Kinderregelsatz statt Peanuts-Bildungspaket!

Kommentar Von Diana Golze, Mitglied des Vorstandes und Leiterin des Arbeitskreises Arbeit, Gesundheit und Soziales der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

30.03.2012 / Im Wortlaut - Die Fraktion in den Medien, 30.03.2012

Das Bildungs- und Teilhabepaket ist gescheitert. Wie eine Studie des DGB belegt, wurden seit Einführung des Paketes im April 2011 nur 20 Prozent der Mittel verbraucht. Dadurch ist der notwendige Bedarf von Kindern aus einkommensschwachen Elternhäusern nicht gedeckt. Gescheitert ist damit auch die Strategie von Ministerin Frau von der Leyen, die Nation monatelang mit einer Phantomdebatte zu quälen, um vergessen zu machen, was ihr zentrales Versäumnis ist: Die Ministerin verweigert seit zwei Jahren, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 nach Einführung eines bedarfsgerechten Regelsatzes für Kinder in Hartz IV sachgerecht umzusetzen. Das Gericht hatte unmissverständlich festgestellt, dass die Ableitung des Regelsatzes für Kinder vom Regelsatz der Erwachsenen grundgesetzwidrig ist, da Kinder eigene Bedarfe haben, die keine Berücksichtigung finden, insbesondere in den Bereichen Bildung und gesellschaftliche Teilhabe.

Statt ihre Hausaufgaben zu machen, warf Frau von der Leyen ihre Nebelmaschine an und legte ein Glanzstück an politischer Täuschung vor. Sie präsentierte ein „neues“ Bildungspaket, das überwiegend schlicht aus einer Addition bereits vorhandener Leistungen bestand. Die neuen Bausteine wie Gutscheine in Höhe von 10 Euro für Musik- oder Sportkurse pro Monat wurden kaum abgefragt, da die Förderung völlig realitätsfremd und überbürokratisch ist. Was nützt so ein 10 Euro-Gutschein beispielsweise, wenn die Musikschule 32 Euro im Monat kostet, wer übernimmt die Leihgebühr für das Instrument und die Fahrkarte für den Bus dorthin?
Anstatt den Regelsatz für Kinder bedarfsgerecht auszugestalten und damit die Verfügung über die Ausgaben in die Hände der Familien zu legen, machte Frau von der Leyen 2,5 Millionen Kinder, Jugendliche und deren Eltern zu Bittstellern, die sie wegen 10 Euro bei Behörden anstehen ließ. Kein Wunder, dass viele sich dieser diskriminierenden und entwürdigenden Gängelung nicht unterziehen und folglich das Geld dafür nicht abfloss. Ein Schelm, wer glaubt, dies sei geplantes Kalkül der Ministerin gewesen.

Doch bei dieser Gemeinheit beließ die Ministerin es nicht. Ihr Versäumnis, den Kinderregelsatz verfassungskonform auszugestalten, tarnte sie, in dem sie die Betroffenen in Verruf brachte. Da man den Eltern nicht trauen könne, sei es für die Kinder von Vorteil, sachbezogene Leistungen von der staatlichen Obrigkeit zugeteilt zu bekommen. So hatten die einkommensschwachen Familien nicht nur den finanziellen Nachteil, sondern auch noch die üble Nachrede am Hals.

Doch mit der Tortur der Antragsteller begnügte sich die Ministerin nicht. Abertausende von Angestellten in unterbesetzten Jobcentern und Kommunen verloren ihre Zeit damit, das bürokratische Monster zur Bewilligung von Peanuts zu administrieren. So liegt der veranschlagte Verwaltungsaufwand des Bildungspaketes, das nur zu 20 Prozent in Anspruch genommen wurde, bei ca. 20 Prozent. Unklar bleibt zudem, ob die zusätzlich belasteten Kommunen nicht vielfach ihre klammen Haushalte mit nicht verausgabten Mitteln des Bildungspaketes aufbessern. Das Ministerium hat sich offensichtlich auch im eigenen Dschungel verlaufen. So gäbe es bisher keine belastbaren Gesamtzahlen, teilte es am 26 März 2012 mit.

Fazit: Es ist dringend geboten, diesen Unsinn einzustellen und endlich einen Regelsatz für Kinder in Hartz IV zu entwickeln, der die realen Bedarfe zur Existenz- und Teilhabesicherung von Kindern abdeckt. Mittelfristig sollten die Kinder komplett raus aus dem SGB II, denn sie sind keine kleinen Langzeiterwerbslosen. Eine bedarfsgerechte Kindergrundsicherung für alle Kinder und Jugendlichen ist eine mögliche Alternative. Grundsätzlich gilt es darüber hinaus die öffentliche Infrastruktur so auszubauen, dass Leistungen der Kitas und Schulen - Ganztagsangebote, Lernförderung, Mittagessen - sowie der Kinder- und Jugendhilfe flächendeckend und diskriminierungsfrei allen Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen.

linksfraktion.de, 30. März 2012

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