Auf Augenhöhe gemeinsam handeln
Ein Kongress des »Instituts für Solidarische Moderne« lotet aus, wie sich eine linke Politik in den Parlamenten und progressive Bewegungen unterstützen können
Der Artikel ist zuerst erschienen auf www.neues-deutschland.de
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Die »Mosaiklinke« hat sich getroffen, im Rahmen der 2010 gegründeten politischen Denkfabrik, dem »Institut für Solidarische Moderne«. Zu den Gründervätern und -müttern des Instituts gehört Andrea Ypsilanti von der SPD, Axel Troost für die LINKE und Sven Giegold von den Grünen. Neben dem parteipolitischen »Cross-Over« gesellt sich ein zweites Moment: der Brückenschlag der institutionalisierten Politik zu Wissenschaft und Kultur, zu den Gewerkschaften und den Bewegungen.
Diese sind es auch, die im Mittelpunkt der zweitägigen Konferenz im Berliner Wedding stehen, wenn es darum geht, die »Politik der Vielen« in Workshops zu aktuellen Arbeitskämpfen, Feminismus, Ökologie als soziale Frage, zur gespaltenen Linken, dem Recht auf Stadt und »Unteilbar gegen rechts?!« greifbar werden zu lassen. In Plena werden dazu die Stärken einer gemeinsamen Strategie, auch gegenüber der institutionalisierten Politik, herausgearbeitet.
Vorab hat der Vorstand des Instituts ein Positionspapier zur aktuellen Lage herausgebracht, ganz im Eindruck einer eskalierenden Demokratiekrise, die eine parteipolitisch geschwächte Linke produziert, aber immerhin eine »grüne Möglichkeit« jenseits des Rechtsdrifts öffnet. Auch lassen wachsende soziale Bewegungen Hoffnungsschimmer aufkommen.
Die erfolgreiche Volksinitiative »Deutsche Wohnen und Co enteignen«, hat gezeigt, wie progressive Kräfte in Entscheidungsstrukturen mit dem nötigen Rückenwind aus der Gesellschaft aktiviert werden können. Dies zeigt, dass durchaus in der parlamentarischen Demokratie echte linke Politikprojekte mehrheitsfähig umgesetzt werden können.
Zaghaft lassen die Verfasser*innen daher auch eine Regierungsoption von Grün-RotRot anklingen, getragen sein von einer starken Bewegungslinken.
Genau dieses Farbenspiel ist es, welches für Katja Kipping, Fraktionsvorsitzende der LINKEN, nach »alten Ritualen« klingt, die nicht mehr zeitgemäß seien. Sie spricht lieber von »Regierungsmehrheiten links der Union« auf dem von Ypsilanti moderierten Abendpodium der Konferenz, bei dem sie sich gemeinsam mit Anton Hofreiter, dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen und dem französischen Autor und Philosoph Guillaume Paoli, in das »Spannungsfeld zwischen Politik und Bewegung« begibt, um dessen transformatorisches Potenzial für einen wirklichen Aufbruch in eine Neue Linke auszuloten. Einig ist man sich über die derzeitige Ausgangslage, die in ihrer Dimension einmalig ist: So betont Hofreiter mehrmals, dass die Klimakrise in ihrer direkten existenziellen Bedrohung anders als bei früheren politischen Disputen keinen Verhandlungsspielraum zulasse, wenn die Menschheit ihre Lebensgrundlage behalten wolle.
Dennoch sei er »so optimistisch wie seit zehn Jahren nicht mehr, denn die Techniken und Möglichkeiten der Klimakrise zu begegnen« seien vorhanden. Die größte Aufgabe sieht er daher derzeit, die Dringlichkeit begreifbar zu vermitteln und darüber echte Mehrheiten für eine konsequente Klimapolitik herzustellen. Auch für Kipping reicht es nicht mehr »mit schönen Utopien Bilder zu erzeugen«, vielmehr brauche es konkrete, an den Alltag der Menschen angelehnte Umsetzungsstrategien dorthin. Sie rechnet dabei aber mit »krassen Widerständen«, wenn dafür unter anderem die Wirtschaftspolitik angegangen werden muss.
Dass der Druck auf der Straße und in der Öffentlichkeit wächst, ist nicht von der Hand zu weisen. Dennoch hat Paoli, der sich in den letzten Monaten vor allem intensiv mit den »Gelbwesten« in Frankreich auseinandergesetzt hat, festgestellt, dass Politik und Bewegung wie »zwei Parallelwelten wirken.« So hat der Protest in Frankreich weder zu einem Zuwachs bei rechten noch linken Parteien geführt, die Wahlbeteiligung von 50 Prozent war historisch niedrig. Die Bewegung verweigert sich einem Dialog mit der herrschenden Klasse, auch aus der Angst von Vereinnahmung heraus.
In Deutschland hingegen, führt Kipping aus, sprechen Bewegungen durchaus implizite Wahlempfehlungen aus. Aus der Anti-Hartz-IV-Bewegung konnte sich die Linkspartei überhaupt erst konstituieren, Fridays for Future bescherte den Grünen Rekordhochs.
Auf die Publikumsfrage zur Umsetzung des »linken Regierungsprojektes« bleibt Hofreiter unkonkret, macht aber deutlich, dass es Mehrheiten im Parlament braucht, um dem progressiven Bürgerwillen auch wirklich entsprechen zu können.
Die »Politik der Vielen«-Konferenz hat aufscheinen lassen, welche Qualitäten ein linkes Regierungsprojekt braucht, um möglichst erfolgreich zu sein: Es geht nicht um eine bloße Sitzverteilung hin zu Mehrheiten, sondern es benötigt einen neuen Typus von Regierung, in dem Bewegungsaktive und progressive Regierung auf Augenhöhe miteinander agieren können und sich auf konkrete Schritte hin zu einer soldarischen Moderne einigen können.
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