Eurokrise: deprimierende Aussichten aus dem Bundestag
Von Axel Troost
Die Koalition plustert sich derzeit wieder einmal auf und versucht, alle anderen Parteien im Bundestag als unverantwortliche Schuldenmacher hinzustellen. Der konkrete Anlass ist die Debatte um Eurobonds. Nach Beschluss der Koalition haften die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aber bereits mit über 200 Milliarden Euro für Schulden anderer Staaten, dazu kommen noch Risiken aus den Anleihenaufkäufen der Europäischen Zentralbank. Die Koalition sollte daher nicht scheinheilig über alle herfallen, die Schulden vergemeinschaften wollen.
Worin liegt aber gerade das Problem? Wir dürfen nicht immer nur auf Griechenland schauen und daraus Rezepte für die ganze Eurozone entwickeln. Inzwischen erleben wir einen Abschwung in der gesamten Eurozone. Es geht auch um Spanien, Italien undFrankreich, um Deutschland, Holland und Österreich. Die reine Sparpolitik ist gescheitert, weil die Wirtschaft stottert und deshalb die Schulden trotz Sparen steigen.
Die Präsidentschaftswahl in Frankreich und die Parlamentswahlen in Griechenland waren eine Absage an die radikale und ökonomisch dumme Sparpolitik. In den Niederlanden ist daran die Regierung zerbrochen, die bisher der wichtigste Verbündete der Bundesregierung war. Die Strategie der Bundesregierung wird inzwischen weltweit als Bedrohung wahrgenommen. Beim letzten G 8-Gipfel stand die Bundesregierung wieder einmal isoliert da. In Wahrheit sind die Koalitionsabgeordneten und die Bundesregierung die Radikalen in Europa.
Jeder Mensch mit ökonomischen Sachverstand weiß inzwischen, dass die Währungsunion in der jetzigen Form keine Zukunft hat. Viele fordern nun, Staaten aus der Währungsunion rauszuschmeißen. Die Währungsunion würde daran zerbrechen und wir stünden vor einem Scherbenhaufen. Alternativ müssen wir dafür sorgen, dass sich die Staaten der Währungsunion wieder aufeinander zu entwickeln. Dazu muss die Eurozone eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben.
Jeder, der ernsthaft darüber nachdenkt, verlangt dann eine neue Steuerpolitik, etwa bei der Besteuerung von Unternehmen und von Vermögen, oder aber endlich eine europäische Finanztransaktionssteuer. Dazu gehört dann aber auch, dass die Bundesregierung nicht weiter andere Staaten durch ihre Lohnpolitik niederkonkurriert und sich nicht um die langfristigen Folgen schert.
Dazu gehören aber auch neue Instrumente wie Eurobonds. Dabei lässt sich über allerlei Kompromisse reden: Wer die Anleihen zu welchen Bedingungen bekommt, wie die Zinsvorteile aufgeteilt werden, wie stark die Haftung ausfällt. Was aber nicht geht, ist diese Debatte zu verweigern und zuzulassen, dass Finanzinvestoren die Staaten der Währungsunion gegeneinander ausspielen. Aus der jetzigen Situation kommen wir nur heraus, wenn wir die Staaten der Währungsunion von den Finanzmärkten abschirmen. Dafür brauchen wir sowohl eine Form von Eurobonds als auch die Europäische Zentralbank. Genau hier fehlt der Koalition aber jedes Verständnis von pragmatischer Politik.
Der Fiskalpakt kann nur durch eine Grundgesetzänderung in Kraft treten, wozu Stimmen der Opposition notwendig sind. Die SPD hält damit ein Druckmittel in der Hand. Sie könnte einen Kurswechsel erzwingen oder die Notbremse ziehen. Nur ist sie bisher dermaßen ungeschickt und unentschlossen vorgegangen, dass sie diese Chance verspielen wird. Die SPD-Rechten werden eher Willy Brandt verstoßen, als dass sie dem Fiskalpakt die Zustimmung verweigern. Damit behalten die Radikalinskis aus der Koalition aber weiter freie Bahn.
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