se Geschäfte über eigene Zweckgesellschaften abwickelten, die in den Bankbilanzen aber gar nicht dargestellt werden mussten.

Unbestritten ist, dass das Aufblähen der Spekulationsblase mit der fahrlässigen Kredit­vergabe der US-Hypothekenbanken und deren unzureichender Kontrolle durch die US-Finanzmarktaufsicht begonnen hat. Insbesondere aber der Umstand, dass es auch deutschen Kreditinstituten möglich war enorme Risiken unbehelligt von den deutschen Finanzaufsichtsbehörden außerhalb der Bilanz in Zweckgesellschaften anzuhäufen, verdeutlicht die Mitschuld der politisch Verantwortlichen hierzulande – allen voran Bun­desfinanzminister Peer Steinbrück, in dessen Verantwortungsbereich die Finanzaufsicht fällt. Diese Mitschuld besteht keineswegs darin, dass versäumt wurde den renditehung­rigen Finanzhaien das eine oder andere Hintertürchen zu schließen. Vielmehr war es der immer wieder erklärte und umgesetzte Wille der Regierungen Schröder und Merkel, das Geschäft mit Kreditverbriefungen, welches ohne Zweckgesellschaften gar nicht funktioniert, intensiv zu fördern. (Anpassung des Gewerbesteuerrechts 2003 und des Umsatzsteuerrechts 2004, Anpassung des Kreditwirtschaftsgesetzes 2005 sowie der erklärte Wille im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD den Verbriefungsmarkt weiter fördern zu wollen.)

Die eigentliche Ursache der Finanzmarktkrise: Die Umverteilung von unten nach oben

Die wesentliche Ursache der Spekulationsblase und ihr Platzen sind aber letztlich ineinem weltweiten Übermaß an nach renditeträchtigen Anlagen suchendem Kapital be­gründet. Diese Überliquidität ist das Ergebnis einer seit Jahrzehnten anhaltenden Um­verteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben. In Deutschland hat diese Entwicklung in den letzten Jahren eine besondere Dynamik erfahren. Massive Leistungskürzungen im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherungen, eine Steuerpoli­tik, die systematisch Unternehmensgewinne und große Vermögen privilegiert und eine rückläufige Reallohnentwicklung haben hier zu Lande in besonderem Maße dazu ge­führt, dass der private und öffentliche Konsum dramatisch eingebrochen ist. Damit wur­den zugleich realwirtschaftlich geprägte Investitionen zunehmend unattraktiver, wäh­rend die Verwalter großer Vermögensmassen sich mangels Alternativen zunehmend zu hochspekulativen Anlagestrategien verleiten ließen. Die fortgesetzte Beschneidung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung und der damit verbundene Zwang für Millionen Beschäftigte, ihren Lebensstandard im Alter über kapitalmarktbasierte Ver­sorgungssysteme wie Riester-Rente, Pensionsfonds etc. zu sichern, hat zudem dieKaufkraft geschwächt und zum Anwachsen der Überliquidität beigetragen.

Der beginnende Abschwung in Deutschland ist hausgemacht

Ebenso ist der bereits einsetzende wirtschaftliche Abschwung bedingt durch eine fal­sche Wirtschaftspolitik der Regierung. Neben der Beschneidung von Sozialleistungen setzt sie seit Jahren einseitig auf den Exportsektor und fördert Lohndumping. Das be­günstigt die Exporte, belastet aber die Binnennachfrage. In der Folge ist die konsumtive Binnennachfrage viel zu schwach. Die Finanzmarktkrise ist hingegen nicht die ent­scheidende Ursache für den sich abzeichnenden Abschwung. Jedoch droht, dass der Abschwung durch die Finanzmarktkrise verschärft wird. Die Exporte laufen für die deut­schen Unternehmer mit plus sieben Prozent im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjah­reszeitraum nach wie vor gut. Auch eine Kreditklemme, also eine deutliche Verschlech­terung der Kreditversorgung, ist vorerst nicht feststellbar.

Der jetzige, sich im Abschwung befindliche Wirtschaftszyklus begann im Jahr 2004 mit einem Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen um preisbereinigt 4,6 Prozent. Dieser war angetrieben durch Ersatzbedarf, nachdem über mehrere Jahre hinweg die Investitionen rückläufig waren. Zusätzlich machte die Ausweitung der Exporte den Anstieg der Inves­titionen notwendig. Die Bauinvestitionen blieben bis einschließlich 2005 zurück. Ab 2006 steigen dann die gesamten Anlageinvestitionen um fast acht Prozent. Die ge­samtwirtschaftliche Investitionstätigkeit war sehr stark geprägt durch Ersatz- und Nach­holbedarf. Der ist jedoch im Wesentlichen gedeckt. Im zweiten Quartal 2008 waren die Investitionen zum ersten Mal rückläufig.

Die Strangulierung öffentlicher und privater Nachfrage

Ein anhaltender Aufschwung müsste von der inländischen Konsumnachfrage getragen werden. Dazu hätte sie im Laufe des Zyklus deutlich ausgeweitet werden müssen, wie das in früheren Konjunkturzyklen auch der Fall war. Eine Voraussetzung dafür wäre ein deutlicher Anstieg der Löhne. Der wurde auch immer wieder prognostiziert, doch er fiel aus. Der Aufschwung ist nicht bei den Menschen angekommen. Mit dieser erstmaligen Entwicklung droht die konjunkturelle Entwicklung vorzeitig abzubrechen. Vor dem Mus­ter früher Konjunkturzyklen hätten eigentlich Chancen bestanden, dass der gegenwärti­ge Zyklus bis 2013 trägt.

Im ersten Halbjahr 2008 stiegen die Einkommen der Unternehmer um acht Prozent an. Die Löhne und Gehälter stiegen dagegen nur um 3,5 Prozent – trotz besserer Tarifab­schlüsse und trotz gut einer halben Million mehr Jobs. Die durchschnittlichen Tarifein­kommen wurden um 3,3 Prozent erhöht; in der Stahlindustrie und im öffentlichen Dienst wurden die Tarife um über 5 Prozent gesteigert. Das durchschnittliche Einkommen je Beschäftigten stieg jedoch nur um 1,7 Prozent. Dies macht deutlich, dass für Millionen von Beschäftigten die Löhne nicht oder nur geringfügig erhöht wurden, für viele es so­gar zu Lohnsenkungen kam. Ursache ist die Lohndrückerei durch Minijobs, Leiharbeit, Befristungen und den Druck auf Erwerbslose, jeden Job annehmen zu müssen.

Berücksichtigt man dann noch die auf rund 3 Prozent im ersten Halbjahr gestiegene Inflation bleibt für die Beschäftigten überhaupt kein Einkommenszuwachs mehr übrig. Entscheidend für diese Entwicklung ist aber nicht die um 1 Prozentpunkt angestiegene Inflation, sondern die schwache Lohnentwicklung. Wären die Einkommen der abhängig Beschäftigten in gleicher Höhe wie die Unternehmens- und Vermögenseinkommen an­gestiegen – um acht Prozent –, hätte der Anstieg der Inflation lediglich zu einer gering­fügigen Beschneidung der Binnennachfrage geführt, jedoch nicht zum kompletten Aus­fall.

Parallel zur privaten wurde die öffentliche Nachfrage stranguliert. Der Anteil öffentlicher Investitionen am Bruttoinlandsprodukt sank von 4,7% 1970 auf 1,5% 2007. Deutschland ist auch hier, wie bei der Lohnentwicklung oder den Bildungsausgaben, europäisches Schlusslicht. 2008 sollen die öffentlichen Investitionen des Bundes auf 24,7 Mrd. Euro verringert werden und in den Folgejahren mit 25,9 Mrd. Euro gleichbleiben. Damit wür­de sich der Anteil an den Gesamtausgaben des Bundes auf einen historischen Tiefstand von 8,4% im Jahre 2012 reduzieren. Das Geld fehlt für Bildung, Krankenhaus­investitionen, den ökologischen Umbau und die öffentliche Infrastruktur.

Finanzmarktgetriebener Kapitalismus als Ursache für Demokratie- und Sozialab­bau

Das wesentliche Merkmal des gegenwärtigen finanzmarktgetriebenen Kapitalismus ist nicht das, was nicht funktioniert, die Spekulation, die zur Finanzkrise geführt hat. Viel wichtiger ist das, was bislang funktioniert hat: die dramatische Verschiebung der Macht- und Kräfteverhältnisse zugunsten des Kapitals.

