Wir Brauchen Steuererhöhungen für Reiche
Axel Troost im Gespräch mit Tobias Armbrüster
Die Regierungskoalition aus Union und SPD plant für das kommende Jahr einen Haushalt ohne Neuverschuldung. Das Ziel sei aufgrund der Schuldenbremse richtig, der Weg dahin aber sei falsch, kritisiert Axel Troost, der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im DLF. Er bemängelt eine Politik zulasten ärmerer Menschen.
Tobias Armbrüster: Das Jahr 1969, es ist lange her. Es war das Jahr, in dem der erste Mensch den Mond betreten hat. Der deutsche Finanzminister hieß damals Franz-Josef Strauß. Und 1969 war auch das letzte Jahr in der Geschichte der Bundesrepublik, in dem ein deutscher Bundeshaushalt tatsächlich ausgeglichen war, also ohne neue Schulden ausgekommen ist. Jetzt soll sich das wiederholen. Entsprechende Eckpunkte für das kommende Jahr hat heute das Bundeskabinett in Berlin beschlossen und für das laufende Jahr sinkt die Neuverschuldung auf insgesamt sechseinhalb Milliarden Euro.
Mitgehört hat Axel Troost. Er ist der finanzpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, außerdem Parteivize. Schönen guten Tag, Herr Troost.
Axel Troost: Schönen guten Tag.
Armbrüster: Herr Troost, wir haben es gehört: Die Neuverschuldung geht runter auf ein Rekordtief. Wenn wir uns das alles jetzt mal vor Augen halten, das ist doch eigentlich für jeden Finanz- und Haushaltspolitiker ein Grund zum Feiern?
Troost: Na ja, Sie wissen vielleicht, dass wir als Linke im Prinzip die Schuldenbremse bekämpft haben, weil wir schon der Ansicht sind, dass man auch mit Staatsverschuldung, sinnvoll umgegangen, langfristige Investitionen und anderes finanzieren kann. Aber nun ist es so, sie ist beschlossen, und insofern muss man sich damit abfinden. Aber erstens ist ja im Beitrag schon deutlich geworden, dass im Prinzip das nur zustande gekommen ist, indem man rund zehn Milliarden an Ausgaben schlicht und einfach auf die Versicherungen verschoben hat, die eigentlich aus dem Bundeshaushalt hätten bezahlt werden müssen. Und zum anderen ist es und bleibt es so: Die drei Oppositionsparteien aus der letzten Legislatur sind in den Bundestagswahlkampf gegangen und haben darauf hingewiesen, dass wir einen riesigen Investitionsstau haben, dass wir Bedarfe an Ausgaben haben im Bereich Kita, im Bereich BAfög, im Bereich Brückensanierung und vieles war da mehr, Krankenhäuser.
Armbrüster: Und hatten Sie damit nicht recht?
Troost: Und damit haben wir schon recht gehabt. Aber es wird eben nicht oder viel zu wenig in diese Richtung getan. Und wenn man an einer Schuldenbremse festhalten will und sagt, keine Neuverschuldung, dann heißt das, man muss Steuern erhöhen. Das halten wir nach wie vor für notwendig, um wirklich einen soliden Haushalt für die Zukunft vorlegen zu können.
Armbrüster: Na ja. Aber die letzte Bundesregierung hatte ja mal vor, noch deutlich früher mit dem Sparen und mit dem Runterfahren einzusetzen. Das wurde ja jetzt wieder durch einige Projekte von der Großen Koalition zunichtegemacht. Die haben da sozusagen wieder etwas draufgesattelt, 23 Milliarden Euro. Das müsste doch durchaus in Ihrem Sinn sein?
Troost: Erst mal sind das nur Versprechungen, weil die ganzen Basen für diese Schätzungen sagen immer, die Konjunktur darf nicht einbrechen, wir müssen weiter Jahr für Jahr steigende, und zwar deutlich steigende Steuereinnahmen haben. Sobald es zu konjunkturellen Schwächungen kommt, ist die ganze Planung Makulatur.
Armbrüster: Nun gut, aber das sind doch alle Bundeshaushalte. Es wird immer in die Zukunft geplant, da gibt es immer Unsicherheiten.
Troost: Das ist richtig. Aber deswegen muss man aus unserer Sicht, wenn man ein bisschen Mut hat für die Zukunftsgestaltung, an Steuererhöhungen für Besserverdienende auch rangehen und muss versuchen, die Einnahmebasis insgesamt des Bundes zu stärken, um so Zukunftsinvestitionen wirklich auch finanzieren zu können.
Armbrüster: Und Sie sagen auch, man muss eigentlich auch mit ständiger Neuverschuldung leben können?
Troost: Ja, aber das ist ja nicht mehr zulässig. Wir haben eben die Schuldenbremse im Grundgesetz und insofern ist das im Augenblick gültig. Aber wenn es gültig ist und wenn man dann Spielräume für Investitionen und für Zukunftsgestaltung haben will, dann muss man eben auch mit Steuererhöhungen genug Einnahmebasis schaffen.
Armbrüster: Herr Troost, ich will mal einen Punkt herausgreifen, der uns auch hier im Deutschlandfunk in den letzten ein, zwei Tagen beschäftigt hat. Das war der Streit um die Erhöhung des Kindergeldes. Da geht es um zwei Euro im Monat. Carsten Schneider von der SPD, der hat diese Debatte, diesen Streit um diese zwei Euro heute Morgen als "grotesk" bezeichnet. Hat er damit recht?
