Keine Privatisierung gegen Bürgerwillen
DGB klartext 17/2011
Privatisierungen öffentlichen Eigentums sind trotz aller Pleiten noch immer nicht passé. Wegen klammer Kassen setzen die Kommunen noch immer auf das schnelle Geld und verscherbeln ihr Tafelsilber. Doch der Widerstand wächst – immer mehr Bürgerbegehren versuchen den Ausverkauf zu verhindern. Der klartext.
„Die Privatisierung von Landesvermögen ist notwendig". Dieser Satz fiel nicht etwa zum Höhepunkt der Privatisierungswelle in den 90er Jahren, nein, neulich nach dem Wahlsieg von Grün-Rot in Baden-Württemberg. Krahwinkel, Landes-Chef des Steuerzahlerbundes findet, man solle sich angesichts des Schuldenbergs und teurer Bildungsreformvorhaben von Firmen trennen.
Privatisierungen sind trotz aller Pleiten noch immer nicht passé. Wegen klammer Kassen – u. a. als Resultat der Wirtschaftskrise, verschärft durch die Schuldenbremse – setzen Kommunen noch immer auf das schnelle Geld aus der Verscherbelung öffentlichen Tafelsilbers. Regelmäßig untersucht die Beratungsgesellschaft „Ernst & Young" die kommunale Finanzsituation: Während 2010 noch 37 Prozent der Kommunen Privatisierungen planten, waren es im einnahmestärkeren Jahr 2011 sogar 43 Prozent!
Die BürgerInnen sind sauerDabei zeigen Erfahrungen: Privatisierung bringen dem Stadtsäckel allenfalls kurzfristig Geld, aber viel Ärger: Die versprochenen „Effizienzvorteile" für die Kommunen bleiben häufig aus. Sie geben ihre Steuerung in Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge nahezu auf. BürgerInnen sind sauer, weil viele Private schlechte, aber teurere Dienstleistungen abliefern. Etliche Beschäftigte leiden unter schlechteren Löhnen und Arbeitsbedingungen. Kommunen, die trotzdem auf Privatisierung setzen, müssen sich inzwischen öffentlich rechtfertigen.
Denn weiten Teilen der Gesellschaft ist die Privatisierungseuphorie vergangen. In einer Umfrage im Auftrag des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) von 2010 lehnten 70 Prozent der Bevölkerung eine Privatisierung ihrer Stadtwerke ab. 81 Prozent der Befragten bringen eher örtlichen Stadtwerken Vertrauen entgegen als Konzernen (26 Prozent). Und so gibt es immer mehr Bürgerbegehren gegen (Teil-) Privatisierungen von Stadtwerken, Krankenhäusern, Wasser- oder Abfallentsorgungsbetrieben.
Staat wieder Herr im eigenen HausIn Hamburg etwa läuft vom 3. bis 23. Mai 2011 die Unterschriftensammlung für das von ver.di initiierteVolksbegehren „Keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen". Ziel: Kein öffentliches Unternehmen darf verkauft werden, ohne dass die BürgerInnen darüber abgestimmt haben. Ein Vorbild für die ganze Republik?
Dazu passt: Unter der Flagge der Rekommunalisierung drängen BürgerInnen, Beschäftigte und auch Kommunalpolitiker verstärkt darauf, dass der Staat wieder „Herr im eigenen Hause" wird. Sei es durch den (Teil-) Rückkauf privatisierter Unternehmen und Netze, sei es durch die Rückübertragung von öffentlichen Aufgaben. Die Chancen stehen gerade jetzt gut. Beispiel Energie: Derzeit laufen rund 1.000 Konzessionsverträge zwischen Kommunen und Stromversorgern aus. Das bietet kommunalen Versorgern die Gelegenheit, die Energieversorgung (wieder) in die eigene Hand zu nehmen. Nach Angaben des VKU wurden in Deutschland in den letzten Jahren rund 40 Stadtwerke neu gegründet und mehr als 100 Konzessionsverträge neu hinzugewonnen.
„Privat vor Staat" war gestern, die breite Bevölkerung denkt inzwischen umgekehrt. Kommunale Unternehmen scheinen die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Sie zeigen nun, dass es anders geht: bürgerfreundlicher, sozialer, ökologischer und – effizienter.
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