Die kriminelle Energie der herrschenden Kreise - sie ist ungetrübt und unverschämt
Von Albrecht Müller, Nachdenkseiten v. 2.2.2010
Am 17. August 2007 erschien in der NachDenkSeiten ein Artikel unter der Überschrift „Die Blase - das Werk von Kriminellen, kriminellen Vereinigungen und Hehlern“. Darin wurde beschrieben, wie faule Kredite zu Wertpapieren zusammengepackt wurden. Wir nannten das einen „kriminellen Betrug“. Und diejenigen, die diese Papiere dann gegen eine absolut unübliche Verzinsung übernehmen und als Bankfachleute wissen müssen, dass sie bei einer Art Kettenbriefspiel mitmachen, müsste man im normalen Sprachgebrauch als „Hehler“ bezeichnen.
Das kam gar nicht gut an. Zumal schon damals die kriminellen Akte der
Bessergestellten beschönigt wurden, wie auch jetzt die kriminellen Akte
der Steuerhinterzieher beschönigend Taten von „Steuersündern“ genannt
werden. Damals wurden die kriminellen Akte, die zum Zusammenbruch der
Industriekreditbank (IKB) in Düsseldorf geführt hatten, sogar noch mit
8 Milliarden öffentlichen Geldes belobigt.
Jetzt macht man den Versuch, diejenigen zu Hehlern abzustempeln, die
die angebotene Information über die Steuerhinterziehung kaufen wollen.
Hier findet zurzeit eine ziemlich dreiste Verkehrung der Begriffe und
der Werte statt. Glücklicherweise gibt es auch Gegenstimmen, in den
Tagesthemen gestern Abend zum Beispiel vom Kommentator des SWR oder in
der Süddeutschen Zeitung vom Sonntag. (Wir haben diesen Text in den
Hinweisen von gestern zitiert.)
Der ehemalige Risikovorstand bei der Dresdner und der Deutschen Bank bestätigt jetzt unsere Feststellung, dass die Finanzkrise das Werk von Kriminellen, kriminellen Vereinigungen und Hehlern ist.
Hier einige Stichworte zu den Aussagen des Bankiers Otto Steinmetz aus seinem Interview mit der Süddeutschen Zeitung “Freiheit bedeutet, in Ketten zu tanzen”:
- „An der Krise haben viele ihren Anteil, nicht nur Banker. Manche haben mehr oder minder fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt, einige kriminell.“
- „Schuldner haben in ihren Anträgen bewusst falsche Angaben gemacht, die Vermittler erhielten überhöhte Provisionen, Gutachter haben aufgeblähte Werte für Immobilien angesetzt… “
- „Und dann haben Banken auch noch unzulänglich die Qualität geprüft, als sie diese Hypothekendarlehen gebündelt und daraus Wertpapiere geschaffen haben.“
- „Diese (überaus hohen Renditen, d.Verf.) sind ja nicht erfunden worden, sondern wurden verlangt - von den großen Investoren ebenso wie von den Kleinanlegern. … Heute geht es nur noch um den Shareholder Value, den Mehrwert der Aktionäre. Da hat sich gewaltig etwas verschoben - auch weil die Politiker Fehler gemacht haben.“
- „… die Politiker haben die Globalisierung und die Regulierung der Finanzmärkte vorangetrieben. Mitarbeiter, Kunden und Gesellschaft standen nicht mehr gleichberechtigt neben den Interessen der Aktionäre. Die Politik hat keinen Rahmen gesetzt und allein auf den freien Markt gebaut. … Dass die Finanzindustrie sich gegen Ketten wehrt, ist natürlich. Aber es ist die Aufgabe der Politik diese Ketten zu schmieden und anzulegen.“
- Die Finanzaufsicht hat alles gewusst. „Aber sie haben nie eine Frage gestellt. Ich habe sie selbst darauf angesprochen: Warum beteiligen Sie sich nicht an der Diskussion (in den Aufsichtsräten und Ausschüssen der Aufsichtsräte)?“ „Die Antwort lautete: Das ist nicht unsere Rolle. Ich war perplex.“
- „Leider haben wir in unserer Wirtschaft eine Kultur, in der Querdenker und kritische Stimmen nicht goutiert werden, ja nicht mal gewollt sind.“
Dieses Interview hat es in sich. Aber es muss die Frage erlaubt
sein, warum sich Otto Steinmetz nicht früher zu Wort gemeldet hat. Es
gab schon in den neunziger Jahren Blasen, die die gleichen kriminellen
Hintergründe hatten. Es gab diese spekulativen Blasen 1999/2000 und
dann wieder 2007. Warum hat sich der Banker nicht zu Wort gemeldet, als
selbst wir NachDenkSeiten-Macher mit unseren schwachen Ressourcen über
die kriminellen Akte berichteten? Warum nicht im Februar 2003, als die
Finanzindustrie von der Regierung Schröder die Gründung einer Bad Bank
verlangte, weil in ihren Büchern zu viele faule Risiken schlummerten?
