Schuldenschnitt oder Vergemeinschaftung? - Auf einer Konferenz von Eurodad und Rosa Luxemburg Stiftung in Brüssel wurde kontrovers über den Umgang mit Staatsschulden debattiert
Von Stephan Lindner
Das Schuldenproblem der Eurostaaten ist ein derzeit ungelöstes. Wie man damit am besten umgehen kann, versuchten Teilnehmer einer Konferenz herauszufinden.
Das Thema Schulden hat viele Facetten. Über 70 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, linken Parteien und sozialen Bewegungen aus ca. 20 Ländern trafen sich Ende letzter Woche auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) und des Europäischen Netzwerks zu Schulden und Entwicklung (Eurodad) in Brüssel, um verschiedene Aspekte des Problems zu diskutieren.
Besonders kontrovers wurde es bei einer Aussage Axel Troosts. Der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag vertrat die Ansicht, bezogen auf Europa sei das Problem in erster Linie nicht die Höhe der Schulden, sondern die nicht mehr gegebene Refinanzierung. »Die Zinsausgaben der Eurostaaten sind heute in den meisten Ländern unter den Höchstständen vor Einführung des Euro«, stellte er fest. Die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts in der Eurozone wollte er deshalb höchsten für Griechenland gelten lassen.
Als Alternative setzte sich Troost für eine Vergemeinschaftung der Schulden auf europäischer Ebene und eine Abkoppelung der Staatsfinanzierung von den Finanzmärkten ein, z.B. durch Schaffung einer Bank für öffentliche Anleihen, solange die EZB Staatsanleihen nicht direkt kaufen könne. »Alles andere gefährdet vor allem die Altersvorsorge von Kleinsparern, da in europäischen Staatsanleihen überwiegend Lebensversicherer und Pensionsfonds investiert sind«, so Troost. Zur Tilgung der Schulden forderte er eine europaweite Abgabe auf große Vermögen.
Auf starken Widerspruch stieß das vor allem bei Aktivisten von Initiativen zum Schuldenerlass: Angeführt von Eric Toussaint, Sprecher des Netzwerks zur Streichung der Schulden der Dritten Welt, warfen sie Troost vor, seine Forderungen seien in absehbarer Zeit nicht umsetzbar. Ein erheblicher Teil der Schulden sei illegitim - weil aus der Bankenrettung entstanden - und zudem ein Druckmittel zur Durchsetzung von Sozialabbau und Privatisierung.
Unterstützung kam dagegen von Theodorus Paraskevopoulos, enger Berater des Chefs der griechischen Syriza-Partei, Alexis Tsipras. Paraskevopoulos sieht die Verantwortung für einen Großteil der griechischen Schulden vor allem bei einheimischen Oligarchen, die kaum Steuern gezahlt hätten. »Ein Schuldenschnitt zu Lasten der Steuerzahler anderer Länder ist daher ungerecht.« Mit der Übertragung der Schulden auf die EZB lasse sich das vermeiden, da diese nicht pleite gehen könne.
Weitere Beiträge drehten sich um private Verschuldung, die Lage in den Staaten des arabischen Frühlings, Kampagnen für ein Schuldenaudit und Erfahrungen damit in Ecuador, den Philippinen oder, aus Gläubigersicht, Norwegen. Auch die Lehren aus der nicht erfolgten Bankenrettung in Island und dem Staatsbankrott in Argentinien, wurden diskutiert. Alan Ciblis, Ökonom aus Argentinien, sagte, auf Grund unterschiedlicher Problemlagen brauche jedes Land individuelle Lösungen. Eine Schuldenstreichung könne nur ein erster Schritt sein, um wieder handlungsfähig zu werden. Jahrzehntelange neoliberale Politik lasse sich aber nicht durch Einzelmaßnahmen rückgängig machen. Einen generellen Rat gab er aber doch: »Die Krise kann nur überwunden werden, wenn das Soziale in den Mittelpunkt gestellt wird.«
Hochzufrieden zeigten sich am Ende die Veranstalter: Klaus Sühl, Leiter des Brüsseler Büros der RLS, hob das breite politische Spektrum der Teilnehmer hervor. Bodo Elmers von Eurodad freute sich über die Qualität der Debatten. Beide wollen in Zukunft gemeinsam daran weiterarbeiten, die mit der Konferenz begonnene Vernetzung zu verstetigen. Hoffentlich ist dann auch bald ein Spektrum vertreten, das diesmal im Internationalen Gewerkschaftshaus fehlte: Gewerkschafter.
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