Immer mehr Erwerbslose in Finanznöten
Von Sabine Zimmermann
Die finanziellen Sorgen erwerbsloser Menschen in Deutschland nehmen zu. 19,1 Prozent der Erwerbslosen (590.000 Personen; + 62.000 im Vergleich zu 2013) hatten im Jahr 2014 Probleme, die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen (Gesamtbevölkerung 5,4 Prozent). 18,4 Prozent (565.000 Personen) konnten die Wohnung nicht angemessen heizen (Gesamtbevölkerung 4,9 Prozent).
Unerwartete Ausgaben (in Höhe von mindestens 980 Euro) aus eigenen Finanzmitteln zu bestreiten, stellte für 84,4 Prozent (2,58 Millionen Personen; + 68.000 im Vergleich zu 2013) der Erwerbslosen (Gesamtbevölkerung 33,1 Prozent) ein Problem dar und 34,6 Prozent (1,07 Millionen Personen; + 48.000 im Vergleich zu 2013) hatten finanzielle Schwierigkeiten, jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einzunehmen (Gesamtbevölkerung 7,9 Prozent).
Das geht aus einer Statistik zur so genannten "Materiellen Entbehrung" hervor, die von Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, vom Statistischen Bundesamt angefordert wurde.
Materielle Entbehrung ist ein auf europäischer Ebene im Rahmen der Europa Strategie für das Jahr 2020 aufgenommener Indikator, der Personen benennt, deren Lebensstandard aufgrund fehlender Mittel stark eingeschränkt sind. Abgefragt wird, ob es Einschränkungen in folgenden Bereichen gibt: 1) Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen, 2) Beheizung der Wohnung, 3) unerwartete Ausgaben decken können, 4) jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Fisch oder gleichwertiger Proteinzufuhr, 5) einen einwöchigen Urlaub, 6) ein Auto, 7) eine Waschmaschine, 8) einen Fernseher oder 9) ein Telefon. Nach der EU Definition liegt "materielle Entbehrung" oder eine "erhebliche materielle Entbehrung" vor, wenn drei beziehungsweise vier der genannten Güter oder Aktivitäten aus finanziellen Gründen nicht finanziert werden können.
Im Jahr 2014 waren 30,9 Prozent aller Erwerbslosen in Deutschland von erheblicher materieller Entbehrung betroffen, damit ist ihre Situation prekärer als im Durchschnitt der EU-Länder. Dort traf das auf "nur" 26,2 Prozent aller Erwerbslosen zu.
Sabine Zimmermann sieht die Hartz-Reformen als einen wesentlichen Grund für diese Entwicklung. "Die Befunde sind für den Sozialstaat Deutschland im wahrsten Sinne ein Armutszeugnis. Die Verarmung Erwerbsloser schreitet in großen Schritten voran. Die Bundesregierung verweigert ihnen eine angemessene Unterstützung. Das ist nicht länger hinnehmbar und ein Skandal. Die Absicherung im Fall von Erwerbslosigkeit wird immer brüchiger und schwächer."
Zimmermann weiter:
"Seit den Hartz Reformen wird die soziale Sicherung für Erwerbslose überwiegend Hartz IV überlassen. Gut zwei Drittel aller Erwerbslosen bekommen keine oder unzureichende Leistungen der Arbeitslosenversicherung und sind daher auf Hartz IV angewiesen. Die notwendigen Konsequenzen liegen auf dem Tisch: Der Zugang zu ausreichenden Leistungen der Arbeitslosenversicherung muss erleichtert werden. Und: Das Kleinrechnen des Existenzminimums muss endlich beendet werden. Der Regelsatz ist kurzfristig auf 500 Euro im Monat anzuheben. DIE LINKE fordert grundsätzlich die Abschaffung des Hartz IV-Systems und dessen Ersetzung durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung."
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