Zockerei und Sicherheit - An den Börsen kehrte der Optimismus zurück - im Fokus stehen Immobilien, Erneuerbare und Infrastruktur
Von Hermannus Pfeiffer
Im Jahr 2012 war das Auf und Ab bei der Euro-Krise das beherrschende Thema an den Börsen. Anleger mieden Südeuropa und fanden stattdessen Deutschland und die Schweiz toll.
Das zurückliegende Börsenjahr war ein Jahr der Politik: In vier der fünf größten Volkswirtschaften wurden neue Regierungen gewählt, Chinas Wirtschaftspolitik vermied eine harte Krisen-Landung, Obamas Wahlgeschenke bescherten den USA wieder Wachstum. Das zentrale Thema war jedoch erneut die Staatsschuldenkrise in Europa. Ein Dutzend EU-Gipfel hielten die Finanzmärkte rund um den Globus in Atem. Im Juli 2012 läutete die Europäische Zentralbank (EZB) die Trendwende an den Finanzmärkten ein: EZB-Präsident Mario Draghi versprach, »alles Notwendige zu tun, um den Euro zu erhalten«. Im September wurde es dann konkret mit der Ankündigung, dass die Zentralbank notfalls unbegrenzt Anleihen kriselnder Eurostaaten kaufen werde. Die EZB folgte damit dem Beispiel der US-amerikanischen Fed und der Bank of England. Letztere hält inzwischen etwa 80 Prozent der britischen Staatsschulden, was für niedrige Zinsen sorgt und den Haushalt entlastet.
Politische Börsen, so sagt man jedoch, haben kurze Beine. Tatsächlich war das Jahr 2012 auf diese Weise »ein mit Rekordmarken bei Finanzmarktpreisen üppig ausgestattetes Jahr - positiv wie negativ«, hält die Nord/LB in einer Analyse fest. In Zeiten, in denen Staatsanleihen nicht mehr wirklich als sicher gelten, konnten etwa die deutsche Bundesregierung und der Schweizer Bundesrat neue Schulden zu »Negativzinsen« machen: Statt Zinsen an die Gläubiger zu zahlen, erhalten die Schuldner quasi Zinsen von den Gläubigern. Anleger pumpten den beiden Ländern trotzdem Abermilliarden Euro und Franken, weil die beiden Länder als sichere Häfen in einer turbulenten Geldwelt gelten.
Für die historisch niedrigen Zinssätze sorgen eben die Zen-tralbanken. In Frankfurt am Main und London, Tokio und Washington setzte man die Politik des billigen Geldes fort, die mit dem Beginn der Großen Krise im Sommer 2007 eingesetzt hatte. Von der Geldschwemme und den niedrigen Zinsen profitierten im zu Ende gehenden Jahr vor allem vermögende Anleger, Investoren und Aktienkurse: Der Deutsche Aktienindex (DAX) legte um beinahe 30 Prozent zu und stieg auf ein Fünfjahreshoch.
Doch dies ist nur eine Momentaufnahme. Deutschland hat zwar lange dank seiner Exportlastigkeit Standfestigkeit bewiesen, blieb aber auch nicht ohne Blessuren angesichts der europäischen Staatsschuldenkrise und der hartnäckigen Rezession in der Eurozone. So zogen Anleger 25 Milliarden Euro aus europäischen Aktienfonds - der größten Anlageklasse der hiesigen Investmentfondsbranche - ab und fahren zweigleisig: Einerseits wird wieder mehr gezockt, anderseits verstärkt nachhaltige Anlagemöglichkeiten gesucht. Es ist paradox: Die im Sommer 2007 geplatzte Immobilienblase in den USA ist der Grund dafür, dass Anleger heute zunehmend Zuflucht in Immobilien suchen. Die »Subprime-Krise« auf dem amerikanischen Hausmarkt löste die erste Weltwirtschaftskrise seit den 1930er Jahren aus. »Anleger investieren in unsicheren Zeiten in Beton-Gold«, erklärt ein Sprecher des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) das merkwürdige Phänomen. Bevorzugtes Zielland ist mittlerweile häufig Deutschland. Von einem nie gekannten Boom berichten Experten unter ausländischen Anlegern. Aber vermeintlich sicheres »Beton-Gold« bringt lediglich eine vergleichsweise niedrige Nettorendite von etwa drei Prozent.
Höhere Gewinne versprechen im kommenden Jahr eher der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier hat der Vermögensverwalter Meag des weltgrößten Rückversicherers Munich Re Investitionen von bis zu 4 Milliarden Euro vorgesehen - unter anderem für Windparks in Großbritannien, Photovoltaik in Deutschland und den Stromnetzbetreiber Amprion. Diese Investitionen ermöglichen »stabile Einnahmen über einen planbaren Zeitraum«, begründet Meag-Geschäftsführer Holger Kerzel. Bei den jüngsten Streitigkeiten um deutsche Offshore-Windparks ging es vor allem um die Höhe der Profitrate. Mit den letzten politischen Zugeständnissen sichert der Staat den Offshore-Akteuren laut Bundesnetzagentur nun eine Rendite von 9,05 Prozent zu, nach anfänglich »nur« etwa 7 Prozent. Auch 2013 wird also für die Finanzmarktakteure ein Jahr der Politik.
Eine attraktive Rendite, stabile Erträge und Schutz vor hoher Inflation versprechen sich Investoren auch auf einem dritten Feld: »Der weltweite Bedarf an Infrastrukturinvestitionen ist enorm«, meint Olga Antonova von der Berenberg Bank. Und kostet Geld, das den hoch verschuldeten Staaten fehlt. Der Industrieländerclub OECD veranschlagt den weltweiten Bedarf an Straßen, Schienen, Häfen, Telekommunikation, Elektrizität und Wasser bis 2030 auf mehr als 50 Billionen(!) US-Dollar. Privat finanzierte und betriebene Infrastruktur ist daher weltweit auf dem Vormarsch - und damit die umstrittenen öffentlich-privaten Partnerschaften. »Das Potenzial ist riesig«, meint Bankerin Antonova. So viel Optimismus hatte es zuletzt vor dem Ausbruch der Krise vor fünf Jahren gegeben.
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