Vermögen besteuern, Demokratie schützen!

16.12.2020 / Ralf Krämer, Fabio De Masi, Daniela Trochowski und Axel Troost

Der Artikel ist zuerst erschienen im Neuen Deutschland 

________________

Seit Jahren nimmt die Konzentration von Vermögen zu. Die Ungleichheit bei den Vermögen ist in Deutschland laut dem französischen Star Ökonomen Thomas Piketty wieder auf einem Niveau wie zur Kaiserzeit.

Das reichste 1 Prozent besitzt rund ein Drittel des gesamten Nettovermögens. Davon entfällt mit 16 Prozent fast die Hälfte auf die reichsten 0,1 Prozent – Tendenz: steigend. Diese Vermögen bestehen zu einem Großteil aus Eigentum an Unternehmen oder Anteilen daran. Die Hälfte der Bevölkerung hingegen besitzt unter dem Strich fast Nichts.

Wirtschaftliche Macht erzeugt politische Macht und gefährdet somit die Demokratie: Das Ahlener Programm der CDU von 1947 fordert die „Verhinderung der Zusammenballung wirtschaftlicher Kräfte in der Hand von Einzelpersonen, von Gesellschaften, privaten oder öffentlichen Organisationen, durch die die wirtschaftliche oder politische Freiheit gefährdet werden könnte.“

Corona ist ein Brandbeschleuniger für Ungleichheit

Die Corona-Krise hat die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. Die einen haben ihren Job oder ihr Geschäft verloren. Wer Arbeit suchte, bleibt weiter arbeitslos. Ihre Kinder werden geringere Chancen in Deutschland haben, schlechtere Bildung erfahren und häufiger krank sein.

Auf der anderen Seite feierten die Milliardäre und Multi-Millionäre, wie die Quandts und Klattens, eine Corona-Party mit massiven Vermögenszuwächsen. Während tausende BMW-Mitarbeiter zu Kurzarbeitergeld verdonnert wurden, zogen die BMW-Eigner hunderte Millionen Euro Dividende aus BMW-Aktien! Und der Knorr Bremse Aktionär Thiele profitierte als Groß-Aktionär von der Lufthansa-Rettung.

Die Vermögenden in Deutschland entstammen meist Familien, die schon vor dem 2.Weltkrieg zu den reichsten Deutschen gehören. Abstammung entscheidet somit über Lebenschancen. Aber die Corona-Krise erzeugt auch neue Gewinner und Verlierer. Wie Jeff Bezos, den CEO von Amazon oder die größten Aktionäre von Pharmaunternehmen, die von staatlicher Förderung der Impfstoffe profitieren.

Die neue Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers und der schweizerischen Großbank UBS zeigt, dass allein das Vermögen der 119 Dollar-Milliardäre in Deutschland seit März 2019 – trotz Krise – bis Ende Juli 2020 um 20 Prozent auf über 594 Milliarden Dollar gestiegen ist. Diese Corona-Party ist nicht das Ergebnis von Leistung, sondern von Besitz.

Gleichzeitig hat die öffentliche Verschuldung massiv zugenommen. Die Kreditobergrenze der Schuldenbremse wurde ausgesetzt, um einen noch tieferen wirtschaftlichen Einbruch abzuwenden, der Unternehmen, Arbeitsplätze und auch Steuereinnahmen vernichtet. Die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft liegen aber ebenso wie die Zinskosten des Bundes weit unter dem Niveau der Finanzkrise. Daher wäre es möglich langfristig aus diesen Schulden herauszuwachsen.

Die LINKE will die Schuldenbremse zu Gunsten der goldenen Regel abschaffen, wonach Kredite im Umfang der Investitionen zulässig sind. Denn wenn etwa der Staat eine Universität baut, die auch noch unseren Enkelkindern nützt, ist es nur sinnvoll, dass sich diese auch über Zinsen und Tilgungen an der Finanzierung beteiligen. Auch der 2 Klimawandel erfordert massive staatliche Investitionen. Um extreme Anpassungskosten an die Erderwärmung für unsere Nachkommen zu vermeiden, dürfen Investitionen nicht auf die derzeitigen Steuereinnahmen begrenzt bleiben.

Gegenwärtig verdient der Staat sogar Geld mit der Kreditaufnahme, denn die Renditen auf Staatsanleihen sind negativ. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit einer Vermögensteuer, um dauerhaft höhere Ausgabe auch für Personal und Sozialleistungen zu finanzieren und der Ungleichheit entgegenzuwirken.

