Der Haushalt 2010 ist kein Kunstwerk!
Rede von Barbara Höll zur dritten Beratung des Haushaltsgesetzes 2010
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Barthle, vorneweg eine Bemerkung: Diesen Haushalt als Kunstwerk zu bezeichnen, ist eine Beleidigung der Kunst.
(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle (CDU/CSU): Im Gegenteil!)
Die Bundeskanzlerin nannte am Mittwoch hinsichtlich der Verschuldung zwar Zahlen. Das war aber nicht einmal die halbe Wahrheit; denn gerade in der Debatte über den Bundeshaushalt müssen wir die Situation des gesamten Gemeinwesens im Blick haben. Genau in diesem Moment beträgt die Verschuldung der öffentlichen Haushalte 1,684689 Billionen Euro. Die letzten Zahlen ändern sich so schnell, dass ich sie hier gar nicht vorlesen kann. Die Schulden nehmen pro Sekunde um 4 481 Euro zu. Das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung in Höhe von 20 610 Euro. Das sind die Fakten, denen wir uns stellen müssen.
Sie aber betreiben eine Politik nach dem Sankt-Florian-Prinzip verschon’ mein Haus, zünd’ andre an , indem Sie die Belastungen auf die Länder und insbesondere die Kommunen, auf die Bürgerinnen und Bürger abwälzen. So haben Sie zum Beispiel den Zuschuss des Bundes für die Unterkunftskosten der Bezieherinnen und Bezieher von Hartz-IV-Leistungen rückwirkend ab Januar gekürzt, und zwar von 26 Prozent auf 23,6 Prozent.
(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Unglaublich!)
Das heißt, Sie lassen die Kommunen auf Problemen sitzen, die sie weder verursacht haben noch lösen können. Gerade für Städte wie meine Heimatstadt Leipzig bedeuten diese verringerten Bundeszuschüsse enorme Mehrkosten. Das geht zulasten der Erfüllung von freiwilligen Aufgaben wie Kultur und Sport, aber auch Bildung insbesondere der jüngeren Generation.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fordern Sie auf: Sorgen Sie für die Umsetzung der finanziellen Eigenverantwortung der Kommunen. Geben Sie ihnen ausreichende Möglichkeiten zur Selbstfinanzierung. Wandeln Sie die Gewerbesteuer in eine Gemeindewirtschaftsteuer um. Unser Vorschlag dazu liegt auf dem Tisch.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie sparen bei den Kommunen; Sie sparen aber auch an vielen anderen Stellen. Herr Bundesfinanzminister Schäuble sagte, dieser Haushalt sei ein Haushalt der Notwendigkeit. Da stellt sich schon die Frage: Sind alle Dinge, die im Haushalt zu finden sind, notwendig? Ist der Eurofighter notwendig,
(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Nein!)
der untaugliche NATO-Hubschrauber,
(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Nein!)
das Großraumtransportflugzeug A400M?
(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Nein!)
Wir als Linke sagen klar: Nein.
(Beifall bei der LINKEN)
Notwendig sind lebenswerte Kommunen, in denen sich alle Bürgerinnen und Bürger, Kinder, Rentner, Kulturschaffende und Arbeiter, wohlfühlen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Merkel, Ihrer Regierung und Ihrer Koalition fällt nichts weiter ein als Sparmaßnahmen auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung. Am Mittwoch kündigten Sie notwendige jährliche Einsparungen in Höhe von 10 Milliarden Euro an. Die Vermögenden und die Unternehmen werden sicher nicht belastet werden.
Ich möchte ein Beispiel aus diesem Haushalt nennen. Es gab einmal einen Goldenen Plan Ost wir waren immer für einen Goldenen Plan Ost und West für die Förderung von Sportstätten. Dafür waren 2 Millionen Euro vorgesehen. Diese sind in der letzten Sitzung, der Bereinigungssitzung, gestrichen worden. Dadurch können in den neuen Bundesländern jährlich drei bis vier Sportstätten nicht mehr saniert werden.
Diese Sanierung aber wäre lebenswert, nicht der Eurofighter.
(Beifall bei der LINKEN - Norbert Barthle (CDU/CSU): Wozu haben wir denn ein Konjunkturprogramm?)
Wir suchen trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vergebens eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder. Wir suchen vergebens die überfällige Angleichung des Rentenwertes Ost an den Rentenwert West. Ebenso suchen wir vergebens die Schließung der Überführungslücke im Rentenrecht. Ich kann Ihnen sagen: Die in der DDR geschiedenen Frauen sind sehr verbittert, dass diese Regierung scheinbar auf eine biologische Lösung hofft.
Trauen Sie sich doch endlich einmal an den Geldbeutel derjenigen heran, die das finanziell locker verkraften: an die Profiteure der Finanzkrise, Vermögende und Spitzenverdiener! Die Idee einer Bankenabgabe ist endlich auch bei Ihnen angekommen; aber mit der Umsetzung lassen Sie sich fahrlässig viel Zeit. Angekündigt ist wieder: irgendwie vor dem Sommer, vielleicht, ein bisschen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zudem spielen Sie die Bankenabgabe auch noch gegen die notwendige Finanztransaktionsteuer aus, statt die Kraft und den Mut zu entwickeln, beides durchzusetzen; denn beides ist notwendig, um Finanzmärkte zu regulieren, Spekulationen zu begrenzen und Einnahmen zu erzielen. Doch Ihnen fällt lediglich eine Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung ein, sozial ungerecht wie Ihre gesamte Politik.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fordern Sie als Linke auf: Führen Sie endlich den gesetzlichen Mindestlohn ein,
(Beifall bei der LINKEN)
da auch dadurch die sozialen Sicherungssysteme gestärkt und die Steuereinnahmen erhöht werden! Ein Mindestlohn gibt vielen Menschen ihre Würde zurück - das sollte für uns entscheidend sein ,
(Beifall bei der LINKEN)
Menschen, die heute trotz Erwerbsarbeit auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Des Weiteren würde ein gesetzlicher Mindestlohn dafür sorgen, dass die Binnennachfrage gestärkt wird und Handelsungleichgewichte abgebaut werden.
Damit sind wir beim Thema Gerechtigkeit. Gerechtigkeit heißt auch, gerecht zu besteuern. Ihr laut Koalitionsvertrag geplanter Stufentarif für die Einkommensteuer, von dem wir nicht wissen, wann er kommen wird, ist alles andere als gerecht. Jeder Stufentarif verstößt gegen das Gerechtigkeitsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit; denn er entlastet vorrangig Bezieher hoher Einkommen und reißt riesige Finanzlöcher, die im Endeffekt zu weiteren Einsparorgien führen. Laut Bundesfinanzministerium ist zumindest der FDP diese Entlastung der Reichen 67 Milliarden Euro wert. Dabei muss der Bund in diesem Haushalt 80 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Trotzdem sind Sie der Ansicht, dass Sie die 67 Milliarden Euro für den Stufentarif aufbringen können, nach dem Motto: Das Geld haben wir locker, auch wenn wir uns wieder Geld borgen müssen.
Besteuern Sie endlich Kapitalerträge genauso hoch wie Lohneinkommen! Die Abgeltungsteuer gehört abgeschafft. Erhöhen Sie den Spitzensteuersatz! Heben Sie die Körperschaftsteuersätze an! Drücken Sie bei der Bankenabgabe und der Finanztransaktionsteuer aufs Tempo! Und erheben Sie endlich wieder die Vermögensteuer!
(Beifall bei der LINKEN)
Dadurch ließen sich die 25 Milliarden Euro für Kinderbetreuung, die Anhebung des Rentenwertes Ost auf das Niveau West, einen Hochschulpakt und die Aufstockung der Hartz-IV-Regelsätze locker finanzieren.
Herr Barthle, es ist schlicht gelogen, wenn Sie am Ende der Haushaltsberatungen sagen, wir hätten keine Gegenfinanzierungsvorschläge gemacht.
(Norbert Barthle (CDU/CSU): Eine Streichorgie bei der Bundeswehr! Das habe ich doch gesagt!)
Eine Vielzahl von Vorschlägen liegt auf dem Tisch. Man muss sich natürlich die Mühe machen, diese zu lesen und vielleicht auch geistig zu verarbeiten.
(Beifall bei der LINKEN Norbert Barthle (CDU/CSU): Nehmen Sie das zurück!)
Tun Sie nicht so, als ob es keine Vorschläge gäbe! Wir Linken bieten konkrete Alternativen für eine sozial gerechte, demokratische Politik. Ihren Haushalt können wir nur ablehnen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)
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