Eine sozial-ökologische Antwort auf die Wachstumsschwäche
Von Axel Troost
Seit Jahren steckt Europa in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Die Ursachen – die Finanzkrise und die sich daran anschließende Spardiktatur – sind bekannt. Es dauerte vier Jahre, bis die Wirtschaftsleistung der Eurozone wieder Vorkrisenniveau erreicht hatte. Einzelne Eurostaaten wie Italien und Spanien (von Griechenland ganz zu schweigen) liegen immer noch darunter. An eine schnelle Erholung glaubt niemand mehr.
Nicht so bekannt ist, dass sich zuletzt auch die Wachstumsaussichten in den Schwellenländern eingetrübt haben. Die Wirtschaft in China, Indien und Brasilien läuft bei weitem nicht mehr so rund wie in den letzten Jahren. Das hat Folgen. Der IWF stimmt in seinem neuen Weltwirtschaftsausblick auf eine Ära niedrigerer Wachstumsraten ein – sowohl für die Industrieländer, als auch für die Schwellenländer. Während die Trendwende für die Schwellenländer, deren Wachstumspotenzial der IWF von sieben auf fünf Prozent senkt, erst mit der Finanzkrise eingetreten ist, sieht der IWF die Trendwende für die Industriestaaten schon bei der Jahrtausendwende. Das heißt: selbst ohne Eurokrise wären die Wachstumsaussichten mau.
Die Wachstumsschwäche schafft Probleme, etwa bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Staatsverschuldung. Um dieser Schwäche entgegenzutreten, kommen zum einen wenig revolutionäre Vorschläge wie höhere Forschungsanstrengungen und verbesserte Aus- und Weiterbildungsangebote in Frage. Ein zentrales Mittel sind auch Investitionen, die nicht nur in Deutschland seit vielen Jahren zu niedrig sind, sondern auch weltweit fehlen. Im Unterscheid zum Ansatz der Bundesregierung und EU-Kommission, die via Gabriel-Kommission und Juncker-Plan primär auf private Investitionen setzen, setzt der IWF sinnigerweise auch auf öffentliche Investitionen. Denn diese erhöhen nicht nur über verbesserte Infrastruktur das Wachstumspotenzial, sondern kurbeln auch die Nachfrage an, was Unternehmen wiederum dazu bringt, ebenfalls zu investieren.
Nun ist Wachstum natürlich auch kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um gesellschaftliche Ziele zu erreichen. Weil dies meist nicht mitgedacht wird, bleiben alternative Ansätze außer Acht. Hiervon hat sich wohltuend das Sondervotum der Sachverständigen der Linken zur Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ aus der letzten Wahlperiode abgehoben. Zwar verstärkt fehlendes Wachstum grundsätzlich die Arbeitslosigkeit und die Erosion des Sozialstaats, doch hier kann gegengesteuert werden. Zu den Gegenmaßnahmen gehören insbesondere verkürzte Arbeitszeiten und Umverteilung per Steuerpolitik. Das Sondervotum schlussfolgert daher: „Es ist ein Fehlschluss, aus dem Rückgang von Wachstumsraten auf den Sachzwang zu sozialen Kürzungen zu schließen.“[1] Das Votum listet einen ganzen Strauß von Gegenmaßnahmen auf, die in der herrschenden Politik außer Acht gelassen wird.
Zudem hat Wachstum auch eine ökologische Dimension. Der Ressourcenverbrauch und die Konzentration von Treibhausgasen dürfen nicht weiter ungebremst wachsen. Aber welche Konsequenten sind daraus zu ziehen? Die einen arbeiten an Konzepte für einen sozial-ökologischen Umbau, der zunächst durchaus zusätzliches Wachstum in andere Bereichen bedeuten kann. Die anderen sind davon überzeugt, dass sich die drohende ökologische Katastrophe nur mit einem geringeren wirtschaftlichen Wachstum verringern lässt – bis hin zu einem Wachstumsverzicht in den Industrieländern. Folglich müssten alle gesellschaftlichen Prozesse unterstützt werden, bei denen nicht der materielle Besitz, sondern die Lebensqualität im Vordergrund steht. Auch dies ist leichter gesagt als getan, doch auch hier finden sich im Sondervotum zur Enquete-Kommission genügend Ansätze.
Mit dem Zukunftskongress der Linken bietet sich die Gelegenheit, sie in den nächsten Tagen weiter zu verfeinern.
[1] Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität - Sondervotum Bundestagsfraktion Die Linke
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