CDU-SPD in Thüringen: Thüringer Koalition der Wahlverlierer
Matschie wechselt zu Lieberknecht / Landesverband der SPD tief gespalten
Der Landesvorstand der Thüringer SPD hat in der Nacht zum Donnerstag in Erfurt die Weichen für eine schwarz-rote Koalition im Freistaat gestellt und die Partei damit in eine Zerreißprobe geführt.
Das Gremium beschloss mit 18 zu sechs Stimmen, mit der CDU Koalitionsgespräche aufzunehmen. Es stellte sich damit gegen eine in der Bundes-SPD diskutierte Öffnung zur LINKEN und vergab die Chance auf das erste rot-rot-grüne Bündnis auf Landesebene. Die Sondierungsgespräche über ein solches Bündnis hätten nicht den entscheidenden Durchbruch gebracht, behauptete SPD-Landeschef Christoph Matschie. Es sei schwer gewesen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen und »Vertrauen zu entwickeln«. In einer Koalition mit der CDU sei mehr Stabilität möglich.
Die Koalitionsverhandlungen sollen in der nächsten Woche beginnen. Offenbar haben die Verhandlungsführer ihre Pfründe aber schon gesichert. Obwohl Sachthemen vor den Personalfragen behandelt werden sollen, ist jedem SPD-Teilnehmer bereits einer der vier angedachten SPD-Ministerposten zugesichert, heißt es.
Für politische Beobachter in Erfurt ist die Entscheidung keine Überraschung. Matschie gilt seit seiner Amtsübernahme als Landeschef als erklärter Gegner einer Zusammenarbeit mit der LINKEN. Es scheint ihm aber nicht ganz gelungen zu sein, alle aus Führungsfunktionen zu entfernen, die mit einem Bündnis liebäugeln. Aus diesen Kreisen sind jetzt bereits Forderungen nach einem rot-roten Bündnis sowie Rücktrittsforderungen an Matschie zu hören. Der frühere SPD-Landeschef Richard Dewes zeigte sich »enttäuscht« und »sehr verwundert«. »Wir wollten die Abwahl der CDU nach 20 Jahren und eine rot-rot-grüne Koalition mit stabiler Mehrheit«, betonte er. Diese Voraussetzungen seien mit dem Wahlergebnis gegeben. Entschieden werde aber erst auf dem Landesparteitag, ob der Weg von Matschie mitgegangen wird. Matschie apostrophierte er als politischen Scharlatan. In Koalitionen mit der CDU werde die SPD atomisiert und auf allen Feldern der Verlierer sein, warnte Dewes. Ein Landesparteitag muss den Koalitionsvertrag noch absegnen.
In den Sondierungsgesprächen hatte Matschie immer neue Hürden aufgebaut, über die die LINKE nicht springen konnte. Trotz des desaströsen Wahlergebnisses seiner Partei von 18 Prozent bei der Landtagswahl beharrte er beispielsweise darauf, dass die SPD den Ministerpräsidenten stellt, wohl wissend, dass die LINKE das nicht akzeptieren konnte. Angesichts der Stimmenverluste von CDU und SPD bei der Landtagswahl bekommt Thüringen nun wohl eine Koalition der Wahlverlierer. Dass diese von Erfurter Politikwissenschaftlern als Große Koalition bezeichnet wird, gehört zu den Pikanterien am Rande.
Matschie habe die Gesprächspartner der LINKEN zu Statisten eines unwürdigen Schauspiel gemacht, betonte deren Spitzenkandidat Bodo Ramelow. Grünen-Landessprecherin Astrid Rothe-Beinlich mutmaßte: »Die SPD traut sich selber nicht über den Weg, und so geht sie nun in den sicheren Hafen«.Ähnliche Artikel
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