Währungsunion darf nicht zum Kalifat von Sparfanatikern werden
Von Axel Troost
Der Streit um Griechenland ist eskaliert. Die Euro-Finanzminister wollen Griechenland in eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms drängen und erneut dazu verpflichten, die bisherigen Auflagen umzusetzen. Damit würde sich Griechenland wieder der alten Spardiktatur unterworfen. Die Reaktion von Finanzminister Varoufakis beim letzten Ministertreffen war daher absehbar und verständlich.
Zuvor hatte die EU-Kommission offenbar versucht, zu vermitteln. Varoufakis berichtete von einem Kompromisspapier, dass er sofort unterzeichnet hätte. Statt einer Programmverlängerung war dort nur von einer Verlängerung der bisherigen Kreditvereinbarungen die Rede, um innerhalb von vier Monaten ein neues Programm aushandeln zu können.1 Doch bisher bestehen die Gläubiger strikt auf dem Abschluss des alten Programms.
Allianz von Sparfanatikern
Nun ist fraglich, was passieren wird. Ein – wie immer gearteter – Kompromiss ist immer noch die wahrscheinlichste Variante, da keine Seite wirkliches Interesse an einem chaotischen Ausgang hat. Ziemlich wahrscheinlich ist, dass ein Kompromiss Erleichterungen bei den absurd hochgehängten Haushaltsvorgaben (Primärüberschuss von 4,5 Prozent) enthalten würde und dass ein Teil der Programmauflagen finanzneutral durch andere ersetzt würde (was es beim irischen Programm schon gegeben hat). Unerwartete Rückendeckung dafür kam zuletzt von EU-Kommissionspräsident Juncker, der als früherer Eurogruppen-Chef selbstkritisch einräumte: "Man hat wirklich gegen die Würde der Völker verstoßen, gerade in Griechenland".
Doch die Fronten sind verhärtet. Die Euro-Finanzminister zeigten sich bisher als unerwartet geschlossene Allianz von Sparfanatikern. Bleibt es dabei, dürften die Verhandlungen scheitern.
Wann genau Griechenland dann das Geld ausgehen würde, ist unklar. Die alte griechische Regierung hat offenbar verbrannte Erde hinterlassen und Regierungscomputer und Unterlagen über die genaue Finanzlage verschwinden lassen. Der Staatsbankrott ist aber nicht das drängendste Problem. Angeblich könnte Griechenland noch bis Mitte Juli finanziell über die Runden kommen. Der Super-GAU dürfte schon früher vom Finanzsektor ausgelöst werden, der von Notkrediten der EZB abhängt. Noch hat die EZB den Geldhahn nicht zugedreht, dürfte das aber von einem irgendwie gearteten Programm abhängig machen. Schlimmstenfalls wären die meisten griechischen Banken abrupt pleite. Die Regierung könnte sie nur noch in eigener Währung stützen.
Ein Grexit könnte das Ende der Währungsunion einläuten
Ein Grexit wäre ein weiterer Schock für die griechische Wirtschaft und würde weiteres menschliches Elend verursachen. Für den Rest von Europa wäre er zunächst verkraftbar, da die griechische Wirtschaft vergleichsweise klein und geschlossen ist. Die europäischen Banken haben sich längst aus Griechenland zurückgezogen und hätten daher, anders als 2010, keine milliardenschweren Abschreibungen zu befürchten. In die Röhre würden die Steuerzahler gucken, da 80 Prozent der 320 Milliarden Schulden inzwischen von öffentlichen Gläubigern gehalten werden.
Doch das ist bloß der Blick eines Buchhalters. Langfristig wäre der Grexit für alle Europäer eine Katastrophe. Denn wie sollte man vermitteln, dass nicht bald der nächste Staat das Schicksal Griechenlands teilen wird, wenn die Mitgliedschaft in der Währungsunion nicht mit dem festen Willen zum Zusammenhalt, sondern durch Prinzipienreiterei mit sinnlosen Sparvorgaben begründet wird? Würden die Menschen in Südeuropa akzeptieren, dass ihre nächste Regierung nicht mehr als eine Marionette einer Spardiktatur sein kann? Vieles spricht dafür, dass der Grexit aus politischen und ökonomischen Gründen das Ende der Währungsunion einläuten würde.
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