Gleichwohl will die Bundesregierung nach der Bundestagswahl zur Schuldenbremse zurückkehren. Dann droht ein Kürzungshammer bei den Staatsausgaben oder die Steuern müssen erhöht werden. Die Linksfraktion im Bundestag sowie die Rosa Luxemburg Stiftung haben daher das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beauftragt verschiedene Konzepte einer einmaligen Vermögensabgabe für Milliardäre und Multimillionäre (die reichsten 0,7 Prozent der Erwachsenen) durchzurechnen und zu bewerten. Eine solche Abgabe ist in Situationen besonderer Belastungen für die öffentlichen Haushalte statthaft und wird bereits einmal nach dem 2. Weltkrieg unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) als Lastenausgleich erhoben. Die Abgabe wird auf 20 Jahre verteilt, die Einnahmen fließen in den Bundeshaushalt.

Deutschland braucht die Vermögensteuer für Milliardäre und Multimillionäre!

Wachsende Ungleichheit ist kein Naturgesetz. Das macht auch Thomas Piketty deutlich. In der Nachkriegszeit nahm die Ungleichheit ab. Neben Vollbeschäftigung mit guten Löhnen, einem starken Sozialstaat, einer Reform der Einkommensteuer und einer höheren Unternehmenssteuer setzt die LINKE sich deshalb neben einer Vermögensabgabe für eine angemessene Besteuerung von Erbschaften sowie die Wiederbelebung einer permanenten Vermögensteuer ein.

Die Vermögensteuer ist bereits geltender Bestandteil der deutschen Finanzverfassung, wird aber seit 1997 nicht mehr erhoben. Um die massive Ungleichheit zu korrigieren, braucht die Vermögensteuer wieder einen Impuls!

Damit die Vermögensteuer nur die Milliardäre und Multimillionäre zur Kasse bittet, braucht es hohe Freigrenzen für privates und betriebliches Nettovermögen (Vermögen minus Schulden). Dabei sollte der Freibetrag für Betriebsvermögen deutlich höher sein, weil dort Vermögen etwa in Form von Maschinen und Anlagen fest gebunden ist. Die Vermögen liegen also nicht einfach auf dem Konto. Der Freibetrag darf aber auch nicht zu hoch sein, weil sonst Anreize verstärkt werden den Lamborghini zum Dienstwagen (oder: die Luxusvilla zum Firmensitz) zu deklarieren, um ihn der Besteuerung zu entziehen.

Es gibt dabei derzeit eine Faustformel: Je geringer die Vermögen, desto höher der Anteil des Geldvermögens. Und desto geringer die Renditen, die auf diese Vermögen wegen des Niedrigzinsumfelds erzielt werden. Je höher die Vermögen, desto höher auch die durchschnittlichen Renditen. Zudem zeigt die Studie des DIW zur Vermögensabgabe, dass ein erheblicher Teil des Steueraufkommens bei den obersten 0,1 Prozent realisiert wird.

Daher spricht viel für einen progressiven (ansteigenden) Steuerverlauf. Das heißt: wer mehr hat, der zahlt auch höhere Steuersätze. Vereinfacht kann man davon ausgehen, dass ein Prozent Vermögensteuer auf Betriebsvermögen etwa 10 Prozent zusätzlicher Gewinnbesteuerung entsprechen. Hinzu kommen natürlich höhere Steuern für Konzerne und Spitzenverdiener gemäß unseres Steuerkonzept.

Für die Vermögensteuer existieren verschiedene Vorschläge. Der Deutsche Gewerkschafts-bund (DGB) schlägt einen persönlichen Freibetrag von einer Million Euro pro Person vor.[1] Dies bedeutet, wer etwa über ein Netto Vermögen von einer 1,1 Millionen Euro verfügt, muss nur auf 100.000 Euro die Steuer entrichten. Die Steuer beginnt mit einem Prozent und steigt bei sehr großen Vermögen auf 2% an, die ab einem Nettovermögen von einer Milliarde Euro fällig werden. Die geschätzten Einnahmen liegen bei 25 Milliarden Euro pro Jahr.

