Schäuble als Strippenzieher
Die Quasi-Privatisierung der öffentlichen Fernstraßen
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der Ausgabe 06/2017 der Zeitschrift "Links!" und ist die Kurzfassung einer Kolumne von Axel Troost
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Es ist geradezu ein politischer Krimi, wie Finanzminister Schäuble und die CDU/ CSU die Privatisierung öffentlichen Eigentums gegen alle Widerstände vorantreiben. Worum geht es? Die Konservativen wollen die bislang durch die Bundesländer verwalteten Fernstraßen beim Bund zentralisieren und mittels Öffentlich-PrivaterPartnerschaften (ÖPP) für private Kapitalanleger öffnen. Dabei erpresst Schäuble die Bundesländer, indem die Quasi-Privatisierung der Fernstraßen mit in das Paket zur Neuordnung des Länderfinanzausgleichs geschnürt wurde, von dessen Fortführung das Schicksal gerade strukturschwacher Bundesländer abhängt. Somit müssen auch Mitte-Links geführte Bundesländer (wie Thüringen, Brandenburg, Berlin) dieses lebenswichtige, aber kontaminierte Paket wohl zähneknirschend durch den Bundesrat passieren lassen.
Wie ist nun der aktuelle Stand? Der letzte, und nun wohl endgültige Kompromiss[1] zwischen SPD und CDU/CSU bedeutet für die deutschen Fernstraßen eine Quasi-Privatisierung – ähnlich der Deutschen Bahn, die vor 23 Jahren zu einer privatwirtschaftlich geführten Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand gemacht wurde. Die entsprechenden Grundgesetzänderungen sollen nun am 2. Juni 2017 innerhalb eines Tages durch Bundestag und Bundesrat gedrückt werden.
Druck von Zivilgesellschaft und politischer Opposition teilweise erfolgreich
Positiv ist zunächst, dass die ursprünglich für den 19. Mai angesetzte Bundestags-Abstimmung platzte und bei Nachverhandlungen nun grundgesetzlich „eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung privater Dritter“ an der Infrastrukturgesellschaft Verkehr und ihren Tochtergesellschaften ausgeschlossen wird (Artikel 90 (2) GG) sowie auch das wirtschaftliche Eigentum beim Bund verbleiben soll (Artikel 90 (1) GG). Diese – teilweise „einfachgesetzlichen“, teilweise grundgesetzlichen – Zugeständnisse sind ein großer Erfolg und die direkte Folge unseres gemeinsamen Protests von politischer Opposition (der LINKEN und der Grünen) sowie der Zivilgesellschaft, u.a. organisiert von der „Plattform gegen eine Bundesfernstraßengesellschaft“.[2] Von einem durchschlagenden Erfolg kann jedoch keine Rede sein, denn die Quasi-Privatisierung und die Festlegung auf einen hermetisch geschlossenen Finanzierungskreislauf aus Mauteinnahmen und Straßenbau sind keineswegs verhindert, sondern kommen nun wie befürchtet (nur etwas verklausulierter) durch die Hintertür.[3]
CDU/CSU drücken jedoch unbeirrt die Quasi-Privatisierung der Fernstraßen durch
Erstens: die Infrastrukturgesellschaft soll die Form „einer Gesellschaft privaten Rechts“ bekommen. Das bedeutet, dass der Straßenbau künftig rein betriebswirtschaftlich geführt wird, öffentliche Interessen müssen hinten anstehen und auch demokratisch wird die Verkehrspolitik damit weniger beeinflussbar. Wie schon bei den kleineren Bahnhöfen und Bahn-Nebenstrecken drohen weite Teile des Landes als „betriebswirtschaftlich unrentabel“ abgehängt zu werden. Wie aber sollen strukturschwache Regionen eine wirtschaftliche Chance haben, wenn sie weder über Zug noch Straße ordentlich angebunden sind? Zweitens sind – anders als von Sozialdemokraten behauptet –[4] ÖPPs nicht ausgeschlossen, sondern die individuellen Projekte nur größenbeschränkt. Und dass, obwohl Rechnungshöfe immer wieder aufzeigen, dass ÖPP die Bürger fast immer teurer zu stehen kommen.
Drittens werden die gerade beschlossenen Mauteinnahmen zweckgebunden[5] und vollständig an die quasi-privatisierte Bundesfernstraßen-Gesellschaft fließen. Die Einnahmen können also nicht mehr zur Linderung der externen (Umwelt und Gesundheits-) Kosten des Autoverkehrs oder zur Querfinanzierung anderer Verkehrsträger, wie Schiene, ÖPNV oder Fahrrad genutzt werden. Somit wird auch der sozialökologischen Verkehrswende eine wichtige Finanzierungsquelle abgeschnitten.
Mit Merkel und Schäuble kommt die Autobahnprivatisierung
Fazit ist also: Geht es nach Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble, soll erstens die Verwaltung der Fernstraßen privatrechtlich organisiert, zweitens die Tür für flächendeckende Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) weit geöffnet, und drittens die Mauteinnahmen exklusiv an den Straßenbau gebunden werden. Am 24.September wird die CDU/CSU hoffentlich auch daran gemessen, dass sie die Kontrolle über unser öffentliches Eigentum in die Hände privater Kapitalinteressen überweist. Auch wenn die Grünen aktuell mit der LINKEN gegen eine Privatisierung trommeln: Bei entsprechendem Wahlergebnis im September stehen sie für eine Koalition mit CDU/ CSU (und evtl. FDP) – auch wenn sie diese Option mit dem eigenen Absacken in den Umfragen mittlerweile defensiver kommunizieren - sicherlich weiter gerne zur Verfügung. Daher gilt weiterhin und jetzt erst recht, Widerstand gegen Privatisierung und Sozialabbau – parlamentarisch wie außerparlamentarisch. Es geht darum, sich nicht einlullen zu lassen durch substanzlose Beruhigungs-Formeln, sondern den Kampf für eine gute Infrastruktur in öffentlicher Hand, die allen Menschen unabhängig von Wohnort und Geldbeutel gleichermaßen zur Verfügung steht, zu organisieren!
[1] Vgl. Änderungsanträge der Arbeitsgruppen Haushalt der Fraktionen CDU/ CSU und SPD, Ausschussdrucksachen 4314 und 4315, sowie die Synopse Grundgesetz (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g) und die Synopse Begleitgesetz (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften) woraus auch die folgenden Zitate entnommen sind.
[2] Zu den Zielen der Plattform
[3] Siehe auch die Analysen von Gemeingut in BürgerInnenhand: Autobahnprivatisierung. Ein Fall für Sherlock Holmes und Dr. Watson sowie aktuell: "Gesetzentwurf zur Autobahnprivatisierung liegt vor"
[4] Internes SPD-Papier vom 17. Mai
[5] Siehe Begleitgesetz Artikel 21 Bundesfernstraßenmautgesetz §11 Mautaufkommen (2) sowie Artikel 22 Infrastrukturabgabengesetz §15 (2)
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