1. Mai 2013 – Rede bei der DGB-Kundgebung in Borna
Unser Tag: Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa, von Axel Troost
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger aus Borna und Umgebung!
Gute Arbeit, sichere Rente, soziales Europa: Das diesjährige Motto des 1. Mai ist erstmal eine schöne Vision. Sie verbindet die Generationen und sie verbindet die Menschen in Europa, denkt sie zusammen. Das Motto ist aber vor allem aber ein politischer Forderungskatalog.
Wir alle wissen: Gute Arbeit haben heute immer weniger Menschen und die gesetzliche Rente sichert schon lange für viele nicht mehr ein Altern in Würde.
Noch schlimmer steht es um das soziale Europa.
Aber was bedeutet eigentlich "gute Arbeit"?
- Gute Arbeit braucht gute Entlohnung. Löhne, von denen man anständig leben kann, ein Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro und die flächendeckende und zuverlässige Durchsetzung von Tarifverträgen.
- Gute Arbeit muss ansprechende Arbeit sein: eine Arbeit, die sinnvoll ist und eine Bedeutung hat. Je mehr die eigene Arbeit nicht nur für mich selbst, sondern auch für die Gesellschaft sinnvoll ist und Bedeutung hat, desto mehr ist sie gute Arbeit. Und jetzt blicke ich mal auf meine "Branche": Gute Arbeit für uns Politikerinnen und Politiker bedeutet demnach zum Beispiel öffentliche Investitionen und einen Ausbau der sozialen Angebote, der Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Altenheime.
- Gute Arbeit braucht und Gute Arbeit produziert - ein gesundes Betriebsklima. Wer unter enormem Zeitdruck arbeiten lässt, wer die Leute für die gleiche Arbeit viel geringer bezahlt, erzeugt aber kein gutes Betriebsklima. Freude und Anerkennung an der eigenen Arbeit müssen aber alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer teilen dürfen. Oder anders gesagt: Wenn in einem Betrieb die Stammbelegschaft in Tarifverträgen bessere Arbeitsbedingungen durchsetzt, wieso sollen dann neben ihnen die Leiharbeitskräfte zu deutlich schlechteren Bedingungen schuften? Das sind wirklich schlechte Voraussetzungen für Gute Arbeit.
- Gute Arbeit bedeutet letztlich aber auch, dass sich Familie und Beruf miteinander vereinen lassen müssen.
Wieso "sichere Rente"?
- Eine sichere Rente ist eine Rente, die den eigenen Lebensstandard sichert. Das klingt erstmal nicht sonderlich neu. Wer aber heute weiß, dass er oder sie sich im Alter drastisch einschränken muss, dem vergeht die Freude am Lebensabend. Wir fordern daher eine Lebensstandart-sichernde gesetzliche Rente.
- Eine sichere Rente ist eine von der man auch wirklich weiß, wann sie anfängt. Die Rente mit 67 ist nicht nur ein Sündenfall, weil sie die Lebensarbeitszeit einmalig verlängert bzw. – was noch häufiger ist – die Rentenansprüche der früher Verrenteten senkt. Die Rente mit 67 ist auch der Einstieg in die Rente nach Kassenlage bzw. nach politischem Gutdünken. Schon länger wird von Schwarz-Gelb die Rente mit 69 ins Gespräch gebracht. Ich bitte sie! Wenn das so weitergeht, muss der Bundestag noch die Lebenserwartung der Deutschen per Gesetz verlängern, damit überhaupt noch jemand die Rente genießen kann.
- Eine sichere Rente muss eine umlagefinanzierte Rente sein und bleiben, denn sämtliche kapitalgedeckten Rentensysteme sind nur so sicher wie die Finanzmärkte. Und dass die alles andere als sicher sind, hat wohl jeder in den letzten 5 Jahren verstanden.
