G20 muss in Sachen Finanztransaktionssteuern aktiv werden
Erklärung der internationalen Zivilgesellschaft anlässlich des G20-Gipfels in Seoul
Wir, die unterzeichneten zivilgesellschaftlichen Organisationen aus 23 Ländern, fordern die Spitzen der G20 dringend auf, sich bei ihrem anstehenden Gipfel in Seoul auf konkrete Fortschritte bei der Einführung einer international abgestimmten Finanztransaktionssteuer zu verständigen.
Unsere Organisationen argumentieren seit Langem, dass derartige Steuern eine praktische Möglichkeit bieten, um Ressourcen aufzubringen und somit nationale und internationale Finanzierungslücken zu schließen, um die Art kurzfristiger Finanzspekulationen zu verhindern, die einen geringen sozialen Wert haben, aber eine erhebliche Gefahr für die Wirtschaft darstellen, und um die so dringend benötigten und nachhaltigen Mittel für die Gesundheits- und Entwicklungsfinanzierung aufzubringen. Die Argumente für eine Finanztransaktionssteuer haben in den letzten Monaten zum Teil von unerwarteter Seite neuen Auftrieb erhalten. Mehrere Entwicklungen haben zur Schaffung einer soliden Grundlage beigetragen, auf der von der bloßen Diskussion verschiedener Möglichkeiten zu praktischen Maßnahmen übergegangen werden kann:
Von der G20 in Auftrag gegebene Untersuchungen des IWF bestätigen die technische Realisierbarkeit von Finanztransaktionssteuern
Bei ihrem Gipfel 2009 in Pittsburgh hat die G20 den Internationalen Währungsfonds (IWF) beauftragt, einen Bericht über verschiedene Möglichkeiten der Besteuerung des Finanzsektors zu erstellen. Obwohl in dem im Juni 2010 vorgelegten Bericht des IWF andere Optionen bevorzugt wurden (lediglich 3 der 74 Seiten waren Finanztransaktionssteuern gewidmet), wurde deren administrative Realisierbarkeit bestätigt. (1) In einem Folgebericht des IWF wurde zudem darauf hingewiesen, dass in den meisten G20-Ländern bereits unterschiedliche Arten einer Finanztransaktionssteuer angewandt würden, und es wurden nützliche Informationen dazu geliefert, wie derartige Steuern mit Blick auf ihre größtmögliche Wirksamkeit gestaltet werden können. Der Bericht bestätigte ferner, dass diese Steuern beträchtliche Einnahmen einbringen können. (2)
Bericht der ‘Leading Group on Innovative Financing’ befürwortet eine Form von Finanztransaktionssteuer
Im Juli 2010 bestätigte eine Gruppe internationaler Finanzexperten die Denkbarkeit einer Besteuerung von Finanztransaktionen, um die gegenüber den Entwicklungsländern gemachten internationalen Zusagen in Bezug auf das Gesundheitswesen und die Entwicklung zu finanzieren. Die Sachverständigen waren beauftragt worden, eine Durchführbarkeitsstudie für 12 Regierungen (Deutschland, Großbritannien, Japan, Frankreich, Belgien, Korea, Norwegen, Senegal, Brasilien, Spanien, Österreich und Chile) zu erstellen. Diese Länder gehören der "Leading Group on Innovative Financing for Development" an, einer Pilotgruppe für innovative Entwicklungsfinanzierung, in der 60 Nationen vertreten sind (darunter 75% der G20-Mitgliedsstaaten). In ihrem Bericht verweisen die Experten auf Devisentransaktionen zwischen den Banken als einfachste Möglichkeit der Erhebung einer Solidaritätssteuer. Ihren Berechnungen zufolge würde eine extrem geringe Steuer von lediglich 0,005% auf derartige Transaktionen 33 Milliarden US-Dollar pro Jahr einbringen.(3)
Europäische Union and Hochrangige Beratergruppe der UNO zur Frage der Finanzierung des Klimawandels beraten über Finanztransaktionssteuer
Die Europäische Kommission erwägt unterdessen die Möglichkeit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene, nachdem sich das Europäische Parlament Anfang dieses Jahres dafür ausgesprochen hat. In einem Bericht der EU-Kommission heißt es, dass mit einer solchen Steuer je nach der Höhe und dem Geltungsbereich potenziell mehr als eine Billion Dollar pro Jahr aufgebracht werden könne.(4) Mit der Frage einer Finanztransaktionssteuer befasst sich zudem die Hochrangige Beratergruppe des UNO-Generalsekretärs zur Finanzierung des Klimawandels. Die Beratergruppe, der Staatschefs, hochrangige Vertreter von Ministerien und Zentralbanken sowie weitere Finanzexperten angehören, wird vermutlich Ende Oktober 2010 einen Bericht über die Finanzierungsmöglichkeiten in diesem Bereich veröffentlichen.
