»Fossile Stromproduktion auf Dauer unbezahlbar«
Interview der Woche mit Dorothée Menzner
Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat es uns in den letzten Wochen wieder vor Augen geführt: Fossile Brennstoffe können nicht Grundlage unserer Energieversorgung bleiben, sie sind nur begrenzt vorhanden und führen zu großen Verschmutzungen. Die Bundesregierung will jetzt bis Ende Juli ihr Energiekonzept vorlegen und setzt dabei vor allem auf längere Laufzeiten von Atomkraftwerken. Im Interview der Woche äußert sich dazu Dorothée Menzner, energiepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.
Die AKW-Betreiber sollen demnächst eine sogenannte »Brennelementesteuer« zahlen. Es ist im Gespräch, die Einnahmen daraus für die Erkundung neuer Lagerstätten zu verwenden. Es ist doch eine gute Idee, die Verursacher an den Entsorgungskosten zu beteiligen, oder?
Selbst die Bundesregierung hat einmal festgestellt, dass bei der Entsorgung von radioaktiven Abfällen das Verursacherprinzip gilt. Es ist also nicht nur eine gute Idee, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Kosten für jegliche Endlagerprojekte von den Energiekonzernen getragen werden. Die Bundesregierung sorgt nicht konsequent für die Umsetzung dieses Prinzips. DIE LINKE fordert, dass sämtliche Entsorgungsrücklagen der Atomkonzerne sofort in einen öffentlich-rechtlichen Fonds überführt werden, aus dem die Endlagerfrage finanziert wird. Die Brennelementesteuer kann dafür nicht das Mittel sein, denn mit ihr wird nur ein kleiner Teil des milliardenschweren Subventionsprivilegs abgebaut, das die Atomindustrie seit Jahrzehnten auf Kosten der Steuerzahler genießt.
Ist es nicht klug, sich in Zeiten knapper Mittel für bereits vorhandene Technik zu entscheiden, die den Strompreis für die VerbraucherInnen niedrig hält und so gut wie keine CO2-Emissionen produziert?
Es ist ein seit vielen Jahren bewusst gestreutes Gerücht, dass die
Atomenergie so sauber sein soll. Tatsächlich verursacht die
Produktionskette vom Uranabbau bis zur Endlagerung CO2-Emmissionen, die
über denen eines Erdgasblockheizkraftwerks liegen. Kein Grund also, die
Atomenergie den Erneuerbaren Energien vorzuziehen. Dass Atomenergie den
Strompreis niedrig hält, ist auch so ein Märchen: den Preis bestimmen
die teuersten Kraftwerke, die tagsüber ans Netz gehen. Und das sind die,
die nur ganz kurz zur Spitzenlastabdeckung gebraucht werden.
Subventionierter, und somit billig herzustellender Atomstrom nützt also
dem Verbraucher nichts, sondern ausschließlich den Profiten der
Energiekonzerne.
Wie soll die Energieversorgung ohne die bewährte leistungsstarke
Kohleverstromung sicher gestellt werden? Kohle haben wir schließlich
genug in Deutschland. Wäre es nicht sinnvoller, in die Weiterentwicklung
von CO2-Abscheidern zu investieren?
Man muss die Kohleverstromung nicht künstlich am Leben erhalten. Die CO2-Abscheidung und anschließende Lagerung (CCS) ist energetisch extrem ineffizient und durch Risiken behaftet, die heute bereits absehbar sind. Man kann nicht gewährleisten, dass einmal eingelagertes CO2 auch tatsächlich unterirdisch bleibt, sondern sich durch Risse im Gestein wieder zutage bewegt. Wenn sich der erste CO2-See über ein Dorf legt, wird es zu spät sein, solche Risiken zu bewerten. Außerdem gibt es schlüssige Konzepte, die aufzeigen, dass ein mittelfristiger Kohleausstieg machbar und notwendig ist. Wind und Sonne stehen uns wesentlich länger als Kohle zur Verfügung und sind klimafreundlich, ohne Risiko und obendrein mittelfristig für den Verbraucher billiger, da die fossile Stromproduktion auf Dauer unbezahlbar wird.