- Die Idee privater, kapitalgedeckter Renten ist auch unter Schönwetter-Bedingungen am Kapitalmarkt einfach nur unsinnig: den Menschen wird eingeredet, sie sollen doch privat vorsorgen. Sie zahlen also in eine private Rentenversicherung ein und die Versicherung legt dieses Geld dann in Immobilien an. Die Immobilienpreise schlagen Purzelbäume und am Ende werden damit massiv die Mieten für die jetzigen Rentner in die Höhe getrieben. Was für ein Unsinn!
Ist Europa heute nicht "sozial"?:
- Die EU ist mit den Verträgen von Maastricht als Ellbogengesellschaft geplant worden. Die Mitgliedsländer sollen miteinander im Wettbewerb, in Konkurrenz stehen, um möglichst niedrige Steuern, niedrige Lohnstückkosten, niedrige Sozialstandards. Wer ein soziales Europa will, muss einer solchen Konzeption der EU den Kampf ansagen!
- Ein Europa der konkurrierenden Staaten kann kein soziales Europa werden, also müssen wir auch an die vertraglichen Grundlagen Europas ran. Dazu können wir aber viel in Deutschland selbst tun, denn wir müssen auch hierzulande viele Menschen überhaupt erst wieder von der europäischen Idee überzeugen.
- Dazu gehört auch, zu erklären, dass Deutschland nicht der Zahlmeister Europas ist, der nun für den Rest Europas die Zeche zahlen muss. Ganz im Gegenteil: die Euro-Krise ist im wesentlichen von der deutschen Politik verschuldet – und zwar schon vor langer Zeit. Es war die Regierung Kohl, die in der Konstruktion der Währungsunion verhindert hat, dass es zu einer Koordination der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik innerhalb Europas kommt. Ein Währungsunion kann aber nun mal nicht funktionieren, wenn alle unterschiedlich und gegeneinander wirtschaften.
- Und es war Rot-Grün, die mit der Agenda 2010 die Lohnentwicklung in Deutschland deutlich gebremst haben. Diese Lohnbremse hat Deutschland zum Exportweltmeister und weite Teile Europas zu Krisenländern gemacht.
Wir müssen unsere eigene Wirtschaft deshalb dringend in Richtung Binnenmarkt umbauen und unsere Löhne erhöhen, damit wir nicht länger den Rest Europas mit unseren Exporten erdrücken.
- Ein soziales Europa geht nur mit sozialen Mitgliedsstaaten. Und ohne eine soziale Bundesrepublik wird es kein soziales Europa geben. Europa braucht daher dringend Gute Arbeit und sichere Renten in Deutschland und eine grundlegende Umverteilung der Vermögen und Einkommen.
Einige andere wichtige Themen will ich nur kurz streifen:
Steuerflucht
Der Fall Uli Hoeneß hat viele erschreckt und enttäuscht. Sogar die Kanzlerin war traurig. Uli Hoeneß ist aber kein Einzelfall, sondern nur ein besonders prominentes Beispiel für zehntausende anderer Fälle. Seit den 1990er Jahren haben deutsche Bundesregierungen kaum etwas gegen Steuerflucht unternommen.
Im Gegenteil: Ganz egal wer in Berlin "an der Tete" war, ob das CDU und FDP waren oder die Grünen und die SPD. Sie haben alle dafür gesorgt, dass die Wohlverdienenden und Reichen unseren Staat als lästiges Übel empfinden, dem man bloß kein Geld in den Rachen schmeißen darf.
Auf der anderen Seite werden diejenigen, die gerade arbeitslos sind und Sozialleistungen beziehen, als "Sozialschmarotzer" bezeichnet.
Nur dass sie mich verstehen: Wir haben in Deutschland aktuell ein privates Geldvermögen von 10 Billionen Euro. Davon besitzt nur ein Zehntel aller Haushalte ganze 61%, also 6 Billionen Euro. Und die werden dann vor dem deutschen Staat versteckt.
