Die Welt nach der Krise
Wenn große Politiker drastische Sätze sprechen, heißt
das für die Bürger nichts Gutes. Sie werden sich auf Entbehrungen
einstellen müssen, auf schwere Zeiten. Die Bankrotterklärung für die
amerikanische Wirtschaft durch den Präsidenten George Bush ist so ein
Ereignis. Aber auch die Prophezeiungen von Finanzminister Peer
Steinbrück lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig: Die Welt wird
nicht wieder so werden wie vor dieser Krise. Die Finanzkrise ist so
dramatisch, dass selbst Politiker es nicht schaffen zu übertreiben.
Zunächst muss es darum gehen, die Krise einzudämmen, durch
Rettungspakete, Konjunkturprogramme und Zinssenkungen. Dabei muss sich
die Politik von dem Gedanken leiten lassen, die Bürger so wenig wie
möglich leiden zu lassen, die Aktionäre und Banker dagegen so viel wie
möglich. Letztere tragen schließlich einen Teil der Verantwortung. Das
tun aber auch die Politiker und ihre Einflüsterer. Schließlich sind sie
es, die die Regeln bestimmen, die den Finanzkapitalismus erst groß und
mächtig gemacht haben.
In den USA haben die Wall-Street-Banken in den vergangenen Wahlkämpfen stets den größten Batzen gespendet. Ganz uneigennützig. Und in Deutschland haben sich vor allem SPD-Politiker und Grüne darangemacht, die ach so mächtige und verkrustete Deutschland AG zu zerschlagen. Stichworte sind Steuerfreiheit für Beteiligungsverkäufe, Gesetze für Aktienrückkäufe und Aktienoptionen sowie natürlich die Einführung der privaten Altersvorsorge.
Wo kommt das ganze Geld denn her, das permanent auf der Jagd nach der höchsten Rendite ist? Die Gier ist ja nicht plötzlich entstanden. Gier gab es schon immer. Aber sie hat im Finanzkapitalismus plötzlich die Chance bekommen, sich auszutoben.
Das viele Geld kommt zum einen von jenen, die die Profiteure der großen weltweiten Umverteilung von unten nach oben sind, seit Ronald Reagan und Maggie Thatcher begannen, die Nachkriegsordnung der globalen Wirtschaft zurückzudrehen. Zum anderen kommt das Geld von den Menschen, die privat für ihr Alter vorsorgen müssen. Pensionsfonds füttern mit dem Geld der kleinen Leute die Töpfe der spekulativen Hedgefonds, weil mehr Rendite immer besser ist.
Aus Geld durch Spekulation viel mehr Geld zu machen, das ist die große Illusion des Finanzkapitalismus. Das mag eine Epoche lang gutgehen, aber nicht ewig. Denn nach wie vor muss das Geld in der Realwirtschaft durch Maschinen und Menschen verdient werden. Finanzmärkte und Banken sind in Wahrheit nur Mittler für das reibungslose Funktionieren des Kapitalismus. Sie bringen Geld zu den Unternehmen, die expandieren wollen, oder zu den Haushalten, die bauen wollen. Und sie nehmen das Geld von den Sparern. Deshalb muss langfristig die Rendite an den Kapitalmärkten der Rendite der Realwirtschaft entsprechen. Und diese Rendite liegt in den westlichen, moderat wachsenden Volkswirtschaften irgendwo zwischen vier und acht Prozent. Nicht bei 15 und schon gar nicht bei 25 Prozent.
Weil aber der Finanzkapitalismus lange Zeit zweistellige Renditen abwarf, haben immer mehr Firmen aufgehört zu investieren und Wachstum samt Jobs zu schaffen. Sie haben lieber selber mitgezockt, wie etwa Porsche. Dass so etwas nicht gutgehen kann, müssen die Verantwortlichen jetzt begreifen. Und dann den Einfluss der Spekulation, der Kapitalmärkte, zurückdrängen und die Institutionen für morgen bauen.
Das wird kein kleineres Unterfangen als 1944 in Bretton Woods, wo noch
im Krieg die Wirtschaftsordnung für die goldene Nach-Krisen-Zeit
entworfen worden ist. Regulierte Devisenmärkte, die Mutter aller
Spekulation, mit festen Wechselkursen oder Wechselkursen in
Bandbreiten, überwacht durch den Internationalen Währungsfonds.
Gleichzeitig das Verbot exzessiver Handels- und
Leistungsbilanzüberschüsse, wie sie China und Deutschland seit Jahren
produzieren. Dazu eine einheitliche Regulierung aller Finanzinstitute,
die ordentlich viel Eigenkapital als Puffer vorhalten müssen. Die
Einhegung der Macht der Aktionäre, die den Vorstand nicht mehr
dominieren dürfen. Finanzinnovationen müssen demnächst von einer
internationale Zulassungsbehörde geprüft werden. Und ganz wichtig,
Steueroasen müssen trockengelegt werden durch das Verbot an regulierte
Banken, auch nur einen Cent von dort anzunehmen. Wann, wenn nicht
jetzt, wird der Widerstand der Finanzlobbys schwach sein? An die Arbeit.
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