Warum nicht schon Mitte der Neunziger, als der damalige
Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer in Davos den Politikern verkündete,
sie stünden jetzt unter der Kontrolle der Finanzindustrie?
Es wäre wichtig gewesen, dass ein Insider wie Steinmetz sich gemeldet
hätte, bevor die Sitten des Kombinats aus Finanzindustrie, Politik und
Medien total verlotterten. Spätestens dann, als im Jahre 2005 von
Steinbrück und Merkel die Deregulierung der Kapitalmärkte
vorangetrieben wurde, hätte sich Steinmetz melden müssen. Dann wäre
noch ein bisschen mehr zu retten gewesen. Zum Beispiel wären dann
weniger deutsche Unternehmen Internationalen Hedgefonds und Private
Equity Gruppen zum Fraße vorgeworfen worden.
Warum hat er sich nicht zu Wort gemeldet, als Angela Merkel den
Goldman-Sachs-Berater Otmar Issing zum Vorsitzenden einer Kommission
machte, die neue Regeln für die internationalen Finanzmärkte
ausarbeiten sollte? Macht den Bock nicht zum Gärtner! Kontrolliert den
Soffin besser! Das wären hilfreiche Hilferufe gewesen.
So haben wir es mit einem Nachklapp zu tun. Aber selbst dafür müssen wir dankbar sein.
Das angebliche Verschwinden der Steueroasen
Bei den Überlegungen zur Neuregelung der Finanzmärkte spielen die Forderungen nach mehr Transparenz und nach einer intensiveren Regulierung eine große Rolle. Inzwischen wird ja sogar gruppen- und parteiübergreifend eine Transaktionssteuer gefordert. Das zu realisieren wäre ja ganz schön, aber es gibt eine Reihe von sehr viel handfesteren Entscheidungen, die direkt helfen würden.
Warum ist die Forderung nach der Streichung der Steuerbefreiung beim Verkauf von Unternehmen und Unternehmensteilen in der Versenkung verschwunden? Warum? Weil dies anders als die Einführung einer weltweiten Transaktionssteuer von uns alleine realisierbar wäre!
Warum ist die Forderung verschwunden, von der Schweiz, von Liechtenstein, von Luxemburg, von Österreich die Schließung der Steueroasen zu fordern? Weil das weh täte! Weil das den Spezies vieler Topjournalisten und Toppolitiker nicht passen würde!
Ein NachDenkSeiten-Leser gab gestern einen interessanten Hinweis: Wir sollten doch mal eine Google-Suche mit den Worten “keine Steueroasen mehr” starten. Das Ergebnis ist verblüffend. Es wurde in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder gemeldet, auch von Seiten des Bundesfinanzministeriums, es gebe keine Steueroasen mehr. Jetzt plötzlich gibt es Listen von Aber-Hunderten Steuerhinterziehern allein in der Schweiz. Die Behauptungen vom Verschwinden der Steueroasen war offenbar ein einziges Täuschungsmanöver. Und wir alle sind in eine Art von Schlummerzustand versetzt worden.
Auch an diesem Beispiel können Sie beobachten, wie Meinungsmache funktioniert: Wenn alle das gleiche sagen, die Politik, die Journalisten, die Betroffenen und die Wirtschaft, dann wird eine Botschaft geglaubt, auch wenn sie total unwahr ist. Und noch etwas können Sie an diesem Fall studieren: Diese Art von Meinungsmache hat Folgen. Die Arbeit gegen die Steueroasen ist sozusagen amtlich eingeschläfert worden.
Medien beteiligen sich an der Verschleierung mit viel Fantasie
Ich will dabei nur auf ein Beispiel hinweisen. Im Heute Journal vom Sonntag versuchte der Moderator jene, die für den Ankauf der CD mit den Daten der Steuerhinterzieher plädierten, mit dem Vorwurf zu diskreditieren, diese machten damit Wahlkampf. Das war sehr apart.
Achten Sie bitte darauf. Es werden ihnen dazu und zu vielen anderen Skandalen immer wieder fantasievolle Geschichten aufgetischt.
Die Spiegel-Leute scheinen dick im Dreck zu stecken
Gestern zwischen 16:46 Uhr und 17:54 Uhr konnten Sie von der
Frontseite von Spiegel Online gleich drei massiv argumentierende
Artikel herunter laden. So massiv kann man sich in einer zweifelhaften
Sache, bei der es sehr gute Gegenargumente zur Meinung der
Spiegelredakteure gibt, nur engagieren, wenn man, das heißt viele
Spiegelredakteure, selbst dick im Sumpf des kriminellen Aktes der
Steuerhinterziehung steckt.
In allen drei Artikeln ist übrigens beschönigend wie in vielen
deutschen Medien von „Steuersündern“ die Rede, einmal auch von
„Steuertricksern“.
Offensichtlich setzen Organe wie Spiegel Online darauf, dass man mit
massiver Meinungsbeeinflussung noch etwas erreichen kann, zumindest
eine sehr verborgene Behandlung des Themas durch die Bundesregierung
und die Landesbehörden, selbst dann, wenn die CD erworben werden sollte.
