Axel Troost ist Ökonom und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag
Ein Gespenst geht um in Europa – der Zusammenbruch der Einheitswährung Euro. Ist für Sie die Bedrohung real?
Wenn sich nichts ändert und die Regierenden so weitermachen, ist der Euro zumindest mittelfristig gefährdet.
Die Staatsschulden könnten zum Kollaps der Währung führen. Wie kam es dazu?
Eine Reihe von Ländern sind massiver Spekulation ausgesetzt. Man kann aber die Lage beispielsweise Griechenlands und Irlands überhaupt nicht miteinander vergleichen. Athen hatte schon lange ein Haushaltsproblem. Bis zur Finanzkrise war Irland davon aber gar nicht betroffen. Dort hat erst die folgende Bankenrettung die momentanen Schwierigkeiten verursacht. Portugal und Spanien sind möglicherweise die nächsten Opfer der Spekulation. Ohne die ständigen Versuche, diese Länder mit Finanzwetten in den Ruin zu treiben, hätten wir die heutigen Probleme aber nicht. Nun benötigen wir einen Schutzschirm.
Woher kommen denn die Mittel der Spekulanten? Erst vor zwei Jahren mußten die Nationalstaaten doch die Finanzmärkte aus einer drohenden Implosion herauspauken.
Soviel Geld wurde in der Finanzkrise nicht vernichtet, denn nach wie vor kreisen täglich viele Billionen Dollar um den Globus und suchen nach spekulativen Anlagen. In den letzten beiden Jahren hat sich außerdem wieder viel überschüssiges Kapital aufgebaut. Die Händler an den Finanzmärkten interessiert es dabei gar nicht, ob sie früher vielleicht einmal von den Nationalstaaten gerettet wurden.
Also verwenden die Kapitalmarktakteure die Rettungsgelder der Staaten, um gegen die Defizite zu spekulieren, die durch die Schutzschirme erst entstanden sind?
Das wäre zu kurz gegriffen. Gerettet wurden zunächst die großen Geschäftsbanken. Die Spekulation geht eher von Hedgefonds und sonstigen institutionellen Anlegern aus, die nach Schnäppchen jagen.
Über die Finanzmärkte wird derzeit viel diskutiert. Einige Ökonomen machen aber die deutsche Außenhandelspolitik für die Defizite im Euro-Raum verantwortlich. Stimmt das?
Sicher. Die Geldtransfers bilden nur die Oberfläche, die wahren Ursachen liegen in der unausgeglichenen europäischen Handelspolitik. Einige Länder – wie Griechenland – haben riesige Defizite. Besonders die Bundesrepublik hat diese Staaten aber mit ihren Exporten erst in Schwierigkeiten gebracht. Im Rahmen einer Solidargemeinschaft wäre es deshalb nur vernünftig, wenn die BRD an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligt würde.
Die Bundesregierung stellt die Exportüberschüsse aber als ein Zeichen der Stärke dar ...
Natürlich ist es eine Stärke der deutschen Wirtschaft, gute Produkte herzustellen. Auf diese Arbeitsleistung darf man auch stolz sein – nicht aber auf das Lohndumping, das Deutschland betreibt. Über viele Jahre wurde der verteilungsneutrale Spielraum – also Inflationsausgleich plus Produktivitätszuwachs – nicht ausgeschöpft. Dadurch sinken die Lohnstückkosten, während die europäischen Nachbarn ihre Arbeitsbevölkerung am Wohlstandszuwachs beteiligen. Die Exportstärke hängt also an der Lohndrückerei.
Von allen europäischen Staaten hat die BRD die geringsten Lohnstückkosten. Wenn aber die Lohnkosten pro Stück fallen, steigt der Gewinn. Wie wirkt sich das auf die Preise aus?
Im Inland steigt der Profit. Gegenüber dem Ausland werden die deutschen Güter aber relativ billiger, weil dort die Löhne verteilungsneutral gestiegen sind. Damit sind deutsche Produkte gegenüber griechischen, aber auch französischen oder anderen Waren konkurrenzfähiger.
Was kann die schwarz-gelbe Bundesregierung tun, um die Löhne real wieder steigen zu lassen? Immerhin herrscht hierzulande Tarifautonomie.
Direkt einmischen kann die Regierung sich nicht. Mit der Fortführung von Agenda 2010 und Hartz IV hat sie die Belegschaften und Gewerkschaften so geschwächt, daß diese keine wirksamen Tarifkämpfe führen konnten. Deshalb brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn, um eine Untergrenze für das Lohnniveau zu schaffen. Den Gewerkschaften muß es gelingen bessere Tarife durchzusetzen. Tatsächlich benötigte Abschlüsse von rund fünf Prozent werden wir aller Voraussicht nach leider nicht erleben.