Globale Gewichte im Fluss
Kolumne von Christa Luft
Die weltgrößte Volkswirtschaft ist an der Zahlungsunfähigkeit vorbeigeschrammt. Der demokratische US-Präsident und seine republikanischen Widersacher einigten sich auf die Anhebung der Staatsschuldengrenze bis zu einer Höhe, dass die USA »durch das Wahljahr 2012 kommen können«.
Was als Kompromiss verkauft wurde, ist eine fiskalische Bremse, kein Reformprogramm. Nachhaltige Lösungen für die Haushaltsmisere sind nicht in Sicht. Der Präsident hat sich dem Diktat der Ultra-Rechten gebeugt: Schutz der Einkommens- und Vermögensmillionäre sowie der Konzerne vor Steuererhöhungen, dafür Kürzung von Sozial- und Gesundheitsprogrammen für Bedürftige und Streichung öffentlicher Investitionen.
Im Kampf der Ideologien triumphiert die neoliberale, auf den Rückzug des Staates zugunsten des ungezügelten Marktes setzende Wirtschaftslehre. Damit hatte schon George Bush sein Land in ein Schuldenmeer getrieben: massive Steuersenkungen für Wohlhabende, freie Hand für Pharmakonzerne bei der Preisfestsetzung, was die Kosten im Gesundheitswesen explodieren ließ, Kriegsführung und ausufernder Militärhaushalt, der ein Viertel der gesamten Staatsausgaben ausmacht (und auch jetzt nur um einen Bruchteil abgesenkt werden soll).
Obamas Vorgänger erhöhte die Schuldenobergrenze in seiner Amtszeit sieben Mal, seit 1917 wurde sie unter Präsidenten beider Parteien insgesamt 107 Mal angehoben. Ein Privileg der Vereinigten Staaten ist, dass sie mit dem Dollar als internationaler Leitwährung in eigenem Geld Schulden aufnehmen und diese per Notenpresse entwerten können. Besonders seit Aufkündigung des Systems von Bretton Woods (1971), das die jederzeitige Umtauschmöglichkeit von auf Dollar lautenden Forderungen in Gold vorsah, machen sie vom Leben auf Pump hemmungslos Gebrauch.
Infolge drastischer Ausgabenkürzungen und Verzicht auf Einnahmenerhöhungen wird die private und öffentliche Nachfrage schrumpfen, die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit weiter steigen. Offen ist zudem, ob weitere Ratingagenturen die Bonität der USA absenken, was die Kosten für die Kreditaufnahme enorm verteuern und die Etatschieflage verschärfen würde. Den USA droht die Rezession. Als internationaler Konjunkturmotor fällt das Land aus.
Zwischen Sorge und Häme verfolgen ausländische Gläubiger die Vorgänge in Washington. Allen voran China – die Volksrepublik hat gut die Hälfte ihrer Devisenreserven von über drei Billionen Dollar in US-Staatsanleihen angelegt. Eine Schwächung des Greenback würde auch die chinesischen Ersparnisse entwerten. Das Land will daher den Trend zu steigenden Investitionen in US-Dollar überprüfen. Zu erwarten ist auch eine erneuerte Initiative, den Greenback als internationale Leitwährung durch einen Korb verschiedener Währungen zu ersetzen, zu denen der eigene Renminbi gehören soll. Bestärkt sieht sich die chinesische Führung in der Position, dass für politische Reformen das amerikanische System mit dem Glauben an den ungezügelten Markt nicht Pate stehen kann.
Eine Alternative zum Dollar als Leitwährung fordert auch der russische Premier, dessen Land mit drei Prozent an den US-Auslandsschulden beteiligt ist. Japan, der zweitgrößte Auslandsgläubiger der USA, zeigt sich ebenfalls skeptisch gegenüber dem jüngstem Schuldendeal und sieht das Problem nur verschoben.
Es wird nicht bei verbalen Attacken zwischen den Weltwirtschaftszentren nicht bleiben. Absehbar sind reale Verschiebungen in deren Gewicht zugunsten Asiens, besonders Chinas.
In der wöchentlichen ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.
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