Hier sind die drei Artikel:
01. Februar 2010, 16:46 Uhr
Streit um brisante Daten-CD: Regierung riskiert Steuerkrach mit der Schweiz
Von Philipp Wittrock
Die eigenen Leute warnen vor dem Deal - doch Kanzlerin Merkel und
Finanzminister Schäuble wollen das unmoralische Angebot annehmen: Die
deutschen Behörden sollen die brisante Steuersünder-CD kaufen. Für die
Jagd auf Fiskusflüchtlinge nimmt die Regierung auch Ärger mit der
Schweiz in Kauf.
(…)
01. Februar 2010 17:00 Uhr
Debatte um Steuersünderdaten: Selbstgerechte Rechtsbeuger
Ein Kommentar von Thomas Darnstädt
Eine große Koalition von Kanzlerin Merkel bis SPD-Chef Gabriel will
geklaute Steuerdaten kaufen, um damit Schwarzgeld aufzutreiben. Dieser
Plan ist gefährlich: Der Rechtsstaat darf sich nicht das Recht nehmen,
das Recht zu brechen.
Es soll Leute geben, die zahlen ihre Steuern, weil sie das für richtig
halten. Nicht, weil sie glauben, der Staat sei ausgerechnet auf die
paar tausend Euro angewiesen, die sie im Jahr überweisen. Auch nicht,
weil sie noch immer kein Konto in der Schweiz haben. Sondern einfach,
weil sie es für richtig halten.
Das sind meist dieselben Leute, die auch keine Filme illegal aus dem
Netz herunterladen, weil das unmoralisch ist, ungerecht den Urhebern
gegenüber. Weil sie dem kategorischen Imperativ des Philosophen
Immanuel Kant glauben, der vereinfacht lautet: Überlege, was geschähe,
wenn das alle täten!
Was sollen diese Leute - und es gibt sie wirklich - von einer Regierung
halten, die ernsthaft überlegt, ob sie gestohlene Bankunterlagen kauft,
um damit Steuersünder zu entlarven und Geld von ihnen zu erlangen?
Bedenke, was geschähe: Der Staat nimmt sich das Recht, das Recht zu
brechen, weil seine Politiker so eigene Vorstellungen von Gerechtigkeit
haben wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, der haarscharf am Problem vorbei das
heikle Geschäft rechtfertigen will: “Wir können Gauner nicht laufen
lassen, nur weil sie von Ganoven entlarvt werden.”
Der Ankauf gestohlener Ware um des eigenen Vorteils willen ist Hehlerei
(…)
01. Februar 2010, 17:54 Uhr
Umstrittener Deal: Daten-Poker in der Grauzone
Von Friederike Ott und Stefan Schultz
Die Regierung hat es schon einmal getan - und riesige Summen von
Zumwinkel & Co. kassiert. Doch diesmal ist der Kauf von
Steuerbetrügerdaten noch umstrittener. Experten warnen: Wenn nur einer
der Flüchtigen gegen den Deal klagt, könnte der Staat plötzlich auf der
Verliererseite stehen.
Hamburg - Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) steht vor einer
schwierigen Entscheidung. Ein Informant hat der Regierung eine CD mit
den Namen von mehr als tausend mutmaßlichen Steuersündern angeboten.
Die Daten hat der Mann vermutlich illegal erworben.
Für die CD verlangt er einen stolzen Preis: 2,5 Millionen Euro will er
laut “Frankfurter Allgemeiner Zeitung” für die Daten haben. Für den
Fiskus soll sich der Kauf trotzdem lohnen: 100 Millionen Euro könne er
Steuertricksern mit Hilfe der Daten abknöpfen, behauptet der Mann.
Dem klammen Staat dürfte eine solche Finanzspritze nur recht sein. Die
Steuereinnahmen in Deutschland sind 2009 regelrecht eingebrochen. Rund
485 Milliarden Euro flossen an Bund, Länder und Gemeinden - 30
Milliarden Euro weniger als noch im Vorjahr. Doch der politische Preis
für den heiklen Datenkauf wäre hoch: Es geht um die Integrität des
deutschen Rechtsstaats, um die Frage, ob man mit mutmaßlichen
Verbrechern kooperieren darf und sollte, um andere Verbrechen
aufzudecken.
Entsprechend spaltet der Fall die Republik. Mit Dieben “sollte sich der
Staat nicht gemeinmachen”, erklärte Unionsfraktionschef Volker Kauder.
SPD, Grüne und Linke glauben dagegen, der Staat dürfe die
Millionenchance nicht verpassen. Auch Rechtsexperten halten den
Vorschlag für sehr heikel. Die möglichen Multimillioneneinnahmen
rechtfertigten noch lange nicht den Kauf illegal erworbener Daten, sagt
Finanzverfassungsrechtler Helmut Siekmann von der
Johann-Wolfgang-Goethe-Universität. Auch der Staat müsse sich an Recht
und Gesetz halten. “Das unterscheidet ihn von einer Räuberbande.
Andernfalls könnte er auch beliebig erpressen und Gewalt anwenden, um
seine Ziele zu verwirklichen.”
(…)
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