»Knast und Krematorium. Sonst bleibt nicht viel in meinem Wohngebiet.«

Von Ulla Lötzer und Axel Troost

30.03.2010

Museum oder Schwimmbad. Bibliothek oder Sozialstation. Das eine oder das andere. Vor solch absurden Alternativen stehen viele Städte in Deutschland, weil die Einnahmen der Kommunen in dramatischer Weise sinken. Giftlisten kursieren in den Rathäusern. Mit all dem, was demnächst gestrichen oder gekürzt werden soll. Die Wirtschaftskrise und die falsche Steuerpolitik der vergangenen Jahre bis hin zu den letzten Steuersenkungen von Union und FDP sorgen für tiefe Löcher in den Haushalten.

»Ohne Moos nix los«. So lautete der passende Titel einer kommunalpolitischen Konferenz der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Über 100 Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfallen und anderen Bundesländern diskutierten am vergangenen Wochenende in Essen, welche Folgen die prekäre Finanzlage hat und wie aus dem parteiübergreifenden Unmut Widerstand werden kann. »Wir werden alles tun, um den Protest gegen die unhaltbaren Zustände in den Bundestag zu tragen«, sagte Gesine Lötzsch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Beispiel Wuppertal. Hier geht es unter anderem um fünf Schwimmbäder und zwei Bibliotheken, die geschlossen werden sollen, und um die Streichung von 1.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Die Ausbildung von Nachwuchskräften soll sogar komplett auslaufen, so die Vorgabe der schwarz-gelben Landesregierung. Keine Ausbildung, also keine Zukunft für öffentliche Dienstleistungen, also privatisieren. Man ahnt, welches Lied hier angestimmt werden soll.

Beispiel Remscheid. Die traditionsreiche Industriestadt ist schon heute fast handlungsunfähig. Burkhard Mast-Weisz, Stadtdirektor in Remscheid, nennt die Zahlen. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer brechen ein, von 80 Millionen Euro (2008) auf geschätzte 30 Millionen in diesem Jahr. Das Defizit der Stadt steigt – bei einem Etat von 320 Millionen Euro – auf 100 Millionen. Zum Vergleich: Remscheid hat Personalkosten von 90 Millionen. »Selbst wenn wir sämtliche öffentlich Bediensteten entlassen würden, hätten wir immer noch ein Minus. So drastisch ist unsere Situation«, resümiert Stadtdirektor Mast-Weisz und zitiert einen Bürger aus Remscheid: »Knast und Krematorium. Sonst bleibt nicht viel in meinem Wohngebiet.«

Wenn elementare Dienstleistungen nicht mehr angeboten werden, wenn Städte die Kürzungsvorgaben der Kommunalaufsicht zu exekutieren haben, dann wird die kommunale Selbstverwaltung zur Farce. Das bleibt auch der Bundesregierung nicht verborgen. »Aber sie tut nichts, um den kommunalen Notstand zu entschärfen, sondern beruft nur zur Beruhigung eine Kommission ein«, so kommentiert Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, die Reaktion von Union und FDP. Außerdem sei zu befürchten, dass die neu gebildete Kommission nicht Vorschläge zur Stärkung, sondern zur weiteren Schwächung der Kommunalfinanzen auf den Tisch legen werde. Denn das Kalkül von Schwarz-Gelb sei klar: mit dem Rücken zur Wand werden die Städte wieder gezwungen sein, ihr Vermögen, ihre kommunalen Unternehmen zu verkaufen, obwohl deutliche Mehrheiten in der Bevölkerung solche Privatisierungen nicht wollen.

Diesen Zynismus kritisierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz in einer gemeinsamen Resolution: »Angesichts der milliardenschweren Bankenrettung durch Bundesmittel ist es blanker Hohn, dass nicht die leisesten Anstrengungen unternommen werden, die Schlaglöcher in den kommunalen Haushalten zu beseitigen.« Und deshalb fordert DIE LINKE eine umgehende Kompensation der Steuerausfälle, die den Städten und Gemeinden ohne eigenes Verschulden entstanden sind. Darüber hinaus bedarf es einer grundlegenden und langfristig angelegten Stärkung der Kommunalfinanzen.
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