»Wir wollen glaubwürdig bleiben«

ND vom 16.3.2012

18.03.2012

nd: Die beiden Parteien, die den Haushalt und damit Rot-Grün scheitern ließen, werden dafür wahrscheinlich einen hohen Preis zahlen. Die FDP fliegt gewiss, die LINKE möglicherweise aus dem Landtag. Auf die FDP kann NRW eher verzichten. Auch auf die Linksfraktion?
Zimmermann: Nein, auf uns kann die Mehrheit der Menschen in NRW mit Sicherheit nicht verzichten.

Warum nicht?
Weil wir die einzige Kraft im Landtag sind, die dafür gesorgt hat und weiter dafür sorgen wird, dass soziale Politik wenigstens ansatzweise durchgesetzt werden kann. Wir sind diejenigen, die SPD und Grüne nach links gedrängt haben - jedenfalls ein Stück.

Wie weit?
Ein Jahr lang betrieben SPD und Grüne eine vorsichtige, zaghafte Politik in Richtung eines sozialeren Nordrhein-Westfalens - mit Unterstützung und auf Druck der LINKEN.

Klingt doch gut.
Aber unter dem Strich fand der von SPD und Grünen versprochene Politikwechsel nicht statt. Nach den ersten Schritten in die richtige Richtung drehten sie im Frühjahr 2011 wieder um.

Zuletzt stand die LINKE vor einer unkomfortablen Alternative: Entweder einen Kürzungshaushalt mittragen oder das Ausscheiden aus dem Landtag riskieren. Wie fühlt man sich dabei?
Konsequent. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Wählerinnen und Wähler verstehen, warum wir den Haushalt ablehnen mussten. Wir gaben der Minderheitsregierung eine Chance, machten ihr frühzeitig deutlich, dass wir Anforderungen an den Haushalt haben und über vier Themen verhandeln wollen. Die Themen waren seit zwei Monaten bekannt: Ein bezahlbares Nahverkehrs-Sozialticket für 15 Euro, mehr Geld für Kitas, Kommunen und sozialen Wohnungsbau.

War die LINKE hinreichend kompromissbereit?
Wir haben wir der Regierung nicht die Pistole auf die Brust gesetzt - wir wollten verhandeln. In zwei Gesprächen wurde aber deutlich, dass SPD und Grüne nicht bereit waren, substanzielle Zugeständnisse zu machen. Sie wollten zwar beispielsweise über ein Sozialticket sprechen, aber eben nicht über eines für 15 Euro. 15 Euro entspricht aber in etwa dem Mobilitätssatz bei Hartz IV, ein teureres Ticket können sich Hartz-IV-Beziehende also gar nicht leisten.

Das letzte rot-grün-rote Gespräch fand statt, bevor den Regierungsfraktionen klar war, dass der Haushalt und mit ihm Rot-Grün zwei Tage später crashen können. Hätte sie ansonsten anders agiert? Oder strebten SPD und Grüne bewusst Neuwahlen an?
Das müssen Sie SPD und Grüne fragen. Fakt ist aber: Sie wussten seit September 2011, dass wir erhöhte Anforderungen an den Haushalt haben. Aber erst kurz vor Toresschluss wurde verhandelt.

Gab es in der LINKEN Debatten darüber, den Haushalt in zweiter Lesung passieren zu lassen und so Verhandlungsspielraum für die finale Abstimmung Ende März zu gewinnen?
Nein, wozu auch? Es gab ja kein Signal, dass SPD und Grüne sich auf uns zubewegen würden. Nur dann hätten wir darüber diskutiert und mit ziemlicher Sicherheit nicht an der Abstimmung teilgenommen, die Einzeletats in zweiter Lesung passieren lassen, um noch Verhandlungsspielraum offen zu lassen.

Vorletzte Woche entsetzte sich ganz Deutschland noch über die Hochburg der Kinderarmut, nämlich das Ruhrgebiet. Nun wollte Rot-Grün das Programm gegen Kinderarmut um 70 Prozent kürzen.
Milliarden werden bereit gestellt für die Rettung der maroden WestLB, doch die Millionen für die Armutsbekämpfung werden zusammengestrichen. Das zeigt deutlich: Die Minderheitsregierung war nicht bereit, eine soziale Politik in NRW umzusetzen. SPD und Grüne reden gerne von der Armutsbekämpfung. Aber das zu verwirklichen - dazu sind sie nicht bereit.

Die Linksfraktion hat Rot-Grün von Fall zu Fall unterstützt, bei heftigen internen Konflikten. Wäre es für die LINKE nicht komfortabler gewesen, wenn es eine klare rot-grüne Mehrheit geben hätte und die LINKE sich auf reine Oppositionsarbeit hätte konzentrieren können?
Das wäre mit Sicherheit einfacher gewesen. Doch wir standen sofort in einer besonderen Verantwortung. Nur auf unseren Druck und dank unserer Stimmenthaltung konnte die Minderheitsregierung etabliert und CDU-Ministerpräsident Rüttgers abgelöst werden. Seitdem haben wir rot-grüne Gesetze passieren lassen, wenn sie Fortschritte ermöglichten, und mit eigenen Gesetzesinitiativen für ein soziales NRW gekämpft. Mitunter wurden unsere Anträge von SPD und Grünen übernommen. Oder aber sie brachten wenige Wochen später einen von uns abgeschriebenen Antrag in den Landtag ein - und hefteten sich den Erfolg an die eigene Brust.

Die LINKE wurde von Rot-Grün offen verspottet, nachdem sie den Haushalt 2011 mitgetragen hatte. Tenor: Man habe Ihre Fraktion mit ein paar zehntausend Euro für die Rosa-Luxemburg-Stiftung abgespeist. Klingt nicht nach »Links wirkt«.
Diese Darstellung entspricht nicht der Wahrheit. Wir haben einige Anträge gestellt, die wurden zum Teil von SPD und Grünen in den Haushaltsentwurf übernommen.

Können Sie Beispiele für LINKE-Erfolge nennen?
Die Abschaffung der Studiengebühren, die Wiederherstellung der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, die Möglichkeit, Stadtoberhäupter wie Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland abzuwählen, die Aufhebung der Residenzpflicht für Flüchtlinge, die Neuetablierung eines Tariftreuegesetzes - all das konnte nur dank unseres Drucks und teils gegen den Widerstand von SPD oder Grünen durchgesetzt werden. Wir haben dabei natürlich eng mit Gewerkschaften und Studierendenbewegung zusammengearbeitet - aber ohne die Linksfraktion hätte es diese Fortschritte nicht gegeben. Nicht alle unsere Wünsche wurden erfüllt, aber es gab deutliche Verbesserungen.

Wäre es da nicht fatal, wenn Rot-Grün bald über eine eigene Mehrheit verfügt und die LINKE aus dem Landtag flöge? Anders formuliert: Wird sich die von Ihnen gepriesene Konsequenz in der Haushaltsabstimmung wirklich lohnen?
Alle anderen Parteien zeichnen sich dadurch aus, dass sie Wahlprogramme schreiben, die nach der Wahl weitestgehend Makulatur sind. Für eine solche Politik steht die LINKE nicht zur Verfügung. Wir halten, was wir versprechen. Wenn das mit SPD und Grünen nicht mehr möglich ist, müssen wir klar sagen: Wir tragen eine solche Politik nicht mit. Wir wollen schließlich glaubwürdig bleiben ...

... aber künftig nur noch außerparlamentarisch agieren?
Wir werden nach der Neuwahl wieder im Landtag vertreten sein, da bin ich sehr sicher.