Stange: Gesetzentwurf bei interner Anhörung durchgefallen, trotzdem Landtag vorgelegt – Minister arrogant und ignorant
Rede von Enrico Stange (DIE LINKE) zum Gesetzentwurf der Staatsregierung „zur Finanzierung des Ausbildungsverkehrs im Öffentlichen Personennahverkehr“ (Landtags-Drucksache 5/5821)
Es gilt das gesprochene Wort!
Mit dem heutigen Plenumstag findet das mehr als ein Jahr dauernde Trauerspiel um die künftige Ausgleichsfinanzierung im Schüler- und Auszubildendenverkehr in Sachsen seinen vorläufigen Abschluss.
An diesem Gesetz ist die Staatsregierung mit ihrem Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr im doppelten Sinne gescheitert. Sie konnte den Gesetzesauftrag weder zeitlich noch inhaltlich erfüllen. Das Gesetz sollte bereits mit dem 1.1.2011 in Kraft sein, wurde jedoch dem Landtag erst am 17. Mai 2011 zugeleitet, und es sollte auf eine dynamische Verteilung der Gelder an die Landkreise und Kreisfreien Städte umgestellt sein, die anhand aktueller Berechnungen und objektivierter Faktoren den Ersatz für entsprechend verbilligte Schüler- und Auszubildendenverkehre ausgewogen ausgleicht.
Zudem offenbart die Hausspitze des SMWA, also Minister Sven Morlok ein gehöriges Maß an Arroganz und Ignoranz. Ein Gesetzentwurf, der bereits im internen Anhörungsverfahren von allen berufenen Stellen, Sachverständigen und Betroffenen vernichtend bewertet wird, dennoch dem Landtag zur Behandlung und Beschlussfassung zu zuleiten, ist ungehörig, macht fassungslos und zeigt, welche Missachtung der Minister und seine Staatssekretäre diesen Stellungnahmen und ihren Stellungnehmenden entgegenbringen, insbesondere den Kommunalen Spitzenverbänden sowie den Busunternehmen bzw. Bahnunternehmen, die die Verkehre durchführen. Damit ist in Bezug auf dieses Gesetz die Staatsregierung bereits dreifach gescheitert, namentlich Minister Morlok.
Die durch die Fraktion DIE LINKE im Wirtschafts- und Verkehrsausschuss beantragte Expertenanhörung hat einerseits den Gesetzentwurf des Ministers Morlok mit Pauken und Trompeten untergehen lassen. Andererseits war sie der Auftakt zum Heilungsprozess, der nunmehr durch den Sächsischen Landtag zu betreiben war.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen der Koalition, ich kann Ihre Frustration und auch Ihre Verärgerung darüber sehr gut nachvollziehen. Schließlich waren bereits im bisher gültigen ÖPNVFinAusG Termin und Handlungsauftrag formuliert, womit eine stark verspätete Gesetzesinitiative in so verkorkster Weise nicht hätte zwangsläufiges Ergebnis sein müssen, geschweige denn dürfen. Zudem handelt es sich um das dritte Gesetz, das Sven Morlok federführend in den Sand gesetzt hat. Das Gaststättengesetz, Ladenöffnungsgesetz und nun das Ausbildungsverkehrsfinanzierungsgesetz. Kurz gesagt, müssen Sie wieder einmal die Arbeit des Ministerausfalls erledigen. Und zu dieser Arbeit komme ich gleich.
In gut eingeübter Tradition der Koalitionsfraktionen sollte es also nicht nur den recht komplexen Änderungsantrag zum untauglichen Gesetzentwurf der Staatsregierung geben. Vielmehr sollte es für Sie, sehr geehrter Herr Heidan, sehr geehrter Herr Herbst, aber auch für Sie, meine Herrn Flath und Zastrow, eine Frage der Ehre sein, heute mit einem Entschließungsantrag diesem Staatsminister und dieser Staatsregierung deutlich zu machen, dass es nicht Ihr Wille ist, auch für den Rest dieser Legislatur die Lückenbüßer für Ministerversagen zu geben.
Und nun zu Ihrem Änderungsgesetzentwurf:
Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, haben versucht, die Hinweise aus der Anhörung produktiv aufzunehmen. Das will ich Ihnen tatsächlich anrechnen. Es ist eine komplizierte Materie, die auch mit regionalen Interessen durchsetzt ist. Allerdings sind Sie Ihrem Anspruch, ein objektives, dynamisches Berechnungsmodell in Ansatz zu bringen, nicht wirklich gerecht geworden.
Im Ergebnis einen zweistufigen und nicht wirklich durch objektive Faktoren gekennzeichneten Berechnungsweges wird sich über den Positiveffekt der Mehrmillion hinaus die Schere zwischen Kreisfreien Städten und Landkreisen wieder zuungunsten der Landkreise öffnen.
Wenn nämlich die Landkreise, die nach der 5. regionalisierten Bevölkerungsprognose sowie den Schülerzahlprognosen eine ungünstige Entwicklung verzeichnen und weiter verzeichnen werden, im Auseinandersetzungsverhältnis mit den großen Städten, nach einem statischen Sockelbetrag und dem Berechnungsmodell also nur noch darauf setzen können, dass ihre Fläche sich dynamisch entwickelt, dann ist der Trend doch klar. Die absinkenden Schülerzahlen in den Kreisen werden die Ausgleichszahlungen trotz zu erfüllender Aufgaben weiter absinken lassen. Damit haben Sie also nicht wirklich eine zukunftsfähige Lösung entwickelt.
Fazit:
Die chronische Unterfinanzierung der Schülerverkehre bleibt bestehen, obwohl sie objektiv seit Mitte der 90er Jahre von den in Ansatz gebrachten Sollkosten-Sätzen her nicht angehoben wurden.
Die völlig abwegige Busförderung durch den Freistaat bringt die Busunternehmen zunehmend in die Zwangslage, die Busflotten immer älter werden zu lassen. Dass sowohl die Busunternehmen in den Landkreisen und den großen Städten diese Förderung ablehnen, spricht eben nicht für sie, sondern für irrwitzige Regelungen. Heilbar wäre dies nur, wenn Sie bereit wären, in den kommenden Doppelhaushalt knapp 25 Mio. Euro pro Jahr zusätzlich für die Schülerverkehre bereit zu stellen.
Sie werden das Gesetz beschließen und damit die Ungleichgewichte zwischen kreisfreien Städte untereinander sowie zwischen ihnen und den Kreisen festschreiben.
Sie manifestieren mit Ihrem Herangehen, selbst die Schülerverkehrsfinanzierung wegen der 2014 ins Haus stehenden Revision der Regionalisierungsmittel dann auf den Prüfstand zu stellen, dass Sie nichts gelernt haben und auch weiterhin aufgabenwidrig die Gelder aus den Bundeszuweisungen nach dem Regionalisierungsgesetz entziehen und als Schülerverkehrsfinanzierungszuschlag umkennzeichnen wollen, obwohl hierzu originäre Landesmittel anzusetzen wären.
Damit werden Sie also auch weiterhin dafür sorgen, dass die Landkreise nicht in die Lage versetzt werden, ein gut entwickeltes ÖPNV-System zu schaffen. Stattdessen wird der Status quo festgeschrieben, ÖPNV zu großen Teilen über die Schülerverkehre zu finanzieren und zu organisieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
trotz dieser erheblichen grundsätzlichen und handwerklichen Mängel werden wir nicht gegen das Gesetz stimmen. Wir sehen, dass Sie versucht haben, alle zu waschen und niemanden nass zu machen. Die Kommunale Ebene braucht endlich Planungssicherheit und Sie Zeit, die hoffentlich richtigen Schlüsse für die kommende Haushaltsdiskussion zu ziehen. Deshalb werden wir uns zu dem vorliegenden Änderungsentwurf enthalten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Kontakt:
Marcel Braumann
Pressesprecher
Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1
01067 Dresden
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