Im traditionellen Industriekapitalismus waren die Unternehmer und Manager die ent­scheidenden Figuren und die Finanzierung der reichlich vorhandenen Investitionsgele­genheiten stellte den Engpass der Entwicklung dar. Heute haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Finanzmittel sind reichlich vorhanden – eben die akkumulierten, verwer­tungssuchenden Vermögen – aber die Investitions- und Verwertungsgelegenheiten werden knapp. Unter diesen Umständen wurde der Finanzinvestor zur neuen Leitfigur des Kapitalismus. Neben der Finanzspekulation in immer abenteuerlicheren Bahnen besteht eine weitere und langfristig wirksamere Strategie in der Durchsetzung neuer Standards für schnellere und höhere Gewinne in den Unternehmen. Die Umsetzung dieser Strategie erfolgt durch massiven Druck der Finanzinvestoren auf das Manage­ment der Unternehmen, in denen sie Kapital anlegen: Löhne müssen gesenkt, Arbeits­zeiten verlängert, unbezahlte Überstunden geleistet werden, Sozialleistungen werden gekappt, langfristige Entwicklungsausgaben gestrichen. Wenn auf diese Weise die An­sprüche auf höhere Renditen erst einmal bei einigen strategischen Unternehmen durchgesetzt sind, sorgt die Konkurrenz dafür, dass sie zu allgemeinen Standards für die gesamte Branche werden und sich auch in Unternehmen festsetzen, an denen kei­ne Finanzinvestoren beteiligt sind. Es ist deren zweifelhaftes Verdienst, eine Pionierrolle bei der Verschlechterung der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen in einer immer größeren Zahl von Betrieben und Unternehmen in Deutschland zu spielen. Sie sind we­sentlich verantwortlich für eine Neuausrichtung der Unternehmenskultur und der Unter­nehmenssteuerung, die sich immer mehr auf die Maximierung des Wertes des Unter­nehmens für die Aktionäre konzentriert. Soziale Verantwortung, Arbeitsschutz, Mitbe­stimmung etc. sind in diesem Zusammenhang lästiger „Sozialklimbim“, der möglichst abzuschaffen ist.

Mit dem Fortbestehen der Finanzmarktkrise und dem einsetzenden wirtschaftlichen Ab­schwung droht eine erneute Welle der Banken- und Unternehmenskonzentration auf die Beschäftigten zuzurollen. Damit diese nicht erneut die Zeche für ein undurchsichtiges Management zahlen müssen, gilt es deshalb die Wirtschaft jetzt zu demokratisieren und mindestens für eine gesellschaftsrechtliche Gleichstellung von Kapital und Arbeit einzu­treten. Denn jedes Wirtschaften ist seiner Natur nach gesellschaftlich und darf deshalb nicht allein vom Gewinnstreben bestimmt sein. Von unternehmerischen Entscheidungen sind insbesondere die abhängig Beschäftigten betroffen. Deshalb müssen sie und ihre Gewerkschaften gleichberechtigt an der Gestaltung der Wirtschaft beteiligt werden. Die wirtschaftliche Mitbestimmung der Beschäftigten ist eine der Grundlagen für eine demo­kratische und soziale Gesellschaftsordnung. Die Mitbestimmung der abhängig Beschäf­tigten in den Unternehmen und in der gesamten Wirtschaft muss die politische Demo­kratie ergänzen. Der finanzmarktgetriebene Kapitalismus braucht eine wirksame Kon­trolle. Diese kann nur durch Gegenmachtbildung erreicht werden. Dazu muss der Fak­tor Arbeit mit Macht ausgestattet werden. Denn: Arbeit ist Ursache allen Wohlstandes, des privaten wie des öffentlichen.

DIE LINKE. und ihre Forderungen

Sofortprogramms zur Stabilisierung und Reform der Finanzmärkte

1. Gewährleistung ausreichender und zinsgünstiger Kreditversorgung durch die Bun­desregierung in Zusammenarbeit mit der EZB und den öffentlich-rechtlichen Banken; wenn erforderlich mit einem Sonderprogramm für kleine und mittelständische Unter­nehmen.

2. Garantie der Bankeinlagen in unbeschränkter Höhe durch obligatorische Aufstockung der Einlagensicherung von Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken; zusätzlich Einrichtung eines von den privaten Finanzinstituten gespeisten Sicherungs­fonds zur Vermeidung von Serienzusammenbrüchen, damit Rettungsaktionen nicht vom Staat bezahlt werden müssen.

