OVG legt kommunalen Finanzausgleich dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vor
Pressemitteilung Nr. 5/2011
Die den Landkreisen gewährten sog. Schlüsselzuweisungen haben im Jahre 2007 nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene kommunale Finanzausstattung verstoßen. Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes über die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz vereinbar sind.
I.
Das Land Rheinland-Pfalz hat die dem Landkreis Neuwied nach dem Landesfinanzausgleichsgesetzes zustehenden Schlüsselzuweisungen, welche insbesondere dem Ausgleich von Finanzkraftunterschieden zwischen den kommunalen Gebietskörperschaft dienen, für das Jahr 2007 auf 14,5 Mio. ¤ festgesetzt. Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher der Landkreis höhere Zuweisungen begehrt, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht ist demgegenüber zum Ergebnis gelangt, die im Jahre 2007 den Landkreisen gewährten Schlüsselzuweisungen stünden mit der in der Landesverfassung enthaltenen Garantie einer angemessenen kommunalen Finanzausstattungsgarantie nicht in Einklang. Es hat das Verfahren ausgesetzt und dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die Regelungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes über die Schlüsselzuweisungen zur abschließenden verfassungsrechtlichen Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Landesverfassung garantiere den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine angemessene Finanzausstattung. Nur auf der Grundlage ausreichender Finanzmittel könne sich die kommunale Selbstverwaltung wirksam entfalten. Der Umfang einer angemessenen Finanzausstattung sei nicht allein aus der Sicht der kommunalen Erfordernisse, sondern auch unter Berücksichtigung der finanziellen Belange von Bund und Ländern zu bestimmen. Allerdings sei die kommunale Finanzausstattung nicht mehr angemessen, wenn den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine der Landesverfassung entsprechende Betätigung der kommunalen Selbstverwaltung nicht mehr möglich sei und die Finanzausgleichsleistungen auch unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes gegen den Grundsatz der Verteilungssymmetrie verstießen.
Nach dem Gebot der Verteilungssymmetrie müssten die begrenzt verfügbaren Finanzmittel zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen aufgabengerecht verteilt werden. Dabei sei der Anstieg der Ausgaben der kommunalen Gebietskörperschaften, welche auf der Wahrnehmung gesetzlich übertragener Aufgaben beruhten, bei der Bemessung der Finanzausgleichsmittel angemessen zu berücksichtigen. Insofern könne sich das Land nur eingeschränkt auf seine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit berufen. Ein angemessener Ausgleich des Anstiegs von Ausgaben, welche sich der Einflussnahme durch die Kommunen entzögen, sei insbesondere hinsichtlich der Aufwendungen der Landkreise für Soziales verfassungsrechtlich geboten. Angemessen in diesem Sinne sei eine prozentuale Steigerung der Schlüsselzuweisungen, die jedenfalls die Hälfte der prozentualen Steigerung der Sozialaufwendungen ausmache. Die Ausgleichspflicht des Landes besteht im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs auch für Aufwendungen der kommunalen Gebietskörperschaften, die durch Bundesgesetze veranlasst seien.
2. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine angemessene Finanzausstattung erfüllten die im Jahre 2007 den Landkreisen gewährten Schlüsselzuweisungen nicht. Die Finanzsituation der Gesamtheit der Landkreise sei seit Jahren von höheren Ausgaben als Einnahmen gekennzeichnet. Die Gesamtverschuldung habe sich von mehr als 663 Mio. ¤ im Jahre 1990 auf 1,67 Mrd. ¤ erhöht. Ursache dieser Entwicklung seien in erster Linie die Sozialausgaben, welche 1990 ca. 253 Mio. ¤ betragen und sich bis 2007 auf mehr als 1 Mrd. ¤ vervierfacht hätten. Mit diesem Anstieg hätten die Schlüsselzuweisungen auch bei Berücksichtigung der angespannten Finanzsituation des Landes (Gesamtschuldenstand im Jahre 2007: mehr als 27 Mrd. ¤) nicht angemessen Schritt gehalten. Denn während die Sozialausgaben der Landkreise von 1990 bis 2007 um 325 % gestiegen seien, habe das Land im gleichen Zeitraum die Schlüsselzuweisungen lediglich um 27 % erhöht. Damit habe es gegen den Grundsatz der Verteilungssymmetrie verstoßen.
3. Eine verfassungsgemäße Finanzausstattung könne angesichts der niedrigen Ausgaben für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben und der hohen Gesamtverschuldung auch nicht durch Einsparungen der Landkreise erreicht werden. Entsprechendes gelte für zusätzliche Erhöhungen der Kreisumlage. Diese sei bereits durchschnittlich etwa im gleichen Umfang wie die Gesamtausgaben gestiegen. Im Übrigen wirkten sich Umlagesteigerungen zu Lasten der kreisangehörigen Gemeinden und Verbandsgemeinden aus, die ebenfalls seit Jahren eine hohe Gesamtverschuldung aufwiesen.
Beschluss vom 15. Dezember 2010, Aktenzeichen: 2 A 10738/09.OVG
Hintergrund:
Nach
der Landesverfassung ist das Oberverwaltungsgericht, ebenso wie die
anderen Instanzgerichte, nicht befugt, abschließend über die
Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu befinden. Hält ein Gericht ein
Landesgesetz (wie hier das Landesfinanzausgleichsgesetz), auf dessen
Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, mit der Landesverfassung
nicht für vereinbar, ist das Verfahren deshalb auszusetzen und die
Entscheidung des Verfassungsgerichtshof einzuholen.
Quelle: http://www.justiz.rlp.de/
Ähnliche Artikel
- 15.12.2008
- 21.11.2010
- 08.11.2010
- 20.08.2010
- 09.06.2010