Spekulationsgetriebene Inflation

Von Rudolf Hickel, ND vom 23. April 2011

24.04.2011

Ein Gespenst geht um. Nach einer Phase einer recht stabilen Entwicklung des Geldwertes wird die Rückkehr der Inflation beschworen. Die Erklärungen hierzu sind vielfältig, vor allem aber diffus. Da ist von einer inflationstreibenden Geld- und Liquiditätsschwemme als Spätfolge der Stabilisierung des Bankensektors die Rede. Allerdings hätte diese viel früher in eine Inflation münden müssen. Die Geldmenge wuchs im Jahr drei nach der Finanzmarktkrise mit drei Prozent sogar geringer als in früheren Jahren. Auch die Sorge, die Inflation würde durch eine über das gesamtwirtschaftliche Angebot hinausschießende Nachfrage erzeugt, trifft nicht. Es ist ebenfalls nicht damit zu rechnen, dass die gemessen an der Arbeitsproduktivität akzeptablen Lohnsteigerungen zu Preiserhöhungen führen werden. Eine Preis-Lohn-Spirale ist nicht in Sicht. Schließlich liegt der Zuwachs des allgemeinen Preisindexes für den privaten Verbrauch mit erwarteten 2,1 Prozent in diesem Jahr praktisch im Bereich der für unbedenklich erachteten Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent. Im kommenden Jahr gehen die Prognosen sogar von einem Rückgang auf 1,5 Prozent aus.

Die Erklärung der Geldentwertung durch die Liquiditätsschwemme zusammen mit einer gegenüber dem Warenangebot überschüssigen Nachfrage lenkt von den eigentlichen Triebkräften ab. Hierzu lohnt sich der Blick auf die preistreibenden Segmente im Warenkorb. So ist der allgemeine Preisindex im Februar 2011 gegenüber dem Vorjahresmonat um 2,1 Prozent gestiegen. Darin stecken Fernsehgeräte, Notebooks und Digitalkameras, deren Preise deutlich gesunken sind. Jedoch haben sich die Preise für Nahrungsmittel verteuert. Darüber hinaus verbergen sich hinter dem insgesamt moderaten Inflationsanstieg starke Preiserhöhungen bei Energie, leichtem Heizöl sowie Strom und Gas. Gegenüber dem Zuwachs des allgemeinen Preisindexes um 2,1 Prozent erhöht sich die Kerninflationsrate nur um 0,8 Prozent. Hier sind die Preistreiber Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet. Die Inflationsbeschleuniger agrarische und metallische Rohstoffe sowie Energieträger wie Öl lassen sich durch die Geldpolitik, die auf eine Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage setzt, nicht bekämpfen.

Was sind die Ursachen der Preistreiberei mit Energie und Rohstoffen? Sicherlich führt die durch die Dynamik der Weltwirtschaft rapid steigende reale Nachfrage zur Verteuerung. Der Energie- und Rohstoffhunger in den Schwellenländern erklären die Preissprünge. Bei den agrarischen Rohstoffen haben Missernten zur Angebotsverknappung geführt. Darüber hinaus ruft die Aussicht auf steigende Preise jedoch ein Heer von Spekulanten auf den Plan. Selbst zurückhaltende Schätzungen gehen davon aus, dass über 30 Prozent des sich beschleunigenden Preisauftriebs auf Spekulationsgeschäfte zurückzuführen sind. Sicherlich wird den Finanzinvestoren angesichts billiger Kredite durch die expansive Geldpolitik das Spekulieren erleichtert. Allerdings sind es die völlig unzureichend regulierten Warenterminbörsen, die den Spekulanten den Einsatz billigen Geldes ermöglichen.

Diese haben ihre volkswirtschaftliche Funktion schon lange verloren. Heute dominieren die Spekulanten, die ohne ein produktionsbezogenes Interesse von den kleinsten Preisdifferenzen zwischen Kauf und Verkauf profitieren wollen. Deshalb bedarf es zur Bekämpfung der spekulativen Preistreiberei weltweit gültige Regulierungen für die Warenterminbörsen.