Klaus Ernst: Die Rente mit 67 muss und kann zurückgenommen werden
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Klaus Ernst warnt im Interview der Woche, dass die Rente mit 67 in der Krise wie zusätzlicher sozialer Sprengstoff wirkt. Für die Mehrheit ist sie ein zusätzliches Rentenkürzungsprogramm. Altersarmut wird so vorprogrammiert. Private Altervorsorge ist teuer und rentiert sich nicht. Die Arbeitgeber dürfen nicht aus der paritätischen Finanzierung der Altersvorsorge entlassen werden.
Im Jahr 2007 beschloss die Regierungskoalition von CDU/ CSU und SPD die schrittweise Einführung des Renteneintrittsalters mit 67 Jahren. Sie behauptete damals, dass diese Entscheidung alternativlos sei und begründete sie mit der demografischen Entwicklung in Deutschland. Welche Konsequenzen stehen den heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bevor?
Die demografische Entwicklung gilt nicht nur für die Rente, sondern zunächst für den Arbeitsmarkt der nächsten Jahre. Die geburtenstarken Jahrgänge werden dann über 55 sein und massiv Probleme haben Arbeit zu behalten oder zu finden. Bereits vor der Krise war klar: Kommt die Rente ab 67, werden bis zu drei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze benötigt. Der wirtschaftliche Einbruch und der zu erwartende massive Anstieg der Erwerbslosigkeit werden diesen Bedarf vervielfachen. Die Jungen werden nach Jobs Schlange stehen, die Alten werden aus dem Arbeitsmarkt heraus gedrängt. In dieser Situation wirkt die Rente ab 67 wie zusätzlicher sozialer Sprengstoff.
Von den 55-bis 64-Jährigen ist in Deutschland jeder zweite nicht mehr erwerbstätig. Und das obwohl das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre angehoben wird und schon jetzt Fachkräfte knapp werden. Man muss kein Prophet sein, um die Zukunft vorauszusagen. Was erwartet uns, wenn dieser Entwicklung kein Riegel vorgeschoben wird?
Entscheidend für die Rente ist, wie viel jemand verdient und wie lange jemand arbeiten kann. Bereits heute erreicht von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nur noch 10% der 63 und 64- jährigen in Arbeit das Rentenalter. Das bedeutet, die überwiegende Mehrheit geht vorzeitig in Rente und erhält deswegen Abschläge in Höhe von 3,6% pro Jahr. Für die Mehrheit ist die Rente ab 67 daher ein zusätzliches Rentenkürzungsprogramm um 7,2%. Für viele wird das Alterseinkommen dann nicht mehr reichen, um in Würde zu überleben. Altersarmut wird so vorprogrammiert.
Uns erreichen zahlreiche Briefe und E.Mails in denen Erwerbstätige bereits ab dem 45.Lebensjahr wegen ihres Alters unter Druck gesetzt werden, schlechter bezahlte Jobs anzunehmen oder dass sie durch Mobbing selbst kündigen sollen. Was steckt dahinter?
Die Arbeitgeber versuchen ständig, ihre Belegschaften zu verjüngen. Angeblich seien Ältere weniger leistungsfähig. Ich halte dies für eine völlig verkürzte Sichtweise, da viele Qualitäten gerade von älteren und sehr erfahrenen Beschäftigten nicht gewürdigt werden. Oft ist es auch ein Vorwand, um die Belegschaft zu verbilligen. Langjährig Beschäftigte werden durch Leiharbeiter ersetzt oder junge Billigjobber, die händeringend Arbeit suchen. Klar ist, es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit jemand bis zur Rente arbeiten kann. Dazu gehören Weiterbildung, mehr Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz und flexible Altersteilzeitmodelle.
Alle Parteien im Bundestag, außer der Fraktion DIE LINKE, haben der Privatisierung der Altersvorsorge den Vorzug gegeben. Ein sogenanntes neoliberales Erfolgsmodel, die Riesterrente, stellte sich längst als Flop heraus. Was setzt DIE LINKE dagegen?
Vorrangig muss der Werteverfall der Rente gestoppt werden, indem die Kürzungsfaktoren aus der Rentenformel gestrichen werden. Die Rente muss der Lohnentwicklung folgen, damit die ältere Generation nicht vom gesellschaftlichen Wohlstand abgekoppelt wird. Dies ist besonders für die heute noch jüngeren wichtig, denn sie zahlen die Zeche für die Absenkung des Leistungsniveaus in der Rente. Sie müssen privat vorsorgen. Das ist teuer und rentiert sich vielfach nicht, wie bereits heute die Renditeberechnungen aus der Riesterrente zeigen. Wir dürfen die Arbeitgeber nicht aus der paritätischen Finanzierung der Altersvorsorge entlassen.
Die Rente mit 67 muss und kann zurückgenommen werden. Die Menschen wollen einen Politikwechsel im Land: das ist nur mit einer starken LINKEN möglich.
Vor wenigen Tagen alarmierten uns erneut Nachrichten, der Staat müsse immer mehr Geld für Sozialtransfers ausgeben und die Bundesagentur für Arbeit sei faktisch pleite. Was ist dran an diesen Informationen? Und was sollte ein künftiger Arbeits- und Sozialminister sofort in Angriff nehmen?
Als erste Sofortmaßnahme muss ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden. Wenn nicht eine verbindliche Lohnuntergrenze geschaffen wird, damit jemand von seiner Arbeit leben kann, kommt der ganze Sozialstaat ins Rutschen. Eine Fortführung der Niedriglohnpolitik bedeutet, dass der Staat systematisch Hungerlöhne aufstocken muss, weil die Arbeitgerber den Arbeitnehmern den Lohn für die geleistete Arbeit vorenthalten. Hier liegt der eigentliche Missbrauch von Hartz IV. Damit muss Schluss sein!
Als zweites muss sofort die Bundesagentur für Arbeit gestützt werden. Die Regierung hat sie praktisch in den Konkurs getrieben und die Arbeitslosigkeit steigt. Wer verhindern will, dass die Leistungen drastisch gekürzt werden, muss in der Krise echtes Geld fließen lassen, nicht Darlehn versprechen, die niemals zurück gezahlt werden können.
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