Bankenabwicklung: Regeln werden Praxistest nicht bestehen
Bundestagsrede von Dr. Axel Troost
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Tag für Tag gehen in Südeuropa eigentlich gesunde Unternehmen pleite. Ihre Reserven sind nach jahrelanger Krise aufgebraucht, und sie bekommen keine bezahlbaren Kredite mehr. Ihre Banken kämpfen ebenfalls mit der Rezession und mit Altlasten. Die Krisenstaaten verlieren wirtschaftlich weiterhin den Anschluss.
Die Bankenunion war ursprünglich dazu gedacht, den Schock der Finanz- und Wirtschaftskrise gemeinsam zu verarbeiten. Die alte Bundesregierung und anscheinend jetzt auch die neue Bundesregierung setzen aber seit langem alles daran, dies zu verhindern. Die Krisenstaaten werden mit ihren Problemen alleingelassen. Das, was Herr Michelbach gerade gesagt hat, ist die absolute Bestätigung dafür: Er hat sozusagen nur auf deutsche Banken und die entsprechenden Zusammenhänge abgestellt, aber nicht gesehen, dass wir in Europa Bankenprobleme lösen müssen und Deutschland da eine ganz zentrale Rolle spielt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Bankenunion. Multinationale Banken lassen sich national nur schlecht beaufsichtigen, geschweige denn abwickeln. Insofern braucht man eine internationale Lösung. Wir sind aber gegen die gegenwärtig gefundene Form der Bankenunion.
(Beifall bei der LINKEN)
Natürlich ist ein gemeinsames Abwicklungsregime für größere Banken erst mal ein Fortschritt; aber es muss sich daran messen lassen, ob es Finanzkrisen und teure Bankenrettungen wirksam verhindern kann. Diesen Test wird das System, das bisher vorliegt, nicht bestehen. Der Abwicklungsmechanismus ist, wenn überhaupt, sowieso nur für die Abwicklung von Pleiten einzelner Banken geeignet; bei systemischen Krisen wird sich da sowieso nichts tun. Aber auch bei Pleiten einzelner großer Banken wird es, wenn es bei der Megagröße dieser Banken bleibt, mit diesem Abwicklungsregime nicht möglich sein, sie über das Wochenende abzuwickeln. Wir werden wieder mit Panikreaktionen zu kämpfen haben. Wir werden erleben, wie Eigentümer und Gläubiger die Abwicklungsentscheidungen erfolgreich anfechten werden. Wir werden zudem erleben, wie die Banken die neuen Regeln im Vorfeld zu umgehen versuchen.
Wir sind natürlich der Meinung, dass man etwas tun muss; aber wenn Sie meinen, Sie müssten nicht an die Bankengröße herangehen, sondern nur Mechanismen der Abwicklung finden, dann müssen Sie mal erklären, warum diese Megabanken aus Ihrer Sicht weiterhin gebraucht werden. Wir wollen einen grundlegenden Umbau des Finanzsektors; da unterscheiden wir uns auch von den Grünen. Wir wollen Banken wirklich wieder auf die Funktion des Zubringers der Realwirtschaft beschränken. (Beifall bei der LINKEN)
Ihre Geschäftstätigkeit muss gesetzlich auf die Kernfunktionen Zahlungsverkehr, Einlagengeschäft und Finanzierung beschränkt werden, wie das bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Bundesrepublik der Fall ist. Sonst werden wir den Tiger Finanzmarkt nicht reiten können.
Ich möchte zum Abschluss noch einmal sagen – ich hatte das im Finanzausschuss schon gesagt und werde es in den nächsten Wochen sicherlich mehrmals wiederholen –, warum wir der Meinung sind, dass der von den Banken zu finanzierende gemeinsame Abwicklungsfonds ein Wolkenkuckucksheim ist.
Der Abwicklungsfonds soll innerhalb von zehn Jahren eine Größe von 55 Milliarden Euro erreichen. Deutschland müsste davon etwa ein Viertel erbringen, sagen wir mal: rund 15 Milliarden Euro in zehn Jahren, das heißt pro Jahr 1,5 Milliarden Euro. Wir wissen aber, dass die deutsche Bankenabgabe gegenwärtig im Durchschnitt nur 600 Millionen Euro pro Jahr erbringt. Sie müssten sie also verdoppeln oder verdreifachen. Aus Sicht der Bundesregierung sind die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten aber schon jetzt ausgereizt. Man kann die Abgabe um 10, 20 oder 25 Prozent erhöhen - wir haben die entsprechenden Zahlen vom Finanzministerium erhalten –, aber das wird logischerweise bei weitem nicht ausreichen, die Einnahmen aus der Bankenabgabe zu verdoppeln, geschweige denn zu verdreifachen.
Wenn der Bundesfinanzminister erklärt, er könne sich vorstellen, dass das alles noch viel schneller geht, dann muss er sagen, wie er das finanzieren will. Wir sehen nicht, wie das zu finanzieren ist. Wir befürchten – nicht nur wir, sondern auch die Branche –, dass es am Schluss heißt: Die Großbanken und die Regionalbanken, für die der Rettungsfonds eigentlich gebraucht wird, sind nicht zahlungsfähig. Dann bitten wir doch die Sparkassen und Gnossenschaftsbanken zur Kasse, damit wir den Fonds schnell auffüllen können. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Niemals! So etwas machen wir nicht! – Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das würdet ihr machen!)
Aus meiner Sicht verschaukeln Sie mit Ihrer Haltung zur Bankenabgabe nicht nur den Bundestag, sondern die gesamte Bevölkerung und auch unsere europäischen Nachbarn. Letztlich wird der Bankenfonds nicht die nötige Größe erreichen. Das heißt nichts anderes, als dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weiterhin für Bürgschaften zur Verfügung stehen müssen.
Mein letzter Satz. Es wird argumentiert, der Fonds sei aufgrund der Bankenabgabe in der Lage, Kredite aufzunehmen. Wir werden sehen, dass das auch wieder nur mit öffentlichen Bürgschaften möglich sein wird. Wir müssen also das Grundproblem mit Blick auf die Bankenregulierung lösen. Das bedeutet eine Verkleinerung der Banken, um sie abwicklungsfähig zu machen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN)