Parteispenden transparenter, aber immer noch undemokratisch
Von Dagmar Enkelmann, 1. Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Vor zehn Jahren, am 19. April 2002, verabschiedete der Bundestag ein überarbeitetes Parteiengesetz. Es sollte Konsequenzen aus der damaligen CDU-Schwarzgeldaffäre ziehen, in die Unionspolitiker wie Helmut Kohl, Roland Koch, Walther Leisler Kiep und der heutige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verwickelt waren. Ende der 1990er Jahre war die illegale Spendenpraxis der CDU öffentlich geworden. Über Jahrzehnte hinweg waren "schwarze Konten" geführt worden, wo man Parteispenden "parkte", unter anderem Millionenspenden des Waffenkonzerns Thyssen. Ex-Kanzler Kohl weigert sich bekanntlich bis heute, die Namen der Spender zu nennen. Wirkliche Aufklärung also gleich Null.
Seit 2002 dürfen nun anonyme Spenden an Parteien nicht mehr als 500 Euro betragen. Barspenden sind nur bis 1.000 Euro möglich. Ab 10.000 Euro müssen Spenden in den jährlichen Rechenschaftsberichten der Parteien ausgewiesen und von mehr als über 50.000 Euro umgehend dem Bundestagspräsidenten gemeldet und von ihm veröffentlicht werden. Auch die Strafen für die Verschleierung von Parteispenden wurden verschärft.
Ein Jahrzehnt später sind die Konflikte um die Parteienfinanzierung keinesfalls vom Tisch, auch wenn diese transparenter wurde. Schwarz auf weiß lässt sich nun in den Rechenschaftsberichten der Parteien nachlesen, dass beispielsweise der Waffenkonzern Kraus-Maffei Wegmann der CSU 2010 14.000 Euro spendete. Die Deutsche Vermögensberatung - ein privater Finanzvertrieb - reichte über 700.000 Euro Spenden an CDU, FDP und SPD weiter. Umgehend war zu erfahren, dass der Autokonzern BMW am 5. März 2012 über 365.000 Euro an CSU, SPD, FDP und CDU verteilte. Die Spende stellt sich hier als kostenlose Fahrzeugüberlassung dar, wovon bis mindestens 2008 auch die Grünen profitierten. Das Wissen um all das macht aber die versuchte Einflussnahme, die sich hinter den großzügigen Geschenken vermuten lässt, nicht ungeschehen.
Allerdings wird längst nicht jede Zuwendung an Parteien veröffentlicht. Die Neuregelung beflügelte die Erfindungskraft von Unternehmen, die als Spender nicht so öffentlich auf Heller und Pfennig erscheinen wollen. So gleichen die Parteitage von CDU, CSU, SPD, FDP und Grünen in den Nebenhallen mitunter Jahrmärkten oder Messen. Firmen verschiedenster Couleur werben an Ständen für sich und ihre Produkte. Dafür bezahlen sie horrende Standgebühren - mitunter mehr als 50 000 Euro. Die Einnahmen aus solchem "Sponsoring" müssen die Parteien nicht veröffentlichen, lediglich die gesamte Höhe der "Einnahmen aus Veranstaltungen, Vertrieb von Druckschriften, Veröffentlichungen und sonstiger mit Einnahmen verbundener Tätigkeit". Bei CDU und SPD machte dieser Posten allein 2010 jeweils über zwölf Millionen Euro aus. Das ist schätzungsweise 6 bis 7 Prozent des gesamten Etats. Dass das Sponsoring mehr in den Fokus der kritischen Öffentlichkeit geriet, ist auch den Recherchen von Organisationen wie LobbyControl und Transparency Deutschland zu verdanken.
Die Fraktion DIE LINKE hatte bereits 2010 einen Antrag eingebracht, um Sponsoring - analog zu den Spenden - zu regulieren und transparenter zu gestalten. Das wurde durch die vom Sponsoring offenkundig profitierende Mehrheit im Bundestag verhindert. DIE LINKE fordert generell ein Verbot jeglicher Parteispenden von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Die Parteien sollten sich allein dem Willen ihrer Mitglieder und ihrer Wählerinnen und Wähler verpflichtet fühlen, ohne sich von Großspenden aus der Wirtschaft abhängig zu machen.
Alles in allem lässt sich feststellen: Das geltende Parteiengesetz hat vor allem die Praxis der Parteispenden geändert - das Problem einer legalen, aber undemokratischen Einflussnahme von Unternehmen und Lobbyisten durch Geldgeschenke auf die politische Willensbildung besteht unvermindert fort.
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