Troost: Nein. Ich glaube schon, das ist ja jetzt keine Zusatzleistung, sondern das ist etwas, was wieder eingeführt wird, was es früher gab, dass Erziehungszeiten auch bei der Rente mit berücksichtigt werden, und im Rahmen von Rentenkürzungen ist das gestrichen worden. Ich glaube, dass das wirklich eine sinnvolle Maßnahme ist, wobei wir als Linke natürlich kritisieren, dass Ostkinder weniger als Westkinder wert sind. Aber diese Maßnahme ist auf jeden Fall sinnvoll, aber sie muss steuerfinanziert werden.
Armbrüster: Aber heißt nicht dieser Streit um zwei Euro im Monat, dass wir bei aller Debatte um Haushaltsfragen schon auf einem sehr, sehr hohen Niveau angekommen sind, wo wir wirklich um zwei Euro im Monat streiten?
Troost: Ich bin jetzt kein Rentenexperte, ob das mit den zwei Euro wirklich stimmt oder ob das ein Durchschnittswert ist oder wie auch immer. Ich weiß nur, dass in der Tat diese Erziehungsleistung wirklich auch im Rentenrecht anerkannt werden sollte und dass deswegen eine entsprechende Reform auch sinnvoll ist.
Armbrüster: Die Zuschüsse in den Gesundheitsfonds, die will Bundesfinanzminister Schäuble deutlich zurückfahren. Da ist von zwei Milliarden Euro die Rede. Das kann er sich leisten, weil die Krankenkassen ja so hohe Überschüsse haben. Er muss deshalb nicht zuschießen. Ist das nicht eine völlig korrekte Maßnahme? Warum sollte der Haushalt davon nicht profitieren, wenn die Krankenkassen derzeit im Geld schwimmen?
Troost: Ja, weil die Frage ja ist, was kann ich mit dem Geld machen, und da kann ich ja zweierlei machen. Ich könnte die Beitragssätze senken, was korrekt wäre, weil nur so sind sie zustande gekommen, die Überschüsse. Oder aber ich kann Leistungen wieder verbessern. Ich kann sozusagen Einschränkungen, die in den letzten Jahren vorgenommen worden sind, wieder rückgängig machen. Was hier aber stattfindet ist eine Sanierung auf Kosten der Krankenversicherung, und die Frage ist ja, wenn es auch dort durch steigende Arbeitslosigkeit wieder zu Verschlechterungen kommt, ob dann die Zuschüsse wirklich gezahlt werden oder ob dann nicht die Krankenkassenbeiträge wieder angehoben werden.
Armbrüster: Warum geht das denn auf Kosten der Krankenversicherungen? Die haben das Geld doch.
Troost: Die haben das gegenwärtig als Überschuss. Aber das heißt ja nicht, dass das immer so bleibt, sondern diese Mittel könnten jetzt auch zum Beispiel für Beitragssenkungen verwendet werden.
Armbrüster: Das heißt, Sie würden sagen, diese Überschüsse auszahlen an die Mitglieder, und anschließend soll der Bund einfach das Geld wieder einschießen?
Troost: Richtig, beziehungsweise Leistungsverbesserungen auch vornehmen, zum Beispiel Zuzahlungen und anderes wieder zurückzunehmen.
Armbrüster: Aber ist es nicht okay, wenn man sagt, wir wollen ja auch etwas für die kommende Generation tun, wir wollen gerne die Neuverschuldung senken und dann sind auch solche Schritte manchmal korrekt, wo man sagt, wenn das Geld in dem einen Topf da ist, lassen wir es darin, wir kommen dann schneller zu unserem Ziel, die Neuverschuldung zu senken und damit möglicherweise auch die Schulden in Deutschland schneller abzubauen?
Troost: Nicht, dass ich jetzt missverstanden werde. Ich bin auch nicht dafür, mit Staatsschulden konsumtive Ausgaben zu finanzieren. Dafür ist Staatsverschuldung nicht da, sondern wenn man überhaupt mit Staatsverschuldung etwas finanziert, dann langfristige Investitionen, die auch in die nächste Generation gegeben werden. Nicht nur die Schulden, sondern auch die damit finanzierten Güter gehen in die nächste Generation. Aber ich sage ja: Wenn Schuldenbremse gilt, wenn dieses Null jetzt ansteht, dann muss man eben über Steuererhöhungen die Besserverdienenden, die bisher immer nur entlastet worden sind, mehr belasten, um entsprechende Spielräume in den Haushalten zu gewinnen.
Armbrüster: Mit den Steuererhöhungen haben Sie nun derzeit ja überhaupt keine Fans im Bundestag mehr, seitdem es diese Große Koalition gibt. Die scheinen ja zurzeit zumindest erst mal abgehakt. Wollen Sie an dieser Forderung wirklich festhalten?
Troost: Selbstverständlich, und ich glaube mit uns ist in der sozialen Bewegung, ist in den deutschen Gewerkschaften, ist in den Kirchen viel Unterstützung dafür, dass diejenigen mit den breiteren Schultern auch wieder stärker in die Finanzierungspflichten einbezogen werden sollen.
Armbrüster: …, sagt hier bei uns heute im Deutschlandfunk Axel Troost, der finanzpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. Vielen Dank, Herr Troost, für das Gespräch.
Troost: Bitte schön! Tschüss!
Das Interview können Sie auf www.deutschlandfunk.de nachhören
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