Dominantes Kapital
Von Heinz-J. Bontrup
Die Wirtschaft ist für den Menschen da, nicht umgekehrt. Dies ist unter marktwirtschaftlich-kapitalistischen Verhältnissen ein frommer Wunsch, der auch diametral zum deutschen Arbeitsrecht steht. Hier dominiert einseitig das Kapital. Die abhängig Beschäftigten sind final immer die Verlierer. Verantwortlich dafür ist das Grundgesetz. Im Artikel 14 wird das Eigentum und Erbrecht geschützt und im Artikel 12 die unternehmerische Freiheit.
Die Verbindung dieser beiden Artikel impliziert ein asymmetrisches Arbeitsrecht zulasten der Beschäftigten in allen nachgeordneten arbeitsrechtlichen Bestimmungen und der daraus abgeleiteten Rechtsprechung. Das Kapital kann demnach frei über die in der Wirtschaft entscheidenden Investitionen, über den Kapitaleinsatz, verfügen und außerdem, trotz eines Kündigungsschutzgesetzes, jederzeit einmal eingestellte Beschäftigte wieder entlassen. Und dies selbst dann, wenn der Unternehmer durch die Entlassung nur eine höhere Eigenkapitalrendite erzielen will.
Das Arbeitsvermögen beziehungsweise die dringend notwendige wirtschaftliche Verwertung zur Reproduktion der jeweiligen Arbeitskraft ist hier rechtlich völlig nachrangig. Die Investition eines Unternehmers in eine Maschine zählt im deutschen Grundgesetz mehr als der arbeitende Mensch. Ein Skandal!
Auch im Betriebsverfassungsgesetz, auf der betrieblichen Mitbestimmungsebene, haben Betriebsräte und Wirtschaftsausschussmitglieder gegenüber dem Kapital keine wirtschaftliche und paritätische Mitbestimmung. Und kommt es im Betrieb bei einem nicht erzwingbaren Interessenausgleich zu einem sogenannten Einigungsstellenverfahren zwischen Management und Betriebsräten, ob eine Entlassung von Beschäftigten notwendig ist oder nicht, so gibt es auch hier nur einen Gewinner, das Kapital. Der Vorsitzende der Einigungsstelle (in der Regel ein Arbeitsrichter) entscheidet nämlich final nicht über das „Ob“ der Entlassung, hier bezieht er sich immer zugunsten des Kapitals auf die oben erwähnten Artikel der Verfassung, sondern ausschließlich nur über das „Wie“, das heißt lediglich über die Dotierung eines nicht den Arbeitsplatz ersetzenden Sozialplans. Auch hier liegt also nichts anderes als eine Asymmetrie zulasten der Beschäftigten vor. Und was macht die herrschende Politik? Sie findet es gut so wie es ist. Und die Opposition? Sie schweigt!
Zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 5. November 2015
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