Finanztransaktionssteuer in Europa endlich umsetzen - Den Versprechungen nun schwungvoll Taten folgen lassen
Rede von Dr. Axel Troost (DIE LINKE) vom 9.6.2011
Die aufgezeichnete Rede können Sie hier im Archiv des Parlamentsfernsehens ansehen bzw. nachstehend noch einmal hören.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir begrüßen ausdrücklich diese zeitgleiche Debatte hier und im französischen Parlament. Die Forderung nach einer Finanztransaktionsteuer, für die wir schon vor der Finanzkrise eingetreten sind, ist inzwischen breit in der Bevölkerung und auch in diesem Haus verankert. Dem ist eine lange Vorarbeit vorausgegangen. Zunächst wurde die Forderung vor allem von Attac erhoben, inzwischen unterstützt sie ein breites Bündnis von 82 Organisationen in der Kampagne „Steuer gegen Armut“. Dieses Engagement will ich hier ausdrücklich würdigen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch international ist die Stimmung gut: Neben Frankreich sind inzwischen auch viele andere Länder zu der Einführung bereit. Das Europäische Parlament das ist heute noch nicht erwähnt worden hat am 8. März mit der deutlichen Mehrheit von 78 Prozent für die Einführung dieser Steuer gestimmt. Die traditionell eher links angesiedelte Forderung wird inzwischen also auch breit von Konservativen in Europa befürwortet. Vorgestern, am Dienstag, hat Kommissionspräsident Barroso gesagt:
Ich bin für eine Finanzmarkttransaktionsteuer und werde dazu in sehr naher Zukunft einige Ideen einbringen.
Nun haben wir gehört, dass uns der zuständige EU-Kommissar, Herr Semeta, der gestern bei uns war, zugesichert hat, dass eine unvoreingenommene, ergebnisoffene Prüfung vorgenommen wird. Ich selbst bin Volkswirt und kenne die Kolleginnen und Kollegen und die Mehrheiten. Wenn die Mehrheit derjenigen, die prüfen, aus Personen besteht, die seit 20 Jahren sagen, die Finanzmärkte seien das Effektivste und Finanzkrisen könnten nicht vorkommen, dann ist zumindest nicht sicher, ob diese Personen ihre Meinung wirklich so schnell ändern. Oder um es an einem einfachen Beispiel deutlich zu machen : Wenn Sie dem sehr berühmten Professor „Un-Sinn“
(Heiterkeit bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
den Auftrag geben, unvoreingenommen und ergebnisoffen eine Prüfung durchzuführen, dann wissen Sie, was das Ergebnis ist: Unsinn!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir Bundestagsabgeordnete sind nicht dazu gewählt worden, Unsinn zu machen, sondern wir sind gefordert, Politik zu machen. In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die Rede von Herrn Steffel begrüßen und sagen, dass nahezu Einmütigkeit herrscht, dass Druck ausgeübt werden muss und wir deutlich machen müssen, dass wir als deutsches Parlament der Ansicht sind, dass diese Steuer auf europäischer Ebene breit eingeführt werden muss.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Bundesregierung bemüht sich in der Tat, bei dieser Einigung voranzukommen, und dafür loben wir sie. Aber mein Eindruck ist bisher, dass es zwei große Probleme gibt. Das erste Problem ist die FDP.
(Dr. Volker Wissing (FDP): Da haben wir es wieder!)
Das ist heute sehr deutlich geworden. Ich will auf die Beiträge gar nicht eingehen. Es war nur peinlich, was Herr Sänger hier vorgetragen hat.
(Christian Lange (Backnang) (SPD): Das stimmt allerdings!)
Es ist wirklich so: Die FDP steht auf völlig verlorenem Posten und sollte nicht nur ihre Führungsmannschaft, sondern auch ihre unhaltbaren Positionen ausrangieren, damit wir weiterkommen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe schon einmal in einer Debatte zu diesem Thema gesagt: Es kann nicht sein, dass der Schwanz FDP in dieser Frage mit dem Hund, dem gesamten Parlament, wackelt.
(Björn Sänger (FDP): Da können Sie mal sehen, wie viel Einfluss wir haben!)
Wenn es stimmt, dass die FDP und die CDU/CSU eine gemeinsame Fraktionsklausur abhalten wollen, dann kann ich die CDU/CSU nur bitten, die FDP in dieser Frage wieder an die Leine zu nehmen, damit man mit gemeinsamen Positionen vorangehen kann.
Das zweite Problem ist die Frage, auf welcher Ebene die Steuer eingeführt werden soll und wie groß die Zustimmung zu der Einführung der Steuer sein muss. Wenn man die Zustimmung aller 27 EU-Staaten fordert, dann ist das aus unserer Sicht eher unrealistisch. Es muss darum gehen, mit dem Kern, Frankreich, Österreich und anderen, zu schauen, insbesondere noch Großbritannien ins Boot zu bekommen, um dann die Steuer einzuführen. Es muss darum gehen, eine Koalition williger Staaten hinzubekommen, die dann entsprechend handelt. Was wir wirklich brauchen, ist ein Vorratsbeschluss des Deutschen Bundestages, der dokumentieren würde, dass die Bundesrepublik wie Frankreich, Belgien und Österreich sofort eine solche Steuer einführen würde.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie mich noch etwas zu den Einnahmen aus dieser Steuer sagen. Eine Finanztransaktionsteuer das wissen alle, die sich damit beschäftigt haben bringt weit mehr Einnahmen, als die von Schäuble veranschlagten 2 Milliarden Euro. Insofern ging es nie um so etwas wie ein Instrument zur Finanzierung von Steuersenkungen für Hoteliers; die Finanztransaktionsteuer ist vielmehr traditionell eine Steuer zur Finanzierung globaler Angelegenheiten wie Entwicklungshilfe oder Umwelt- und Klimaschutz.
(Beifall bei der LINKEN)
Und das ist auch richtig so. Seit 40 Jahren haben alle Bundesregierungen das Versprechen gebrochen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe zu verwenden. Eine Mehrheit von 353 Bundestagsabgeordneten, darunter also auch Mitglieder der Regierungskoalition, unterstützt inzwischen einen Aufruf zur Erfüllung dieses Versprechens. Mit einer Finanztransaktionsteuer wäre dies problemlos finanzierbar. Es ist schon wichtig, das hier noch einmal zu betonen. Das heißt nicht, dass diese Steuereinnahmen nicht in den Haushalt fließen. Das heißt auch nicht, dass darüber hinausgehende Einnahmen aus dieser Steuer nicht für eine nachhaltige Politik in der Bundesrepublik selbst genutzt werden können.
Die Bundesregierung sollte in enger Abstimmung mit der französischen Regierung und koordiniert mit anderen Regierungen noch in diesem Jahr eine Gesetzesinitiative für eine europäische Finanztransaktionsteuer vorlegen und dann in der Tat ich stimme Herrn Steffel völlig zu auch international, etwa im G 20-Rahmen, versuchen, andere davon zu überzeugen, dass das Erheben dieser Steuer eine sinnvolle Maßnahme ist. Wir sollten versuchen, noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Vorratsbeschluss hier im Bundestag zu fassen.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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