Reichtumskonzentration ist globales Sicherheitsrisiko
Die wachsende soziale Ungleichheit untergräbt demokratische Prozesse - in reichen wie in armen Ländern.
Die Kluft zwischen Reichen und Armen nimmt zu. Dieser Satz ist inzwischen leider schon eine Binsenwahrheit. Neue Zahlen der Hilfsorganisation Oxfam zeigen nun, welche groteske Ungleichheit die Verteilung des Weltvermögens angenommen hat. Oxfam bringt das in der Studie anhand einiger Vergleiche auf den Punkt:
- Die 85 reichsten Menschen auf dem Planeten verfügen über genauso viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.
- Fast die Hälfte des weltweiten Reichtums konzentriert sich in den Händen von einem Prozent der Bevölkerung.
- Die Summe des Vermögens dieser Reichen beläuft sich auf 110 Billionen US-Dollar – das ist 65-mal mehr als das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung.
- Sieben von zehn Menschen leben in Ländern, in denen die ökonomische Ungleichheit in den letzten 30 Jahren zugenommen hat.
Oxfam stellte die Zahlen aus Anlass des Weltwirtschaftsforums zusammen, das am Abend in Davos eröffnet wird. Geringe Unterschiede bei Einkommen und Reichtum, so schreibt Oxfam, seien durchaus ein wichtiger Antrieb für Wachstum und Fortschritt. Die Konzentration der ökonomischen Ressourcen in den Händen von einigen Wenigen bedrohe jedoch die Demokratie und das Wirtschaftssystem. Große Ungleichheit steigere soziale Spannungen und erhöhe das Risiko eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs.
Politik im Interesse einer kleinen Elite
"Die Konzentration des Reichtums auf eine so kleine Gruppe stellt ein ernsthaftes globales Sicherheitsrisiko dar“, kommentiert Gregor Gysi, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag die jüngsten Zahlen. Das soziale und wirtschaftliche Ungleichgewicht gefährde nicht nur den inneren Frieden einer Gesellschaft, weil große Teile dauerhaft ausgegrenzt sind, sondern führe regelmäßig zu Verteilungskriegen. "Nur dort, wo alle irgendwie und einigermaßen gerecht am Reichtum beteiligt werden", so Gysi, "wird dieser Reichtum auch im Interesse aller gewahrt und gemehrt werden können. Ansonsten geschieht das auch weiter im Interesse einer kleinen Elite zu Lasten der Mehrheit. Es ist oben genug da, um davon etwas nach unten abzugeben – sogar ohne dass es oben merklich schlechter zuginge."
Politik im Interesse einer kleinen Elite – das hat bei den Menschen Spuren hinterlassen. Nach einer weltweiten Umfrage von Oxfam ist die Mehrheit der Menschen davon überzeugt, dass Gesetze und Regulierungen gegenwärtig auf den Weg gebracht werden, um den Reichen zu nutzen. Mit Blick auf Deutschland bestätigt Gregor Gysi diese Ansicht: "Jede einzelne Bundesregierung der letzten zwei Jahrzehnte hat auch ihren Beitrag zu diesen Zahlen geleistet, sie alle haben mit ihrer Politik die Umverteilung von unten nach oben betrieben."
Krisenpolitik hat Ungleichheit und Armut verschärft
Besonders brisant ist laut Oxfam die Entwicklung in China, Pakistan, Indonesien, Indien oder Nigeria. Aber der Trend zu wachsender Ungleichheit gelte auch für die stärksten Volkswirtschaften der Welt, zu denen Deutschland gehört. Für Heike Hänsel, Entwicklungspolitikerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, beweist die Oxfam-Studie, dass Armut nicht auf der Grundlage des bisherigen Handels- und Wirtschaftssystems bekämpft werden kann. "Im Gegenteil", sagt sie, "die neoliberale Globalisierung produziert mehr Armut und die Krisenpolitik der letzten Jahre hat die weltweite Ungleichheit verschärft. Für eine ernsthafte Armutsbekämpfung bedarf es einer weltweiten Umverteilung von oben nach unten, der Entwicklung solidarischer Wirtschaftsbeziehungen statt weiterer Freihandelsabkommen und der konsequenten Bekämpfung von Nahrungsmittelspekulation."
Dass die wachsende Ungleichheit auch von Wirtschaftseliten zumindest als Bedrohung wahrgenommen wird, zeigt der aktuelle Bericht "Global Risks 2014" des Weltwirtschaftsforums. Dafür wurden rund 700 Experten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft befragt. Die Schere zwischen Reich und Arm wurde dabei als Hauptgefahr eingeschätzt – und zwar im dritten Jahr in Folge.
Fürchten die Manager den Aufstand der Armen? Und ziehen die Eliten aus Wirtschaft und Politik daraus die richtigen Schlüsse und setzen sich für den überfälligen Politikwechsel ein? Den fordert Oxfam vom Weltwirtschaftsforum. Steuervermeidung über Steueroasen und staatliche Sparpolitik, die vor allem die unteren Einkommensschichten treffe, müssten ein Ende haben. Ökonomische Macht dürfte nicht dazu missbraucht werden, politische Gefälligkeiten zu erlangen und den demokratischen Willen zu unterminieren. Politische Forderungen, für die auch DIE LINKE seit Langem kämpft.
»Wer betrügt, fliegt nach Davos«
Sahra Wagenknecht hat ihre Zweifel, ob Davos einen Kurswechsel bringt. Die Eliten aus Wirtschaft und Politik hätten die Krise nicht verstanden, verachteten die Demokratie und lebten in einer Parallelgesellschaft: "Die Bundesregierung hat Milliarden Steuergelder für kriminelle Banken verbrannt, die Wechselkurse und Zinsen manipulieren sowie Steuerflucht unterstützen. Deutschland verliert jährlich mehr als 160 Milliarden Euro – ein halber Staatshaushalt – wegen Steuerhinterziehung und -vermeidung. Es gilt daher: Wer betrügt, fliegt nach Davos."
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