"Ergebnisse" der IWF/Weltbank-Jahrestagung
Kein Waffenstillstand im "Währungskrieg"
Die in der letzten Zeit in den Medien bemühte Metapher vom "Währungskrieg" hat keine sonderliche Aufregung ausgelöst. Für große Teile der Bevölkerung und auch der Politik ist dies kein zentrales Thema. Nimmt man den Begriff ernst, dann ging es bei der jüngsten Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank im Kern um Friedensverhandlungen. Aber im Prinzip ist in Washington nicht einmal ein Waffenstillstand herausgekommen.
Einigkeit gab es auf der Jahrestagung nur in einem Punkt: "Wir sind alle zum Schluss gekommen, dass der IWF der Ort ist, um Fragen wie jene der Wechselkurse oder Währungsreserven zu regeln", erklärte der ägyptische Finanzminister und Vorsitzende des IWF-Lenkungsausschusses Youssef Boutros-Ghali. Man werde dieses Thema "auf multilaterale, systematische Weise angehen". Dem Fonds wurde von den Mitgliedstaaten der Auftrag zu vertieften Studien über globale Ungleichgewichte, Kapitalflüsse in Schwellenländer, Devisenmarktturbulenzen sowie zur Akkumulation von Währungsreserven gegeben
Konkret geplant ist, so genannte Spillover-Reports anzufertigen. Mit diesen sollen die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik großer Staaten auf den Rest der Welt untersucht werden. Dabei könnte es zum Beispiel darum gehen, welche Folgen die Geldpolitik der US-Notenbank für Schwellenländer hat. Strauss-Kahn hat diese Analysen zur Chefsache erklärt. Unklar ist, ob sie jemals publiziert werden.
Vor allem zwischen den wichtigsten Kontrahenten, den USA und China, hat es auf der Jahrestagung keine Annäherung gegeben. Die USA werfen China vor, den Kurs des Yuan künstlich niedrig zu halten und so seine Exportindustrie zu "subventionieren", sich also einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. China kontert, es sei das billige Geld der Industrieländer, das zu Turbulenzen auf den Devisenmärkten führe.
China lehnt eine "Schocktherapie" ab und beharrt darauf, den Yuan graduell aufwerten zu lassen. Seit Mitte Juni 2010 hat der Yuan um mehr als 2% gegenüber dem US-Dollar zugelegt. Es ist allerdings eine putzige Vorstellung, dass die jahrelang aufgebauten Ungleichgewichte durch eine rasche Veränderung in den Währungsverhältnissen aufgehoben werden könnten.
Auch Japan, die Schweiz und Brasilien hatten zuletzt Maßnahmen zur Schwächung der eigenen Währung ergriffen. Man darf aber nicht nur auf mögliche Verkäufe von Währungen starren, auch die Niedrigzinspolitik des Westens ist als Versuch zu interpretieren, die eigene Währung abzuschwächen.
Uneinig sind sich die Notenbanker und Währungsexperten über die Ursachen der erhöhten Ausschläge in den Währungsrelationen. Nach Schätzungen sind die Devisenreserven der Länder in Asien seit April 2009 um 926 Mrd. $ gestiegen und entsprechen rund 13% des Bruttoinlandprodukts (BIP) der Region. Alle wichtigen Währungen in Asien, mit Ausnahme des an den Dollar gekoppelten Hongkong-Dollars, sind gestiegen – obgleich die Regierungen versuchten, sich gegen die Aufwärtsbewegung zu stemmen.
China verfügte mit 2,45 Bio. $ im Juni 2010 über die höchsten Devisenreserven der Welt. Japan lag mit 1,05 Bio. $ auf Platz zwei. Die japanische Zentralbank intervenierte im vergangenen Monat erstmals seit sechs Jahren am Devisenmarkt und verkaufte über zwei Bio. Yen, um die Exporte zu stützen. Nicht der Kurs des Yen wurde gedrückt: Die Bank of Japan hat angekündigt, einen Fonds im Volumen von fünf Bio. Yen aufzulegen, um Staatsanleihen sowie andere Vermögenswerte zu erwerben. Weil der Zinssatz der Notenbank schon seit zwei Jahren knapp an der Nulllinie liegt, können mit diesem Instrument keine Investitionen ausgelöst werden, daher die Ausweitung der Geldmenge (quantitative easing).
In den USA führte die Federal Reserve Bank während der Finanzkrise ein Programm zur Lockerung der Geldpolitik ein, das im März auslief. Bis dahin kaufte die Fed bei einem Zinssatz an der Nulllinie Hypotheken- und Staatsanleihen im Volumen von 1,7 Bio. $ an. Ben Bernanke, der Vorsitzende der Fed, und seine Kollegen haben signalisiert, dass sie bei ihrer nächsten zinspolitischen Sitzung im November möglicherweise ankündigen werden, den Zinssatz tief zu lassen und wieder verstärkt Treasuries aufzukaufen. Ziel sei es, das Wachstum anzukurbeln und die Arbeitslosenquote, die sich nahe bei 10% hält, zu reduzieren.
