Gregor Gysi im Interview: »Reichtum für alle«

Für eine Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben: an Kultur, an Bildung. Es geht um die solidarische Gesellschaft.

23.09.2009 / www.linksfraktion.de, 21. September 2009

Gregor Gysi will mit der Forderung »Reichtum für alle« provozieren. »Reichtum für alle« in Verbindung mit dem Plakat »Reichtum besteuern« führt zu der Aussage: Nur wenn Reichtum begrenzt wird, kann Armut überwunden werden. Unter »Reichtum für alle« verstehe er die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben: an Kultur, an Bildung zum Beispiel. Es geht um die solidarische Gesellschaft.

Am 15. September 2008 ist die Investmentbank Lehman Brothers in Konkurs gegangen und hat damit eine verheerende Finanzkrise ausgelöst. Rund ein Jahr später gehen die Banken nun wieder zur Tagesordnung über. Wer gibt ihnen das Recht so weiter zu machen, wie vorher?

Das Recht gibt ihnen ihre Macht, die sie dank der Deregulierung der Finanzmärkte, auch in der Bundesrepublik unter der rot-grünen Bundesregierung betrieben, über die Politik ausüben. Die Finanzkrise war auch eine Bereinigungskrise, in der kleinere marode Banken pleite gingen oder von größeren Banken übernommen wurden. Damit wuchs die Macht der Großbanken beträchtlich. Das hat zur Folge, dass ihre »Systemrelevanz« noch zugenommen hat und sie erpressen können. Die von uns deshalb geforderten Regulierungen hat der Bundestag abgelehnt.

Welche Vorstellung hat die Fraktion DIE LINKE dazu, wie eine erneute Krise der Finanzmärkte verhindert werden kann?

DIE LINKE hat von Anfang an zumindest eine vorübergehende Vergesellschaftung der Großbanken als Gegenleistung für die Milliarden-Rettungsschirme der Bundesregierung gefordert. Nur so können das Primat der Politik wieder hergestellt und der Handel mit toxischen Papieren aller Art unterbunden werden. Es geht darum, dass die Banken sich ihren ursprünglichen Aufgaben zuwenden, Kredite an Unternehmen und Privatkunden zu günstigen Konditionen zu vergeben. Aus den künftigen Erlösen könnten so ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mit Zinsen wieder zurückgezahlt werden.

Du forderst »Reichtum für alle«. Warum, glaubst du, beinhaltet der Begriff Reichtum in unserer Gesellschaft in erster Linie materiellen Reichtum?

Das war eine Provokation und eine politische Aussage zugleich. Entstanden ist die Idee, weil Union und FDP mitten in der Finanzkrise nur Steuersenkungen ankündigen und Steinmeier vier Millionen Arbeitsplätze aus dem Hut zu zaubern will. »Reichtum für alle« in Verbindung mit unserem Plakat »Reichtum besteuern« führt zu der Aussage: Nur wenn Reichtum begrenzt wird, kann Armut überwunden werden. Dann sind zwar noch nicht alle reich, aber sie können in Würde leben. Und schließlich: Reichtum bedeutet nicht nur materieller Reichtum, sondern immaterieller Reichtum an Bildung, an Kultur, an Gesundheit. Übrigens stelle ich noch eine Gegenfrage: wie viele Leute dürfen nach welchen Kriterien wie reich sein?

Und was heißt das konkret?

Unter »Reichtum für alle« verstehe ich die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben: an Kultur, an Bildung zum Beispiel. Manche mögen das lächerlich finden, weil sie sich Reichtum nur als Privileg einer kleinen Minderheit vorstellen können. Hier die Milliardäre, dort die Malocher und die Harzt-IV-Empfangenden. Mir geht es um eine solidarische Gesellschaft.

Drängst du deshalb auf die Besteuerung von Reichtum?

Uns wird ja immer vorgeworfen, wir schürten Neid mit unseren Forderungen. Tatsächlich geht es aber darum, einfach wieder zu einem Grundsatz zurückzukehren, der auch in der Bundesrepublik einmal galt. Jede und jeder sollte nach ihrer bzw. seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Seit rot-grün wurde dieses Prinzip noch deutlicher über Bord geworfen und die Konzerne mit einer Senkung der Körperschaftssteuer von 45 auf 15 Prozent und die Besserverdienenden mit einer Senkung des Spitzensatzes bei der Einkommenssteuer von 53 auf 42 Prozent entlastet, kleinere und mittlere Einkommen dagegen stärker belastet.

Das wollen wir korrigieren und außerdem eine 5-prozentige Millionärssteuer sowie eine Börsenumsatzsteuer einführen. Diejenigen, die diese Krise mit verursacht haben, sollen auch die Hauptlast tragen, weil sie auch die breiteren Schultern haben. Alles andere wäre sozial ungerecht.