Finanztransaktionssteuern werden dringender gebraucht denn je
Finanztransaktionssteuern sind eine der wenigen verfügbaren Möglichkeiten zur Aufbringung der enormen finanziellen Ressourcen, die erforderlich sind, um für die anhaltenden Kosten der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise aufzukommen, einschließlich der Eindämmung der unannehmbar hohen Arbeitsplatzverluste, sowie um die zentralen Entwicklungs-, Gesundheits-, Bildungs- und Klimaschutzziele in den Entwicklungsländern zu erreichen. Auf diese Weise könnten Hunderte Milliarden Dollar unerschlossene Ressourcen nutzbar gemacht werden. Diese zusätzlichen Mittel sind neben der offiziellen Entwicklungshilfe erforderlich, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Alternative Möglichkeiten der Besteuerung des Finanzsektors, wie vom IWF vorgeschlagen, würden bei Weitem nicht das erforderliche Volumen erreichen. Von genauso großem Interesse ist der potenzielle Beitrag von Finanztransaktionssteuern zur Förderung der Marktstabilität, da sich die Welt inzwischen der Gefahren des automatisierten Handels, der die Finanzmärkte immer mehr beherrscht, bewusster geworden ist. Selbst extrem geringe Transaktionssteuersätze würden die Anreize zu derartigen Spekulationsgeschäften mindern.
Bei dem jüngsten UNO-Gipfel über die Millenniums-Entwicklungsziele hat der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy die sehr zu begrüßende Zusage gemacht, während seines G20-Vorsitzes im Jahr 2011 auf eine Einigung in Sachen Finanztransaktionssteuer zu drängen. Es gibt jedoch keinen Grund für weitere Verzögerungen. Wir fordern die G20 auf, bereits bei ihrem Gipfel in Seoul in dieser kritischen Frage aktiv zu werden.
Unterzeichner:
International/Regional:
International Trade Union Confederation (ITUC)/ Internationaler Gewerkschaftsbund (IGB) Trade Union Advisory Committee to the OECD (TUAC)/ Gewerkschaftlicher Beratungsausschuss bei der OECD (TUAC) European Federation of Public Service Unions (EPSU) WWF International Education International (EI) Global Campaign for Education (GCE) Feminist Task Force (GCAP) International Union of Food, Agricultural, Hotel, Restaurant, Catering, Tobacco and Allied Workers’ Association (IUF) ActionAid International (AAI) Oxfam International (OI)
National:
AFL-CIO, USWEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung, Germany Make Poverty History, Canada Institute for Policy Studies, Global Economy Project, US Dutch Platform on Sustainable and Solidarity Economy, the Netherlands Oikos Foundation (Dutch member, Tax Justice Network), the Netherlands RESULTS, Canada World Development Movement, UK Both ENDS, the Netherlands The National Union of Public and General Employees, Canada War on Want, UK CRBM, Italy Service Employees International Union (SEIU), US Australian Council of Trade Unions (ACTU), Australia New Zealand Council of Trade Unions Te Kauae Kaimahi, New Zealand The International HIV/AIDS Alliance, UK African Initiatives, UK Article 12 in Scotland, UK University and College Union (UCU), UK Grassroots International, US Bond, UK Treatment Action Group (TAG), US General Secretary National Union of Teachers. UK United Methodist Church, General Board of Church and Society, US Share The World’s Resources (STWR), UK Public Citizen, US Italian General Confederation of Labour, Italy Ecologistas en Acción, Spain Health GAP (Global Access Project), US KAIROS Canadian Ecumenical Justice Initiatives, Canada Victoria AIDS Resource & Community Service Society, Canada The Canadian HIV/AIDS Legal Network, Canada Nationwide Group Staff Union, UK Friends of the Earth, Sierra Leone Africa Europe Faith Justice Network, UK TB Alert, UK UNI-Korea Liaison Council, South Korea CS de Comisiones Obreras (CS CCOO), Spain Lokoj Institute, Bangladesh Instituto del Tercer Mundo, Uruguay Jubilee Australia IBON, Philippines Trades Union Congress (TUC), UK KRuHA-People's Coalition for the Right to Water, Indonesia The National Union of Journalists, UK Canadian Union of Public Employees (CUPE), Canada Halifax Initiative, Canada ABVV/FGTB, Belgium Alliance Sud--the Swiss Coalition of Development Organisations, Switzerland Institute for Agriculture and Trade Policy, US Norwegian Forum for Environment and Development, Norway Aktionsbündnis gegen AIDS, Germany The International HIV/AIDS Alliance, UK The Stop AIDS Alliance, Belgium Spire, the Development Fund's Youth, Norway Robin Hood Tax Campaign, UK Stamp out Poverty, UK ATTAC, France Catholic Agency for Overseas Development (CAFOD), England and Wales International HIV/AIDS Alliance, UK RESULTS, UK Global Health Advocates (Avocats pour la Santé dans le monde), France ATTAC, Denmark Lunaria, Italy ATTAC Québec, Canada The Christian Socialist Movement (CSM), UK Kepa, Service Centre for Development Cooperation, Finland Fundación Primero de Mayo (First of May Foundation), Spain
1 Internationaler Währungsfonds, “A Fair and Substantial Contribution by the Financial Sector: Final Report for the G20”, Juni 2010. http://www.imf.org/external/np/g20/pdf/062710b.pdf
2 International Monetary Fund, “Taxing Financial Transactions: Issues and Evidence,” Chapter 8 of Financial Sector Taxation: The IMF's Report to the G-20 and Background Material, September 2010. http://www.imf.org/external/np/seminars/eng/2010/paris/pdf/090110.pdf
3 Bericht des Sachverständigenausschusses der Taskforce on International Financial Transactions and Development, “Globalizing Solidarity: The Case for Financial Levies”, 16. Juli 2010. http://www.leadinggroup.org/article668.html
4 Arbeitsdokument der Kommission, “Innovative financing at a global level”, Brüssel, 4. Januar 2010.
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