Transparenz und Steuerung
Von Jürgen Klute, Neues Deutschland
Brüsseler Spitzen
Das Europäische Parlament hat im März mit deutlicher Mehrheit die Einführung von Eurobonds gefordert. Der zuständige EU-Kommissar Olli Rehn will bis zum Jahresende entsprechende Vorschläge machen.
Es gibt unterschiedliche Konzepte für Eurobonds. Allen gemeinsam ist das Zusammenfassen der Schulden entweder aller EU-Staaten oder nur der Euro-Staaten, um gemeinsam am Finanzmarkt die nötigen Kredite zu organisieren (eine weitergehende, von der Linken geforderte Variante ist die direkte Herausgabe von Staatsanleihen durch die EU). Dadurch blieben den Krisenstaaten die heutigen hohen Risikozuschläge für Kredite erspart. In der derzeitigen Situation wäre das die wirksamste Hilfe für sie. Die als finanzkräftig geltenden EU-Mitgliedsländer, wie zum Beispiel Deutschland, müssten dann allerdings einen Zinsaufschlag auf ihre Kredite in Kauf nehmen.
CDU und FDP, aber auch der ehemalige Chef-Volkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) Otmar Issing, lehnen Eurobonds strikt ab. Damit würde die EU zu einer Transfer-Union, lautet ihr Gegenargument. Gleichwohl haben im Europäischen Parlament auch Liberale und Konservative für Eurobonds gestimmt.
In einem schlechten Sinne haben wir längst eine Transfer-Union. Wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland exportieren enorm viele Waren in die südeuropäischen EU-Länder. Mehr als 60 Prozent der deutschen Exporte gehen in EU-Mitgliedsstaaten. Das trägt erheblich zu den Defiziten dieser Länder bei. An den Krediten zur Finanzierung dieser Defizite wiederum verdienen deutsche Banken viel Geld. Dieser Transfer von den wirtschaftlich schwächeren zu den wirtschaftlich starken Ländern der EU ließe sich durch Eurobonds korrigieren. Zumindest für den Euro-Raum ist eine solche Korrektur dringend nötig.
Die EU-Mitgliedsstaaten organisieren mittels Sozial- und Steuerpolitik einen gewissen Ausgleich ihrer inneren wirtschaftlichen Ungleichgewichte. Über diese Instrumente verfügt die EU bisher nicht. Deshalb können die wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, also innerhalb des EU-Binnenmarktes, zur Zeit nicht wirksam korrigiert werden. Dazu sind Eurobonds als ein erster struktureller Korrekturschritt nötig, dem allerdings weitere folgen müssen.
Die EU versteht sich als ein politisches Projekt, dass nach Jahrhunderten voller Kriege, zwei Weltkriegen und dem Scheitern des Nationalismus durch wirtschaftliche Integration ein friedliches Zusammenleben der europäischen Völker erreichen und sicherstellen will. Doch Frieden ist mehr als Abwesenheit von Krieg. Frieden bedeutet ebenso soziale Gerechtigkeit, die Beteiligung aller am gesellschaftlichen Wohlstand. Nur wenn es gelingt, alle Bürgerinnen und Bürger, die in der EU leben, am erwirtschafteten Wohlstand zu beteiligen, wird die EU auf Dauer als politisches Friedensprojekt bestehen können. Ein solches Projekt kann und darf man nicht den Märkten, nicht den Rating-Agenturen und nicht den Krämerseelen der Europäischen Zentralbank zum Fraß vorwerfen, wie Frau Merkel es derzeit macht.
Die Europäische Union ist ein politisches Projekt ohne wirkliche Alternative. Deshalb braucht die EU, vor allem aber brauchen die Wirtschaft und der Finanzsektor mehr Transparenz und eine stärkere demokratisch-parlamentarische Steuerung und Kontrolle. Deshalb tritt die Linke für Eurobonds, für wirtschaftlichen Ausgleich innerhalb der EU ein. Deshalb streitet sie im Europäischen Parlament für eine demokratische, soziale, friedliche und ökologisch-nachhaltige Europäische Union.
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