Bei der quantitativen Lockerung handelt es sich um eine moderne Form des Gelddruckens; und offenkundig zeigt schon die bloße Ankündigung Wirkung. Ende August hatte Bernanke bei dem jährlichen Treffen der Finanzwelt laut über Möglichkeit und Gründe einer neuen Runde des "quantitative easing" nachgedacht. Die Wirkung: Der US-Dollar hat seither rund 7% seines Wertes eingebüßt. Gleichzeitig ist der Goldpreis, ausgedrückt in Dollar, auf neue Rekordhöhen gestiegen. Die für eine Ankurbelung der US-Konjunktur erhoffte Reduktion des Außenwerts des Dollars ist also ohne tatsächliche Aktionen weiter fortgeschritten.
Aber die Tieferbewertung des Dollars und die fortschreitende Höherbewertung von Gold, Silber und anderen Edelmetallen sind nicht die einzigen Auswirkungen der von der US-Notenbank verfolgten Politik der quantitativen Lockerung. Ein weiteres Resultat ist, dass die Fed dieser Tage durch die im Rahmen der quantitativen Lockerung bereits erfolgten Käufe von Treasuries zum zweitgrößten Besitzer dieser Staatspapiere geworden ist (rund 820 Mrd. $) – nach China, aber nun erstmals vor Japan. Dies zeigt eindrücklich das Ausmaß der Finanzierung des Defizits des US-Haushaltes durch die Notenbank.
Ende März 2010 erwarb die Federal Reserve letztmals hypothekenunterlegte Anleihen (Mortgage-backed-Securities) von staatsnahen US-Unternehmen (Agencies) im Rahmen ihres umfangreichen Ankaufprogramms, das damit beendet wurde. Das Ende der Ankäufe bedeutet jedoch nicht, dass die Anleiherenditen nun nicht mehr durch die Bestände dieser Papiere gedämpft werden. Insgesamt befinden sich über 40% aller US-Schatzanleihen und Agency-Schuldtitel in öffentlicher Hand, sei es in den USA oder in anderen Ländern. Seit Mitte 2008 dürfte mehr als die Hälfte des Nettoabsatzes in staatlichen Portfolios gelandet sein.
Die Beweggründe, aus denen die Bestände dieser Papiere in Portfolios der öffentlichen Hand aufgestockt wurden, sind freilich unterschiedlich. Die Fed kaufte zusammen mit dem US-Finanzministerium Anleihen an, um die Hypothekenzinsen und andere langfristige Zinsen für private Kreditnehmer zu senken. Diese politische Motivation dürfte jedoch nach und nach in den Hintergrund treten. Ausländische staatliche Halter haben andere Beweggründe für den Erwerb von öffentlichen US-Schuldtiteln und verhalten sich im Verlauf des Zinszyklus in der Regel anders. Sie bauen ihre Bestände an diesen Papieren aus unterschiedlichsten Gründen auf und ab, z.B. im Rahmen von Bemühungen zur Abwendung von Währungsaufwertungen oder -abwertungen und als Absicherung gegen eine plötzliche Devisennachfrage.
Während viele Zentralbanken ihre Devisenreserven im Verlauf der Krise einsetzten, um ihre Landeswährung zu stützen und den privaten Sektor mit Dollarliquidität zu versorgen, wuchsen gemäß Meldungen die Bestände öffentlicher US-Schuldtitel in ausländischen staatlichen Portfolios.
Vor Beginn der Krise befand sich rund ein Drittel der gesamten öffentlichen Schuldtitel der USA, hauptsächlich US-Schatzanleihen, in den Portfolios ausländischer staatlicher Stellen und der Fed. Seither sind diese Bestände auf über 40% angestiegen. Augenfällig sind dabei vor allem die größeren Bestände, die vom öffentlichen Sektor der USA selbst gehalten werden. Sie erhöhten sich um sieben Prozentpunkte auf rund 20%. Dieser Anstieg entfiel überwiegend auf den Ankauf von Agency-Schuldtiteln (vorwiegend Mortgage-backed-Securities) im Wert von mehr als 1,4 Bio. $ durch die Fed. Der Anteil ausländischer staatlicher Stellen verharrte relativ stabil im niedrigen 20%-Bereich.
Dieser unaufhaltsame, von der Notenbank finanzierte Anstieg der US-Staatsverschuldung wird von vielen Marktteilnehmern mit wachsender Nervosität beobachtet. Das US-Schatzamt hat ausgerechnet, dass in den nächsten fünf Jahren an 73 Tagen jeweils Anleihen im Wert von mindestens 20 Mrd. $ fällig werden und an weiteren 16 mehr als 30 Mrd. $. Die Skepsis, dass dann eine neue Runde der geldpolitischen Lockerung wenigstens zu der erhofften Erholung der US-Konjunktur beitragen würde, ist groß. Die fortgesetzte quantitative Lockerung führt zu einer wachsenden Gefahr der Fehlsteuerung von Investitionen und zur Verschärfung der ökonomischen Ungleichgewichte – der Wurzeln der heutigen Probleme.
Die Warnungen nehmen zu, dass eine fortgesetzte Lockerung der Geldpolitik durch die Notenbanken der USA, Japans, Großbritanniens und letztlich der Euro-Zone nicht nur zu einem weiteren massiven Anstieg des Goldpreises führen werde, sondern auch die Grundlagen des bisherigen Währungssystems unterminieren könnte. Die Vertagung einer dauerhaften Lösung der Weltwährungsprobleme auf das nächste Treffen der G 20 Staaten im Frühjahr ist kein gutes Signal.
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