Triumph für Robin Hood - Transaktionssteuer: Vorerst zehn EU-Staaten wollen eine solche Abgabe ab 2014 einführen. Streit gibt es allerdings über die Verwendung des Geldes, denn alle schreien "hier"
Von Michael Krätke
Grünes Licht von der EU-Kommission: Die Finanztransaktionssteuer wird es geben. Durch eine „verstärkte Zusammenarbeit“ wollen zunächst zehn Länder, allen voran Deutschland und Frankreich, eine solche Abgabe einführen. Den Formalitäten ist Genüge getan, die Initiative rechtens. Die Kommission wird ihren ursprünglichen Vorschlag für eine solche Steuer überarbeiten und schon bald dem EU-Ministerrat und Parlament vorlegen. Wenn alles nach Plan geht, werden wir ab Anfang 2014 die lange umkämpfte Steuer haben – in zehn Ländern der Eurozone zugleich.
Das ist vor allem ein Erfolg für François Hollande, dessen Alleingang sich ausgezahlt hat. Im August preschte seine Regierung vor und führte ihre Transaktionssteuer ein. Sie konnte kaum hinter dem zurückbleiben, was noch unter Nicolas Sarkozy beschlossen wurde. Die Regierung Merkel musste mitziehen, stand sie doch gegenüber den Grünen und der SPD im Wort, die den Fiskalpakt wie den Rettungsfonds ESM nur im Tausch gegen die bewusste Abgabe schlucken wollten.
Weltweit ist die Gebühr für Finanzmarkttransaktionen auch als Robin-Hood-Steuer verschrien. Attac wie auch die europaweite Kampagne Steuer gegen Armut streiten seit Jahren dafür. Offenbar mit Erfolg. EU-Kommissionspräsident Barroso und EU-Steuerkommissar Semeta argumentieren heute kaum anders als Attac: Die Steuer sei gerecht, weil sie den Finanzsektor an den immensen Kosten der Finanzkrise beteilige – sie sei nützlich, weil sie die betreffenden Märkte stabilisiere und eine hektische Überspekulation vermindere.
Dissidenten überall
Haben die Robin Hoods Grund zum Feiern? Oder freuen sie sich (noch) zu früh? Vorerst kann man bestenfalls von einem Etappensieg sprechen, nicht mehr. Die Steuersätze sind einfach zu gering, liegen sie doch bei 0,1 Prozent auf Aktien- wie Anleihegeschäfte und bei 0,01 Prozent beim Derivate-Handel. Außerdem sind nur zehn von 27 EU-Ländern dem Projekt gewogen. Dissidenten außerhalb der Eurozone wie Großbritannien und Schweden verweigern sich – die Euroländer Finnland, Niederlande, Luxemburg und Irland winken ebenfalls ab. Folglich wird die Steuer weniger einbringen als die 60 Milliarden Euro pro Jahr, von denen die EU-Kommission ursprünglich ausging. Erfasst wird nur ein Teil der Finanztransaktionen in der EU, zumal der europäische Derivate-Handel, der sich größtenteils in London abspielt, ausgeklammert bleibt.
Aber die Kommission hat aus Erfahrungen mit partiellen Transaktionssteuern gelernt, wie es sie in vielen EU-Ländern gab. Den Fehler der schwedischen Regierung, die ihre Abgabe an den Finanzplatz band, will sie nicht wiederholen. Wer seine Geschäfte verlagert, soll gleichfalls zahlen.
Wohin mit dem Geld?
Nach den Vorgaben der EU-Kommission wird die Steuer auf alle Finanzmarktgeschäfte erhoben, an denen ein Unternehmen mit Hauptsitz in einem der Staaten beteiligt ist, in denen sie gilt. Deshalb – nicht wegen der vorgesehenen Steuersätze – fahren die Lobbyisten der Association for Financial Markets (AFME) schweres Geschütz auf und warnen vor Wachstums- und Beschäftigungsverlusten. Deshalb grollen die Regierungen in London, Den Haag und Luxemburg. Denn die Steuer soll unabhängig davon erhoben werden, ob die Transaktion in London oder Amsterdam stattfindet. Sobald ein britischer oder niederländischer Investor mit einem Unternehmen aus der Vorreitergruppe der zehn Staaten ein Finanzgeschäft tätigt, ist das steuerpflichtig.
Das freilich sorgt für den ersten Stolperstein. Der EU-Ministerrat muss mit qualifizierter Mehrheit zustimmen. Großbritannien, Schweden und die Niederlande werden dagegen halten und versuchen, den Plan der Kommission so zu ändern, dass die Steuer umgangen werden kann. Der zweite Stolperstein liegt im Feld der zehn Vorreiterstaaten selbst, die sich darüber streiten, wie die Einnahmen aus der neuen Steuer verwendet werden.
Die Kommission möchte die Milliarden am liebsten in den EU-Haushalt fließen sehen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält dagegen: Das Geld stehe den nationalen Haushalten zu. Kanzlerin Merkel schwebt ein EU-Solidarfonds als Auffangbecken vor, der sich um die Bankenrettung verdient macht. Der ESM schreit ebenfalls „hier“. Diesen Krach werden die Gegner der Steuer nutzen, um das ganze Projekt zu torpedieren. Robin Hood, sei auf der Hut.
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