Weltmeister im Ignorieren - Handelsbilanzüberschüsse der Bundesrepublik sorgen weltweit für Kritik
Von Thomas Trares
Deutschland produziert enorme Exportüberschüsse. Dass andere Länder unter dieser Politik leiden, wird in Berlin weiter ignoriert. Containerverladung in Bremerhaven
Kritik an der Handelspolitik der Bundesrepublik kommt derzeit von allen Seiten. Am Sonntag forderte der Vize-Chef des Internationalen Währungsfonds nach Informationen des »Spiegel« eine konkrete Obergrenze für die Überschüsse der Bundesrepublik. Erst Ende vergangener Woche hatte das US-Finanzministerium in seinem halbjährlichen Bericht an den Kongress erklärt, dass die starke deutsche Exportorientierung eine weitere Entspannung der Euroschuldenkrise behindere und in Europa wie auch der Welt deflationäre Tendenzen auslöse. Um die Anpassungsprozesse zu unterstützen, sollten Überschussländer wie Deutschland ihre Binnennachfrage stärken und Handelsbilanzüberschüsse zurückfahren.
Bei der Bundesregierung stieß die Kritik wieder einmal auf Unverständnis. Vorschläge, Deutschland solle beim Export auf die Bremse treten, könne er in »gar keiner Weise nachvollziehen«, sagte CDU-Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter. Und das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die Handelsüberschüsse Deutschlands seien Ausdruck der starken Wettbewerbsfähigkeit. Ähnlich fielen auch die Reaktionen der Wirtschaft aus. Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbands BGA, sagte, die anderen Länder müssten »halt ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen«.
Die Äußerungen zeigen, dass die Kritik hierzulande immer noch nicht auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Die Argumentation auf deutscher Seite ist gleich in dreierlei Hinsicht fehlerhaft: Erstens hat niemand von Deutschland verlangt, die Exporte zu drosseln, zweitens ist die Vorstellung »Je höher der Exportüberschuss, desto besser« ein Irrglaube und drittens wird dem makroökonomischen Problem »Ungleichgewichte im Außenhandel« einfach eine rein betriebswirtschaftliche Logik übergestülpt.
Kern der Kritik aus den USA ist nämlich nicht, dass die deutschen Unternehmen zu wettbewerbsfähig seien, sondern dass Deutschland seine Exportstärke nicht dazu nutzt, seine Binnenwirtschaft anzukurbeln. Stiegen in Deutschland Konsum und Investitionen, profitierten davon auch die Eurokrisenländer. Sie könnten mehr nach Deutschland exportieren und so ihre Defizite verringern.
Ein weiterer Fehler ist, die Denkmuster aus der Betriebswirtschaftslehre einfach auf die Volkswirtschaft zu übertragen. Ein Exportüberschuss ist nicht das Gleiche wie ein Betriebsgewinn, und ein Außenhandelsdefizit nicht mit einem Unternehmensverlust vergleichbar. Anders als bei einer Firma sagt die Tatsache, ob ein Land Überschüsse oder Defizite erwirtschaftet, wenig über dessen Wohlstand aus. Die USA etwa weisen seit Jahren hohe Fehlbeträge im Außenhandel auf, haben aber ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als Deutschland. Umgekehrt ist Exportweltmeister Deutschland weit davon entfernt, auch bei den Pro-Kopf-Einkommen Weltmeister zu sein.
Zudem fehlt der deutschen Argumentation jede wissenschaftliche Grundlage. Das Ziel, den Exportüberschuss zu maximieren, ist seit gut 200 Jahren aus der Mode. Im Merkantilismus, wie die Wirtschaftspolitik im Zeitalter des Absolutismus genannt wird, hatte man eine »aktive Handelsbilanz« als Ziel ausgegeben. Die Welt begriff man als statisch, Wirtschaftswachstum gab es kaum. Ein Land konnte also nur wachsen, wenn es dem anderen etwas wegnahm. Heute ist man sich in der Volkswirtschaftslehre jedoch einig, dass im Außenhandel ein »außenwirtschaftliches Gleichgewicht« anzustreben ist. Dieses Ziel ist auch so im deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz aus dem Jahr 1967 niedergeschrieben. Demnach sollten sich Ex- und Importe im Laufe der Jahre die Waage halten. Übermäßige Überschüsse und Defizite werden hingegen als destabilisierend angesehen.
Weshalb man sich in Berlin beharrlich dieser Einsichten verschließt, ist ohne Weiteres nicht zu erklären. Die Stellungnahmen von Regierung und Wirtschaftsvertretern zeigen jedenfalls, dass sie den Kern der Kritik überhaupt nicht verstanden haben, oder was noch wahrscheinlicher ist, gar nicht erst verstehen wollen.
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