3. Dauerhaftes Verbot von Leerverkäufen.

4. Harte Spielregeln und dadurch drastische Reduzierung des Handels mit derivativen und sonstigen „innovativen“ Finanzinstrumenten einschließlich des Verbots besonders riskanter und spekulativer Instrumente (z.B. Credit Default Swaps, außerbörsliche Ter­mingeschäfte, Kreditverbriefungen etc.).

5. Rücknahme der Zulassung von Hedgefonds in Deutschland wegen ihrer destabilisie­renden Wirkung, Verbot von Geschäften deutscher Banken mit ausländischen Hedge­fonds und Verbot von Geschäften ausländischer Hedgefonds in Deutschland; erheb­liche Verteuerung von Geschäften mit hohem Kredithebel durch deutlich höhere Pflich­ten zur Eigenkapitalunterlegung.

6. Abschaffung falscher Anreize bei Managervergütungen: Verbot von Aktienoptionen, Mindesthaltefristen für Aktienbeteiligungen des Managements, Verschärfung der Haf­tung von Managern.

7. Einführung eines internationalen Kreditregisters.

8. Weitgehende Beschränkung der Aktivität von Banken auf das Einlagen- und Kredit­geschäft; Zurückdrängung und strenge Kontrolle des Investmentbankings.

9. Verschärfte Beschränkungen für kapitalgedeckte Altersvorsorgemodelle (z.B. private Pensionsfonds): keine spekulativen Geschäfte z.B. mit Devisen; Verringerung der Not­wendigkeit privater und betrieblicher kapitalgedeckter Altersvorsorge durch Stärkung der gesetzlichen, umlagefinanzierten Rentenversicherung.

10. Öffentliche Zulassung und Aufsicht von Ratingagenturen; Trennung von Beratung und Bewertung; Finanzierung durch einen Pool, in den die Unternehmen einzahlen; Aufbau öffentlicher Ratingagenturen.

11. Zulassungspflicht für bestehende und neu entwickelte Finanzprodukte und -dienst­leistungen durch einen Finanz-TÜV, der das Gefahrenpotenzial und die Zweckmäßig­keit der Produkte umfassend überprüft.

12. Transaktionsteuern auf den Handel mit Wertpapieren (an den Börsen und außer­börslich) und Devisen zur Entschleunigung der Finanzmärkte.

13. Absicherung globaler Regulierungsstandards mittels Schließung von Steueroasen.

Diese Maßnahmen sollten mittelfristig auch auf europäischer und internationaler Ebene umgesetzt werden. Mit Ausnahme des Kreditregisters, das es in Deutschland schon gibt, können und müssen die Maßnahmen schon vorher auf nationaler Ebene eingeführt werden. Um das anfängliche Voranschreiten auf nationaler Ebene zu flankieren, können bei Bedarf Kapitalverkehrskontrollen nach Art. 59 des EU-Vertrag eingesetzt werden.

Auf europäischer Ebene müssen alle Versuche gestoppt werden, die Kapitalmärkte wei­ter zu liberalisieren. Stattdessen sollten europäische Regulierungs- und Aufsichtsstruk­turen aufgebaut bzw. gestärkt werden, die vorrangig die obigen Punkte umsetzen.

Auf der internationalen Ebene ist darüber hinaus eine Reform des Währungssystems erforderlich, die die Wechselkurse, z.B. durch Zielzonen, deutlich stabilisiert und die Abhängigkeit von Leitwährungen wie dem US-Dollar überwindet. Ebenso braucht es einunparteiisches System zur Lösung von Überschuldungskrisen im Sinne eines internati­onalen Insolvenzrechts.

Konjunkturprogramm für öffentliche Zukunftsinvestitionen

Ein Konjunkturprogramm in einer Größenordnung von mindestens 30 Mrd. Euro Mehr­ausgaben für öffentliche Zukunftsinvestitionen muss unverzüglich aufgelegt werden. Im Einzelnen muss dieses Programm beinhalten:

1. 15 Mrd. Euro Mehrausgaben: Zum Ausbau der Ganztagsschulen, der Sanierung von Schulen und für eine Verbesserung der Hochschulbildung.

