Enteignet die EZB-Politik die deutschen Sparer?
Von Harald Wolf
In der Erklärung des Parteivorstands zu den Wahlen in Griechenland vom 24.1. heißt es u.a. über Niedrigzinspolitik der EZB und ihre Politik des „quantitative easing“, dass diese „ die kleinen SparerInnen und die Mittelschichten belastet“. Ich habe zu dazu in der PV-Sitzung nichts gesagt, weil ich den Punkt im Zusammenhang mit der Erklärung nicht für essentiell hielt. Ich halte es aber für problematisch, wenn die LINKE in die vor allem von neoliberalen Kreisen geäußerte populistische Kritik an der EZB einstimmt, wonach diese eine „Enteignung der deutschen Sparer“ betreibe. Deshalb hier einige Anmerkungen zum Thema:
Negative Realzinsen sind keine neue Erscheinung, die erst mit der EZB-Politik in den letzten Jahren aufgetreten ist. Bereits in den 70er Jahren, am Anfang der 90er Jahre und in den 2000er Jahren lag die Verzinsung auf Spareinlagen unter der Inflationsrate. Für Termineinlagen verringerte sich die Verzinsung seit den 80er Jahren kontinuierlich, um seit 2010 in den negativen Bereich zu geraten.
Da seit 2012 die Inflationsrate kontinuierlich sinkt ist die reale Verzinsung, also die Differenz zwischen Inflation und nominalem Zinssatz immer kleiner geworden, so dass sie heute bei nahezu Null liegt. Für Termineinlagen liegt die reale Verzinsung wieder im positiven Bereich. (Vgl. Deutsche Bundesbank, Negative reale Verzinsung von Einlagen kein neues Phänomen, www.bundesbank.de)
Die „Enteignung der Sparer“ , um diesen Begriff hier einmal zu verwenden, hatte also von 1970 bis in die Mitte der 80er Jahre und Anfang der 90er Jahren einen viel größeren Umfang angenommen als heute. Dass ein negativer Realzins heute heftiger wahrgenommen wird als damals, liegt daran, dass die nominale Verzinsung in diesen Jahren hoch war und damit die Illusion eines Vermögenszuwachses aufrechterhalten werden konnte, während heute ein extrem niedriger Nominalzins die realen Einkommensverluste „gefühlt“ viel größer erscheinen lässt, als sie tatsächlich sind. Das zentrale Problem aber ist, dass mit der Umstellung der Altersversorgung von der reinen Umlagefinanzierung hin zu einer immer größeren privaten Komponente, die Altersversorgung mehr und mehr von der Entwicklung der Finanzmärkte abhängt und den damit verbundenen Risiken ausgesetzt ist. Die begründete Sorge vieler Menschen um ihre Altersversorgung sollte deshalb nicht in Form einer Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB aufgegriffen werden (und damit ungewollt der Propaganda der Versicherungswirtschaft auf den Leim gehen) , sondern sollte gegen die Privatisierung der Altersversorgung gerichtet und zur Propagierung unseres eigenen Rentenkonzepts genutzt werden.
Im Übrigen sind die gegenwärtig niedrigen Zinsen nicht ursächlich in der Politik der EZB begründet, sondern haben eine tiefer liegende ökonomische Ursache: sie sind Ausdruck der Wachstums- und Investitionsschwäche und der deflationären Tendenz im Euroraum. Denn das Geld, das die SparerInnen zur Bank tragen, vermehrt sich nicht von selbst, sondern muss „arbeiten“. Hinter der Zinszahlung für die Spareinlagen muss ein wirklicher Produktionszuwachs stehen, der mit dem von den Banken als Kredit ausgereichtem Geld erzielt wurde. Mit anderen Worten: wir haben gegenwärtig zu viele Sparer und zu wenig Schuldner, die investieren. Die europäische Austeritätspolitik und die Ideologie der „schwarzen Null“ führt dazu, dass der Staat als Schuldner immer mehr ausfällt, während die Unternehmen angesichts der Nachfrageschwäche wenig investieren und dementsprechend wenig Kredite nachfragen. Die EZB versucht dem mit dem Mittel der Geldpolitik entgegenzuarbeiten (wie wirkungsvoll dies angesichts der Schwäche der öffentlichen und privaten Nachfrage im Euroraum sein kann, steht auf einem anderen Blatt). Die Antwort auf die niedrigen Zinsen kann demnach auch nicht in der Forderung nach einer Leitzinserhöhung durch die Zentralbank bestehen, was zu einer weiteren Abschwächung des kaum vorhandenen Wachstums führen würde. Höhere Zinsen gibt es nur bei höherem Wirtschaftswachstums und höherer Inflation. Das Absurde an der Politik im Euroraum besteht gegenwärtig darin, dass die EZB versucht Gas zu geben, während die Bundesrepublik und die Europäische Kommission mit dem Stabilitätspakt und dem Festhalten an der gescheiterten Austerität auf die Bremse tritt. Hier sollte unsere Kritik ansetzen – und nicht an der Zinspolitik und dem „quantitative easing“ der EZB.
- Deutsche Bundesbank
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