Mal ehrlich, der Atomausstieg, den die rot-grüne Bundesregierung angeschoben hat, war ein Schnellschuss. Die Förderung Erneuerbarer Energien verbrennt doch letztlich Subventionen nur an anderer Stelle...
Von einem Schnellschuss kann keine Rede sein, das war eher ein Rohrkrepierer. Denn der Atomkonsens war die gesetzliche Garantie, bis 2025 weiter Atommüll und Atomprofite erzeugen zu können. Der Vertrag wird derzeit von Energiekonzernen und Regierung gebrochen und abgeschafft. DIE LINKE forderte schon damals einen sofortigen Atomausstieg. An welcher Stelle verbrennt die Erneuerbare-Energien-Förderung Subventionen? Sie hat dazu beigetragen, dass sich insbesondere in strukturschwachen Regionen eine zukunftsfähige Branche entwickeln konnte und der Anteil Erneuerbarer auf mittlerweile 17 Prozent bei Strom angestiegen ist. Der Anreiz besteht auch darin, dass jeder Hausbesitzer auch ohne großes Eigenkapital Erneuerbaren Strom dezentral herstellen kann. Von den 20 Cent Stromkosten pro Kilowattstunde zahlt der Verbraucher gerade mal 2 Cent für die Erneuerbaren. Wer jetzt ständig behauptet, die EEG-Förderung sei verbraucherfeindlich, hat die Relationen aus dem Blick verloren.
Ultimatives Argument gegen Atomkraft ist, dass es kein sicheres Endlager für den radioaktiven Müll gibt. Gorleben scheint ja tatsächlich ungeeignet zu sein?
Es gibt viele Anhaltspunkte, die gegen Gorleben als Endlager sprechen. Erst neulich hat vor dem Untersuchungsausschuss Gorleben der Quartärgeologe Klaus Duphorn bestätigt, dass Ergebnisse seiner Forschung in Gorleben aus dem Jahr 1982 dringend dazu anmahnten, andere Standorte zu erkunden. Das ist aber politisch nicht gewollt, und Sicherheitsbedenken scheinen damals wie heute keine Rolle zu spielen. Für die politischen Akteure muss Gorleben als Entsorgungsnachweis herhalten, koste es, was es wolle. Man kann das sehr gut nachvollziehen, wenn man sich die Entwicklung der Endlager-Kriterien der vergangenen Jahrzehnte anschaut. Die wurden nämlich immer mehr dem angepasst, was man in Gorleben vorgefunden hat. Die Endlagerfrage ist nicht das einzige Argument gegen Atomkraft. Die Gefahr einer Katastrophe, aber auch bereits die Fördermethoden von Uran unter katastrophalen Arbeitsbedingungen und großflächiger Kontamination von Mensch und Umwelt in den Uranminen Afrikas und sonstwo, verlangen einen sofortigen Atomausstieg.
Gibt es überhaupt geeignete Orte, um Müll aufzubewahren, der über Jahrtausende mit tödlicher Wirkung strahlt?
Auf unserem Planeten vermutlich nicht. Denn ein Restrisiko, dass durch irgendeinen Umstand in ein paar tausend Jahren oder viel eher die Radioaktivität zu Tage tritt, ist niemals auszuschließen. Deshalb ist es ja so unverantwortlich, immer mehr von diesem Müll zu produzieren. Aber man kann sich dem Problem nicht entziehen und muss mit viel Sachverstand und Vernunft Lagerstätten finden, bei denen das Risiko so gering wie möglich ist. Dazu braucht es einen Vergleich vieler Standorte für ein Endlager. Wenn man sich wie die Bundesregierung auf Gorleben fixiert ohne andere Standorte in Betracht zu ziehen, wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass man damit tatsächlich den bestmöglichen Standort gewählt hat?
linksfraktion.de, 26. Juli 2010
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