EU-Neumitglied Kroatien: Wenig Grund zu Optimismus
DGB klartext 26/2013
Kroatien hat es geschafft: Seit dem 1. Juli 2013 ist es der 28. Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Für beide Seiten stellt sich die Frage: Ist das Anlass zur Freude oder mehr zur Sorge? Angesichts der Rezession, wachsender Arbeitslosigkeit sowie steigender Armutsrisiken ist die Frage mehr als berechtigt, ob die Erwartungen vieler Kroaten erfüllt werden oder das erhoffte Wachstum durch ausländische Investitionen und das damit einhergehende Beschäftigungswunder eintritt.
Ein Blick auf die wirtschaftliche Lage Kroatiens lässt nichts Gutes erahnen: Das Land befindet sich seit fünf Jahren in einer chronischen Rezession, die Arbeitslosenrate liegt bei 18,1%, unter Jugendlichen sogar bei 51,8%! Erinnerungen an Griechenland und Spanien werden wach. Zu hohe Arbeitslosigkeit bedeutet geringeres Einkommen und schwache Kaufkraft, was sich in einer schwachen Binnennachfrage niederschlägt. Außerdem leidet Kroatien mit 58,5% Exportanteil in die EU sehr stark unter den Folgen der Rezession in Europa. Das Ergebnis: Die zur Vorbereitung des Beitritts formulierten Erwartungen in den Bereichen Wirtschaftswachstum und Inflation konnten nicht erreicht werden. Dennoch wurde das Land in die EU aufgenommen.
Durch den Beitritt erhofft sich die kroatische Regierung mehr EU-Geldmittel zur Finanzierung der wirtschaftlichen Entwicklung. Hier zeigt sich erneut das strukturelle Problem der EU. Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks sind tendenziell mehr strukturell und ökonomisch schwache als wirtschaftlich starke Neumitglieder dazu gekommen. Das verschärft die Konkurrenz unter den hilfebedürftigen Ländern um die knappen Mittel. Trotz des gestiegen Finanzbedarfs streben einige EU-Länder sogar die Kürzung des EU-Haushalts an. Also ist gegenwärtig nicht mit mehr Geld zu rechnen.
Auch die Hoffnung, durch den ungehinderten Zugang zum europäischen Binnenmarkt attraktiver für ausländische Investoren zu werden, kann mindestens aus zwei Gründen scheitern: Zum einen ist der kroatische Binnenmarkt zu klein und wegen seiner chronischen Nachfrageschwäche nicht attraktiv für ausländische Investoren. Viele haben sich inzwischen aus Kroatien zurückgezogen. 2012 machten sie nur noch 2,2% des schrumpfenden BIP aus. Zum anderen käme das Land als Produktionsstandort für den europäischen Markt erst dann in Frage, wenn der konjunkturelle Tiefpunkt in der EU überwunden ist und ihre Wirtschaft einen stabilen Wachstumspfad eingeschlagen hat. Doch davon sind wir weit entfernt. Mehr Wohlstand und mehr Jobs durch die EU-Mitgliedschaft kann sich Kroatien erst dann erhoffen, wenn die EU zum einen ihre eigene Krise überwunden und zum Wachstumsmotor für die kleinen Volkswirtschaften wie Kroatien geworden ist. Zum anderen braucht die EU ein langfristig angelegtes Investitions- und Aufbauprogramm, um Länder wie Kroatien in ihrem Bemühen um Entwicklung und Modernisierung zu unterstützen. Sonst wird vom anfänglichen Optimismus nicht viel übrig bleiben!