Griechenland als Versuchskaninchen
Linksfraktion im Deutschen Bundestag
Alexis Tsipras, Vorsitzender des griechischen Linksbündnisses SYRIZA,
und Tiny Kox, Vorsitzender der Gruppe der Sozialistischen Partei (SP) im
niederländischen Senat, haben am Dienstag die Fraktion DIE LINKE im
Bundestag besucht. Beide wurden herzlich empfangen. Tsipras griff in
seiner kurzen Rede vor den Fraktionsmitgliedern Banken und Großanleger
scharf an. Diese führten eine Art Krieg gegen die Völker Europas.
Griechenland sei nur das Versuchskaninchen.
Als Alexis Tsipras mit einem Tross von Pressenleuten im Schlepptau den
Fraktionssaal betrat, ertönte lang anhaltender Beifall. Der Vorsitzende
der griechischen Linksfraktion SYRIZA ließ sich einen Moment feiern,
bevor Gregor Gysi das Wort ergriff und bat die Begeisterung
zurückzustellen, schließlich gehe das alles auf Kosten der Redezeit des
Gastes.
Seit der 37-jährige Tsipras mit der griechischen Linksfraktion SYRIZA
bei den Parlamentswahlen am 6. Mai zur zweitstärksten Kraft aufgestiegen
ist, ist er ein Hoffnungsträger für die Griechinnen und Griechen. Er
will die von EU und IWV verordnete Sparpolitik stoppen, die das Land
immer tiefer in die Depression führt und den Menschen Arbeitslosigkeit
und Sozialabbau bringt. Gregor Gysi fragte nach einigen einführenden
Worten, wie SYRIZA ihren Kurs in der sozialen Frage durchhalten und
gleichzeitig den Wünschen der griechischen Bevölkerung genüge tun könne,
"dass ihr selbstverständlich in der Eurozone bleiben könnt". Gerade,
weil das von vielen Gegnern immer anders dargestellt werde.
Alexis Tsipras sprach von einem "schweren Kampf, den SYRIZA aber auch
im Namen der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitsnehmer" ausfechte.
"Man möchte uns glauben machen, dass die Völker in Europa in eine Art
Krieg miteinander verwickelt sind, dabei tobt ein ganz anderer Krieg in
Europa. Es ist ein Krieg, bei dem auf der einen Seite die Finanzmärkte,
Großanleger und Banken und auf der anderen Seite die Völker Europas."
Linke Politik müsse das Klima in der Öffentlichkeit verändern, damit die
Völker Europas solidarisch miteinander umgehen können.
Neoliberale Politik mit katastrophalen Folgen
Schuld an den gegenwärtigen Zuständen in Griechenland sei eine
neoliberale Politik, die katastrophale Folgen hatte. "Inzwischen hat sie
zu einer humanitären Krise innerhalb des Landes geführt", sagte
Tsipras. Es gehe aber nicht nur um Griechinnen und Griechen. Vielmehr
diene das Land als Versuchskaninchen dafür, ob diese Politik sich nicht
auch in andere Länder Europas "exportieren" lasse. Deswegen sei der
Wahlerfolg der SYRIZA so wichtig gewesen.
Mit Blick auf die Neuwahlen am 17. Juni, die nötig waren, weil SYRIZA
keinesfalls in eine Regierung eintreten wollte, die die Sparpolitik
fortsetze, sagte er: "Es gibt viele Kräfte im alten Europa, die einen
Erfolg der Linken verhindern möchten. Damit würden sie eine große
Hoffnung für ganz Europa zerstören." Er glaube jedoch nach wie vor an
einen Sieg bei der kommenden Wahl. Ein solcher Sieg wäre ein Symbol der
Hoffnung und Grund für Optimismus, dass sich die Austeritätspolitik
überwinden lasse, ein Zeichen gegen die Auflösung des sozialen
Zusammenhalts und die Aushöhlung der Demokratie. Weil die Demokratie ein
Eckpfeiler der Europäischen Union sei, forderte er dazu auf, die
Entscheidung der Völker bei Wahlen zu respektieren.
Zur Politik der Rettungsschirme sagte Tsipras, dass er auch die
deutschen Bürgerinnen und Bürger überzeugen will, nicht weiter Geld in
ein Fass ohne Boden zu werfen. Das sei im Fall von Griechenland schon
zweimal gescheitert. Eine europäische Lösung für ein europäisches
Problem werde gebraucht.
Die Regierungen wissen nicht, was sie tun
Tiny Kox sprach zunächst über die Rolle des Europarats der aktuellen
Politik. Kox ist nicht nur Vorsitzender der SP-Gruppe im
niederländischen Senat, sondern auch Vorsitzender der Gruppe der
Vereinigten Linken in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
(PACE). Er betonte die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und der
Europäischen Konvention für Menschenrechte, die gerade aus linker Sicht
nicht unterschätzt werden dürfte. Es böten sich darin viele Ansatzpunkte
für linke Politik.
Die Finanzkrise in der Eurozone kritisierte Kox lakonisch: "Ich weiß
sicher, dass unsere Regierungen nicht wissen, was sie tun. Das ist ganz
neu für sie. Natürlich tun die Regierungsführer das, wovon sie glauben,
dass es richtig ist, aber eine Idee haben sie nicht." Offensichtlich
seien sie damit überfordert. In dieser Situation hätten die Linken eine
Verpflichtung. Sie müssten Antworten auf neue Fragen geben. Die würden
von immer mehr Menschen gestellt. Deshalb sei es auch kein Zufall, dass
immer mehr Menschen in Frankreich, in Griechenland, in Skandinavien und
auch in den Niederlanden an einer anderen Politik interessiert sind.
"Wir müssen da sein für die normalen Leute. Denn die normalen Leute
brauchen uns jetzt", so Tiny Kox.
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