ÖBS und Bürgerarbeit

Von Carola Bluhm, Elke Breitenbach, Christina Emmrich, Ines Feierabend, Kerstin Liebich, Knut Mildner-Spindler und Dagmar Pohle

04.11.2010

Die LINKE auf allen Ebenen versucht seit Jahren, die Idee eines »Öffentlich geförderten Be­schäftigungssektors« – ÖBS – Wirklichkeit werden zu lassen.

In Berlin ist es uns gelungen, bis zu 8.000 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose aufzubauen. Wir haben uns dabei von dem Grundsatz leiten lassen, alle Möglichkeiten und Instrumente zu nutzen, um unsere Vorstellungen vom ÖBS umzusetzen.

Grundvoraussetzungen sind:

• Die Arbeit muss sozialversicherungspflichtig, tariflich entlohnt und existenzsichernd sein, ist also mit derzeit mindestens 7,50 Euro die Stunde bzw. mindestens 1.300 Euro brutto im Mo­nat vergütet.

• Es soll gesellschaftlich sinnvolle und zusätzliche Arbeit erledigt werden.

• Die Arbeit soll langfristig sein.

• Sie soll auf freiwilliger Basis erfolgen.

Den Einstieg in Berlin haben wir geschafft. Das, was in Berlin im ÖBS läuft, entspricht noch nicht vollends unseren politischen Vorstellungen. Wir konnten aber die Debatte vorantreiben und haben bewiesen, dass Alternativen zu Ein-Euro-Jobs möglich sind, dass gute Arbeit Langzeitar­beitslosen eine Perspektive bietet und für die Stadtgesellschaft sinnvoll ist.

Inzwischen haben die anderen Parteien eingeräumt, dass mittel- und kurzfristig nicht für alle Langzeitarbeitslosen Erwerbsarbeit zur Verfügung steht. Das ist auch ein Ergebnis der politi­schen Auseinandersetzungen, die PDS und LINKE in den letzten Jahren geführt haben.

Im Wahlkampf in NRW z.B. hat Hannelore Kraft die Vorstellungen und Forderungen der SPD zum öffentlich geförderten Beschäftigung vertreten. Nun legt die schwarz-gelbe Bundesregie­rung ihre Vorstellung vor: die Bürgerarbeit.

Sie ist in vier Phasen gegliedert. Die ersten drei Phasen, nämlich die Beratung der Erwerbslosen, Qualifizierung und Vermittlungsversuche in den ersten Arbeitsmarkt, gehören eigentlich zum normalen Handwerkszeug von ArbeitsberaterInnen. Die hat die Bundesregierung jetzt verkoppelt mit einer vierten Phase, der eigentlichen Bürgerarbeit für diejenigen, die bislang keine Stelle im ersten Arbeitsmarkt gefunden haben.

Im Grundsatz soll auch bei der Bürgerarbeit gesellschaftlich sinnvolle und zusätzliche Arbeit erledigt werden. Problematisch ist vor allem die finanzielle Ausstattung der Bürgerarbeit. Es handelt sich um nicht existenzsichernde Entlohnungen, so dass alle Bürgerarbeitenden weiter von aufstockenden Leistungen des Jobcenters abhängig sind. Das haben wir schon seit der Ein­führung der Bürgerarbeit als Modellprojekt in Sachsen-Anhalt kritisiert. Und deshalb fordern wir auch weiterhin: ÖBS statt Bürgerarbeit.

Aber: Die Bundesregierung hat im Zuge ihres Sparpakets angekündigt, die Mittel für die Ar­beitsmarktförderung bis 2014 um bis zu 45% zu kürzen. Einen Teil der verbleibenden Mittel hat sie für die Finanzierung der Bürgerarbeit reserviert. Damit verringern sich die Spielräume, gute Arbeit im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu organisieren, erheblich. Deshalb muss­ten wir in den letzten Wochen ausführlich prüfen, wie wir mit dem Modellversuch Bürgerarbeit umgehen und ob und in welcher Form wir uns unter diesen Bedingungen beteiligen.

Der rot-rote Senat beteiligt sich finanziell derzeit nicht an Bürgerarbeit. Aber acht Jobcenter in den Bezirken haben an der Ausschreibung des Modellversuchs Bürgerarbeit teilgenommen und den Zuschlag bekommen. Dadurch können rund 2.300 Beschäftigungsverhältnisse entstehen – allerdings zu Niedriglohnbedingungen.

Wir würden angesichts dieser Lage gerne das zur Verfügung stehende Instrument Bürgerarbeit nutzen, um stattdessen existenzsichernde Arbeit zu organisieren und wollen uns deshalb weiter für folgendes einsetzen:

1. Wir wollen alles unternehmen, dass Bürgerarbeit in Berlin zu ÖBS-Bedingungen ausgestaltet werden kann. Dazu wird es in den nächsten Wochen weitere Gespräche geben. Wir fordern den Bund auf, eine Landeskofinanzierung zuzulassen. Wir wollen in Berlin Bür­gerarbeit unter vernünftigen Bedingungen, wie wir sie für unseren ÖBS definiert haben.

2. Gleichzeitig sorgen in den Bezirken unsere Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksstadträte gemeinsam mit den Jobcentern für sinnvolle Einsatzfelder wie bisher auch im ÖBS.

3. In der Auseinandersetzung mit dem Sparpaket der Bundesregierung werden wir unsere Vor­stellungen zu öffentlich geförderter Beschäftigung erneut formulieren und dazu auch parla­mentarische Initiativen ergreifen.

4. Mit der Bundesagentur für Arbeit verhandeln wir weiter darüber, dass trotz der Einsparungen durch die Bundesregierung in Berlin der bisherige ÖBS weiterfinanziert werden kann, wenn vermutlich auch in geringerer Anzahl.