2. 4 Mrd. Euro für eine Energiewende mit den Bereichen Energiesparfonds, Förderung erneuerbarer Energien und CO2-Gebäudesanierung, die vor allem einkommensschwa­chen Familien zukommen soll.

3. 7,5 Mrd. Euro im Bereich Verkehr und Infrastruktur für eine kommunale Investitions­pauschale, zur Förderung strukturschwacher Regionen, den Ausbau des ÖPNV und den Sanierungsbedarf bei Brücken, Straßen und dem Ausbau der Schiene.

4. 3,5 Mrd. Euro im Bereich Gesundheit zur Beseitigung des Investitionsstaus bei den Krankenhäusern sowie für Prävention und Gesundheitsförderung.

Durch die Auflage dieses Investitionsprogramms können 1 Million zusätzliche Arbeits­plätze geschaffen werden. Es leitet die notwendige Kehrtwende zur Stärkung der Bin­nennachfrage durch öffentliche Investitionen ein, stabilisiert die öffentlichen Einnahmen und solidarischen Sicherungssysteme und finanziert sich mittelfristig selbst. Es ist ein Schritt zur Beseitigung des langjährig aufgebauten Investitionsstaus und leitet endlich den sozial-ökologischen Umbau ein.

Sofortprogramm zur Stärkung der Nachfrage von unteren und mittleren Einkom­mensbeziehern

1. Der Niedriglohnsektor muss trockengelegt werden. Entscheidend hierfür ist die Ein­führung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8 Euro sofort, der in schnellen Schritten

auf 10 Euro steigt. So kann die Binnennachfrage um 11 bis 18 Mrd. Euro gestärkt wer­den. Bei einem wie in Frankreich üblichen Mindestlohn von 8,71 Euro stünden den be­troffenen Beschäftigten zusätzliche 13 Mrd. Euro für die Bestreitung ihres Lebensunter­halts zur Verfügung. Entsprechend würde die Binnennachfrage gesteigert. Darüber hin­aus müssen Mini-Jobs und Leiharbeit zurückgedrängt und beseitigt werden. Wenn der freie Fall der Löhne am unteren Ende gestoppt wird, werden auch die Lohnstrukturen nicht weiter wegrutschen.

2. DIE LINKE. fordert die Anhebung des Arbeitslosengeld II auf 435 Euro sowie die An­hebung der Regelsätze für Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe und für Asylbe­werberinnen bzw. -bewerbern. Die sofortige Anhebung würde die Lebenslage der Be­troffenen deutlich verbessern und die konsumtive Binnennachfrage um 7 Mrd. Euro stützen.

3. DIE LINKE. fordert die Wiederherstellung der alten Rentenformel sowie Maßnahmen zur Vermeidung von Altersarmut. Dazu gehört, dass die bislang den Rentnern und Rentnerinnen vorenthalten Rentenerhöhungen – im Wesentlichen die sogenannte „Riester-Treppe“ – sofort nachgezahlt wird. Dies wäre zusätzlich zu der bereits gezahl­ten Erhöhung von 1,1 Prozent eine Erhöhung von 3 Prozent. Die Binnennachfrage wür­de hierdurch um 7 Mrd. Euro gestärkt.

4. Die Gewerkschaften müssen in den anstehenden Tarifrunden massiv unterstützt wer­den. Gerade wegen der drohenden Rezession sind jetzt deutliche Steigerungen der Tarifeinkommen notwendig. Dies betrifft insbesondere die Tarifrunde im Herbst in der Metall- und Elektroindustrie sowie die der öffentlich Beschäftigten bei den Ländern im Frühjahr 2009. Die IG Metall hat für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie eine Forderung von 8 Prozent aufgestellt. Die Durchsetzung bedeutet einen Kaufkraft­schub von 16 Mrd. Euro.

Durch diese Sofortmaßnahmen im Bereich der Einkommen ließe sich innerhalb von 6 Monaten die Binnennachfrage um rund 40 Mrd. Euro stärken.

Zusätzliche Ausgaben der öffentlichen Hand, insbesondere im Rahmen der Zukunfts­investitionen, müssen gegebenenfalls zunächst kreditfinanziert werden. Unverzüglich sind jedoch die Weichen zu stellen, die Mehrausgaben durch eine stärkere Besteuerung von Reichen und Vermögenden zu finanzieren. Die LINKE. hat dazu umfangreiche Vor­schläge vorgelegt.