Axel Troost zur Finanzaufsicht: Mit dem Erreichten können wir noch nicht zufrieden sein
Rede vom 27.10.2011
Es ist unbestritten, dass wir eine bessere Aufsicht gerade für grenzüberschreitend tätige Finanzinstitute brauchen. Somit ist die Einrichtung des neuen europäischen Finanzaufsichtssystems ein Fortschritt. Mit dem vorliegenden Gesetz werden die europäischen Aufsichtsbehörden besser mit den Aufsichtssystemen der EU-Mitgliedstaaten verdrahtet. Es ist dabei ein europäisches Umsetzungsgesetz ohne großen Spielraum für die nationalen Parlamente. Insofern wäre es falsch, jetzt einen großen Streit an der Umsetzung einer Richtlinie zu entzünden; der Beschluss hierfür ist in Brüssel gefallen.
Dem vorliegenden Gesetz stimmen wir zu. Mit dem bisher Erreichten sind wir aber nicht zufrieden. Die Aufsicht muss noch beträchtlich gestärkt werden, damit das Finanzsystem wieder integer wird und Krisen möglichst unterbunden werden. Es gibt weiterhin viel zu wenig direkte Eingriffsmöglichkeiten, um gegen Spekulation und Blasenbildung auf den Finanzmärkten vorgehen zu können. Zusätzlich zur europäischen Aufsicht muss auch die nationale Aufsicht gestärkt werden. Für das Schattenfinanzsystem darf es keine Schattenfinanzaufsicht geben, es muss aufgelöst werden.
Die neu geschaffenen europäischen Behörden sind unzureichend mit Rechten und Ressourcen ausgestattet. Der Finanzaufsicht fehlen auch Spezialabteilungen oder -behörden. Die USA hat etwa eine eigene Aufsichtsbehörde für Warentermingeschäfte: die CFTC mit knapp siebenhundert Vollzeitmitarbeitern, also dem zehnfachen der ESMA.
Die personelle Ausstattung der Behörden ist auch deswegen unzureichend, weil den Aufsichtsbehörden besondere Kompetenzen zugebilligt werden, um an Verordnungen oder anderen Rechtsakten mitzuwirken und Entwürfe zu erstellen. Das Gesetz berücksichtigt nicht das damit zusammenhängende Problem der unzureichenden Mitwirkung des Bundestags an europäischen Rechtsakten. Es droht ein Durchregieren von europäischen Gremien und Behörden. Für transnationale Banken ist eine europäische Aufsicht mit starken Durchgriffsrechten wünschenswert. Für regionale agierende Banken – ich denke hier vor allem an unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken – sehe ich nicht gewährleistet, dass die EBA willens und fähig ist, nationale Eigenheiten immer mitzudenken.
Neben den Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und Finanzmärkte ist auch die Aufgabe des European Systemic Risk Boards (ESRB) wichtig, nämlich die Überwachung des Finanzsystems aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive. Die Arbeitsweise des ESRB ist jedoch intransparent und es ist wenig darüber bekannt, wie es die Vorgänge auf den Finanz- und Kapitalmärkten einschätzt. Eine Beurteilung der Arbeit dieses Ausschusses ist kaum möglich.
Das vorliegende Gesetz wurde zuletzt noch geändert, um die neu zu besetzende Bafin-Spitze besser bezahlen zu können, als es der Beamtentarif erlaubt. Wer aber nun behauptet, dass sich nun Aufsicht und Beaufsichtigte auf Augenhöhe begegnen, irrt sich. Die Phantasie-Gehälter in der Finanzbranche müssen endlich auf ein akzeptables Niveau zurückgebracht werden. Dann muss auch eine Bafin-Präsidentin nicht mehr verdienen als eine Bundeskanzlerin.
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