Der linke US Senator Bernie Sanders zielt mit seinem Vorschlag für eine Vermögensteuer nur auf die reichsten 0,1 Prozent. Sanders Plan sieht eine Freigrenze von 16 Millionen USD pro Person vor. Wer weniger besitzt, der fällt aus der Besteuerung komplett raus. Ab 16 Millionen USD startet die Steuer mit einem Satz von einem Prozent und steigt Stufenweise an: von 2 Prozent für Nettovermögen zwischen 25 und 125 Millionen USD bis zu 8 Prozent ab 5 Milliarden USD.

Wir schlagen einen progressiven Tarif mit einem Freibetrag für Privatvermögen von einer Million Euro pro Person vor. Wer etwa mit einer Eigentumswohnung in der Innenstadt „Papier-Millionär“ ist wird nicht belastet. Dies ist insbesondere wegen der Entwicklung der Immobilienpreise wichtig, die zu massiven Vermögenszuwächsen für Eigenheimbesitzer führten, die aber im Unterschied zu großen Immobilenhaien nicht hohen Renditen einhergehen.

Der Freibetrag für Betriebsvermögen könnte bei 5 Millionen Euro liegen. Dazu soll die Altersvorsorge von der Steuer ausgenommen werden. Der Eingangssteuersatz startet bei 1% und steigt bis zu einem Nettovermögen von 100 Millionen Euro stetig an. Ab 100 Millionen Euro greift dann der Höchststeuersatz von 5%. Das ist angemessen, weil große Vermögen besonders hohe Renditen abwerfen. Zudem ist bei sehr großen Vermögen auch eine Umverteilung zu Lasten von Vermögenssubstanz erforderlich. Die geschätzten Einnahmen liegen dann jährlich bei über 50 Milliarden Euro. Hinzu kommt die Vermögensabgabe von knapp 20 Milliarden Euro jährlich.

Ungleichheit reduzieren, Länder und Kommunen finanziell stärken

Die Einnahmen der Vermögensteuer würden nach Maßgabe der Verfassung an die Bundesländer fließen. Gerade dort werden zusätzliche Einnahmen gebraucht. Denn Länder und Kommunen – die staatsrechtlich Teil der Länder sind – verantworten den Löwenanteil der öffentlichen Daseinsvorsorge und der öffentlichen Investitionen in unserem Land. Damit Länder und Kommunen ihre öffentliche Aufgabe erfüllen können, brauchen sie ausreichend Personal. Dafür benötigen sie ausreichende Einnahmen, um genügend Personal einstellen und angemessen bezahlen zu können.

Für den Neubau von Kindergärten und Schulen, den Ausbau der Pflege und des ÖPNV, des Gesundheitswesens, von Polizei und Rechtsschutz (Gerichtswesen, Justizvollzugsanstalten), aber auch der Bau- und Steuerverwaltung brauchen sie in Zukunft noch deutlich mehr Personal. Das heißt auch: Länder und Kommunen brauchen höhere Einnahmen. Die zusätzlichen Ländereinnahmen aus der Vermögensteuer helfen, diese Lücke zu schließen. Dazu kommt: Im Gegensatz zu Einnahmen aus der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer sind die Einnahmen aus der Vermögensteuer nicht so stark von der Konjunktur abhängig. Sie brechen also nicht weg, wenn die Wirtschaft lahmt. Das ist wichtig, denn Erzieherinnen und Pfleger müssen auch dann bezahlt werden, wenn die Wirtschaft nicht brummt!

Wenn die ökologische Wende gelingen soll, dann muss zudem der massive Investitionsstau dringend abgebaut werden. Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beträgt der Investitionsstau allein bei den Kommunen ganze 147 Mrd. Euro. Deutschland braucht eine Offensive bei den öffentlichen Investitionen in Bildung, Gesundheit, Energie, Verkehr und digitale Infrastruktur. Investitionen schaffen Arbeitsplätze, reizen private Investitionen an und schaffen Vermögen für zukünftige Generationen durch eine bessere Infrastruktur.

Umfragen zeigen: Eine große Mehrheit der Bevölkerung – Anhänger aller Parteien – unterstützt die Forderung nach Einführung einer Vermögensteuer. Je stärker sich die Vermögensteuer auf Jene konzentriert, die über Milliarden und hohe Millionenvermögen verfügen, desto mehr Unterstützung genießt sie in der Bevölkerung!

__________________

[1] Deutscher Gewerkschaftsbund: Gerecht besteuern, in die Zukunft investieren. Steuerpolitische Eckpunkte des DGB zur Bundestagswahl 2017, Juni 2017, S. 25–27.