Wenig Grund zum Feiern: Frauen noch immer Arbeitskraft zweiter Klasse
Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE an die Bundesregierung dokumentiert dramatischen Zuwachs prekärer Beschäftigung bei Frauen
Auch im Jahr 2010 ist Deutschland von einer gleichberechtigten Teilhabe und Emanzipation der Frauen im Erwerbsleben weit entfernt. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Anfrage, die DIE LINKE im Vorfeld des Internationalen Frauentag am 8. März an die Bundesregierung adressiert hat.
In ihrer Antwort hebt die Bundesregierung positiv hervor: „Die Erwerbstätigkeit der Frauen nimmt seit Jahren kontinuierlich und stärker als die der Männer zu“. Aber schaut man genau auf die Arbeitsverhältnisse, wird deutlich, dass dieser Zuwachs fast ausschließlich auf unsichere und schlecht bezahlte Jobs zurück geht.
Trotz steigender Erwerbsquote nahmen die mit Frauen besetzten Vollzeitstellen seit 1999 um rund 640 000 ab, dagegen stiegen die Teilzeitjobs um 1,13 Millionen und die Minijobs seit 2003 um 930 000 zu. Hatten 1998 noch 1,71 Millionen Frauen befristete Arbeitsverträge, waren es 2008 bereits 2,35 Millionen - ein Zuwachs von 37 Prozent. Sogar die Leiharbeit betrifft mit ihrer Ausdehnung auf den Dienstleistungssektor immer mehr Frauen. Die Zahl der Leiharbeiterinnen stieg von 63 488 im Jahr 1999 bis zum Krisenjahr 2008 auf 197 625 - also auf das Dreifache.
Wenig verwunderlich ist deshalb, dass die Zahl der erwerbstätigen Frauen, die so wenig verdienen, dass sie ihr Einkommen durch Hartz IV aufstocken müssen, steigt - seit Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 von 514 168 auf 742 910 im Jahr 2009. Aufstocker sind mehrheitlich weiblich - 2009: 54,4 Prozent -, obwohl deutlich weniger Frauen erwerbstätig sind als Männer.
Für Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., sind diese Zahlen eine Bankrotterklärung für die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sowohl der jetzigen als auch der vorherigen Bundesregierungen: „Die Frauen waren die ersten Opfer der Hartz-Gesetze. Denn diese zielten explizit darauf ab, den Niedriglohnsektor zu fördern. Dieser ist mehrheitlich weiblich besetzt.“
Die Bewertung der Bundesregierung fällt allerdings anders aus. Sie spricht davon, dass „Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse“ die „Partizipation von Frauen vergrößert“ hätte, und kündigt an, an dem Ausbau der Mini-und Midijobs festzuhalten. „Das ist zynisch gegenüber den Frauen, die zu unhaltbaren Zuständen arbeiten, teilweise mit Zweitjobs, weil das Geld nicht reicht. Flexibilität gibt es nur für den Arbeitgeber. Auch bei den Männern greifen solche Arbeitsverhältnisse immer mehr um sich, weshalb es ein gemeinsames Interesse geben muss, dagegen vorzugehen“, hält Zimmermann dagegen.
Weiter dokumentiert die Antwort der Bundesregierung deutlich die große Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist alles andere als selbstverständlich. Vor allem aber sind noch immer Niedriglohnbranchen überproportional stark mit Frauen besetzt: In den zehn Branchen, in denen die meisten Frauen arbeiten, gibt es nur zwei, in denen der Stundenlohn durchschnittlich deutlich über 15 Euro liegt. Bei den Männer-Branchen sind es jedoch acht. Was die gleiche Bezahlung angeht, gehört Deutschland in der Europäischen Union zu den Schlusslichtern. Der durchschnittliche Stundenlohn der Frauen liegt in der EU 17 Prozent unter dem der Männer, in Deutschland sogar 23 Prozent. Noch schlechter sind lediglich Österreich (25,5%) und Estland (30%).
Zimmermann fordert von der Bundesregierung verpflichtende Maßnahmen gegenüber der Wirtschaft. „Schwarz-Gelb spricht nur von Selbstverpflichtungen und Prüfaufträgen. Das geht auf Kosten der Frauen. Der Niedriglohnsektor mit seinen vielen Minijob muss eingedämmt, mehr Vollzeitstellen müssen geschaffen werden. Dazu ist auch ein stärkerer Ausbau der Kindertagesstätten nötig, als von der Bundesregierung beabsichtigt. Andernfalls sind Frauen weiter gezwungen, nur Mini- oder Teilzeitjobs anzunehmen. Und wir brauchen endlich einen gesetzlichen Mindestlohn. Das wäre der schnellste und einfachste Schritt, die Lage der berufstätigen Frauen zu verbessern“, argumentiert Zimmermann.
Die Arbeitsmarktexpertin weist darauf hin, dass Millionen Frauen von einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro profitieren würden, wie ihn DIE LINKE fordert. Denn laut Bundesregierung bezogen nach der letzten Verdienststrukturerhebung (2006) 27,2 Prozent aller Frauen einen Stundenlohn von bis zu 9,85 Euro.
Benachteiligt werden die Frauen auch bei der Arbeitsvermittlung. Ihr Förderanteil an wichtigen Instrumenten liegt deutlich unter dem Beitrag, der ihnen rein zahlenmäßig zu stehen würde. Im Bereich des SGB III 40,6 Prozent verglichen mit einem Anteil der Frauen im Rechtskreis von 44,7 Prozent, im SGB II 42,0 Prozent zu 46,8 Prozent (letzte verfügbare Daten vom Oktober 2009).
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