Bankenunion bleibt das Ziel - Zu Lust und Risiken des Kapitalverkehrs
Von Lucas Zeise
Dem Namen nach wurde am Mittwoch in Brüssel ein Kompromiß über die Bankenaufsicht geschlossen. So erzählte es Kanzlerin Merkel am Donnerstag mit den üblichen bescheidenen Eigenlobfloskeln im Bundestag. Und so berichteten Fernsehen, Rundfunk und Presse. Man habe einen fairen Ausgleich erzielt, hieß es. Die deutsche Position sei aber im wesentlichen bestätigt worden. Danach würden nicht alle Banken der Euro-Zone sofort von der Europäischen Zentralbank kontrolliert, sondern nur die größten etwa 150. Auch werde das oberste EZB-Gremium, der Zentralbankrat, nicht das letzte Wort über Schließung, Fortführung und staatliche Stützung einer Bank haben. Es werde dafür ein weiteres Gremium aus Delegierten der Finanzministerien der Länder eingesetzt, das Einvernehmen zwischen der Regierung des Landes, in dessen Sprengel die betreffende Bank angesiedelt ist, und der neuen EZB-Bankenaufsicht herstellen solle.
Das klingt kompliziert, keineswegs nach wirklicher Einigung und noch weniger nach effektiver Aufsicht. Man kann also annehmen, daß dieser Beschluß der Euro-Finanzminister nicht so schnell Realität wird. So wie es auf dem Papier steht, kann es nicht funktionieren. Das ist ein kleiner Lichtblick. Denn das, was die Euro-Regierenden eigentlich vorhaben, die europäische Bankenunion, wird damit verzögert.
Gemäß dem Gipfelbeschluß vom Juni dieses Jahres hätte die Bankenunion schon Anfang 2013 stehen sollen. Sie war im Frühsommer ziemlich dringend. Es ging damals um einige Kreditinstitute Spaniens, die direkt vor der Pleite gerettet werden sollten, wofür aber dem Staat die Mittel fehlten. So klug sind sogar die Regierungschefs der Euro-Länder, daß sie wußten, dies ist kein Einzelfall. Vielmehr erkannten sie, daß sie ein Verfahren brauchten, mit dem öffentliches Geld zur Stützung der vielen maroden Banken des Euro-Gebiets lockergemacht werden konnte. Der entsprechende Fonds war mit dem ESM bereits geschaffen, aus dem schließlich auch ziemlich formlos die 30 Milliarden Euro zur Stützung der spanischen Banken abgezweigt wurden. Aber die Entscheidung, ob eine Bank gerettet werden sollte oder nicht, konnte man schlecht der jeweiligen nationalen Bankenaufsicht überlassen. Die würde automatisch ja sagen. Also wurde der Plan geboren, eine Bankenaufsicht im gesamten Euro-Raum zu schaffen und mit dieser Aufgabe ausgerechnet die EZB zu betrauen.
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