Das ist Mord am Gemeinwesen. Das ist eine mutwillige Zerstörung der Lebensqualität aller Menschen in Deutschland. Und diese dicke Suppe löffeln auch Sie aus, liebe Bornaerinnen und Bornaer! Wenn die Kitas fehlen, wenn der Nahverkehr immer weiter gekürzt wird, wenn die Schulen keine Lehrerinnen und Lehrer einstellen, wenn ihre Straßenlöcher nicht geflickt werden oder sie ganz einfach bis 69 arbeiten sollen.
Wir wollen endlich Taten sehen! Wir wollen, dass diese Betrüger am Gemeinwesen – nichts anderes sind Steuerflüchtlinge – endlich entschlossen verfolgt, verurteilt und je nach schwere der Tat auch ins Gefängnis gesteckt werden.
Rechtsextremismus
Ich brauche bei uns in Sachsen wohl nicht zu betonen, wie wichtig der Kampf gegen rechts ist. Dieser Kampf wird viel zu häufig als politisches Gezänk ausgetragen, wie z.B. derzeit im Streit um ein NPD-Verbotsverfahren zwischen Bundesrat und Bundestag. Man muss Rechtsextremismus aber nicht nur verbal bekämpfen, man muss sich ihm auch in den Weg stellen. Nicht nur unsere Politiker der LINKEN tun das, auch Pfarrer, Lehrer, Jugendliche oder Rentner und die werden dann alle mit Strafanzeigen verfolgt, weil sie verhindern wollen, dass Nazis marschieren.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei den Gewerkschaften bedanken, denn letztlich bedeutet der Einsatz gegen Nazis vor allem, bei all den kleinen und großen Kundgebungen und Aufmärschen der Rechten Flagge zu zeigen und mit Gegenkundgebungen dagegen zu halten.
Als jüngste Beispiele möchte ich hier das Engagement vom DGB und von ver.di beim Elbe-Day am letzten Samstag in Torgau und die Unterstützung beim "Tag der Vielfalt" am 15. und 16. Juni in Geithain anführen. Die Gewerkschaften haben diesen Kampf gegen Rechts - gerade auch in Sachsen – aktiv mitgetragen. Dafür sage ich Danke!!
Umweltzerstörung und Klimawandel
Die Krise hat die Themen Umwelt- und Klimaschutz stark an den Rand gedrängt. Wir erleben, wie die politisch beschlossene Energiewende immer weniger nach ökologischer Notwendigkeit, sondern nach vermeintlicher ökonomischer Bezahlbarkeit angepackt wird.
Lassen Sie sich nichts einreden: Die Energiewende macht Energie langfristig überhaupt erschwinglich, denn die Strompreise der vergangenen Jahre waren nur deswegen so günstig, weil die Kosten des Atommülls und des Klimawandels in ihnen gar nicht enthalten waren.
Wir alle, die wir hier stehen, müssen diese Kosten aber trotzdem bezahlen, aber eben nicht mit der Stromrechnung, sondern die öffentliche Hand bezahlt sie mit unserer Mehrwert- und Einkommensteuer.
Wenn unsere Welt eine lebenswerte Zukunft haben soll, dann müssen wir auf unseren Planeten Erde sehr viel besser aufpassen. Grenzenloses Wachstum und der Verzicht auf einen wirklichen ökologischen Umbau führen zu weiterer Umweltzerstörung und verschärften Klimakatastrophen.
In einer kaputten Umwelt kann ich mir aber kaum gute Arbeit, sichere Renten und ein soziales Europa vorstellen.
Das aber wollen wir! Darum sind wir hier! Und dafür sind wir bereit, uns aktiv einzusetzen!
Und jetzt mache ich hier einen Punkt, bevor ich mich noch in Rage rede. Ich bedanke mich bei Ihnen, dass mir so tapfer zugehört haben. Und wenn Sie doch noch Lust auf mehr haben, ich sitze dann da drüben und bin noch bis zum Ende da.
Jetzt haben Sie aber erstmal noch viel Spaß mit dem weiteren Programm.
Vielen Dank!