Weichenstellung in der Euro-Krise
Von Axel Troost, stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE und Finanz-politischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die Eilanträge gegen den ESM Fiskal-pakt ernst zu nehmen und sich als Gericht die Zeit für eine inhaltliche Bewertung zu nehmen, ist eine wichtige erste Hürde genommen. Erstens weil damit die politische und gesellschaftliche Kontroverse um den richtigen Umgang mit der Euro-Krise nicht im Sommerloch untergeht. Zweitens, weil Bundespräsident Gauck mit seiner Unterschrift weiter abwartet, und damit die verhängnisvolle und irreparable Ratifizierung von Fiskalpakt und ESM mindestens kurzfristig aufgehalten werden konnte.
Für die Bundesregierung drängt Finanzminister Schäuble zu einer schnellen Entscheidung und setzt Karlsruhe damit unter Druck: "Ein Stopp des Rettungsschirms kann zu erheblichen wirt-schaftlichen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen für Deutschland führen.“ Dies könne dazu führen, „dass die derzeitigen Krisensymptome deutlich verstärkt würden. Es könnte zu einer verstärkten Spekulation über den Austritt einzelner Staaten aus dem Euro kommen. Die Refinanzierungskosten würden steigen." Dass Schäuble den Mund dabei ziehmlich voll nimmt, erkennt man schon daran, dass u.a. Bundesbankpräsident Weidmann dem widersprochen hat.
Natürlich ist die Lage in Spanien ernst. Noch bis Monatsende sollen die ersten Notkredite in Höhe von 30 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsfonds für die angeschlagenen spanischen Banken zur Verfügung stehen. Insgesamt könnten für die Rekapitalisierung der Banken in Spanien nach Vorschlag der Eurogruppe bis zu 100 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungs-fonds kommen. Die endgültige EU-Entscheidung über dieses Paket soll am 20. Juli fallen, zuvor muss sie unter anderem noch vom Bundestag abgesegnet werden. Angesichts dessen sind die nicht ausgeräumten Eilanträge beim Verfassungsgericht zum ESM natürlich eine schwere Hypothek und schwächen die Bundesregierung deutlich.
Mit ihren verfassungsrechtlichen Bedenken steht die LINKE nicht allein, so haben unter ande-rem auch der CSU-Abgeordnete Gauweiler und der Nürnberger Staatsrechtler Schachtschneider Eilanträge gestellt. Diese verfolgen mit ihren Einwänden aber die entgegen-gesetzten Ziele und bedienen die europa-feindliche bis rechtspopulistische Stimmung gegen die vermeintlich unfähigen und faulen südlichen EU-Länder. Diese Sichtweise unterstellt die Hypo-these eines reichen Deutschland, dass für die „Verfehlungen“ der anderen Euroländer zahlen müsse.
DIE LINKE und Demokratie EV konzentrieren sich in ihren Antragen auf die Frage, ob mit der Verabschiedung von ESM-Vertrag und Fiskalpakt durch eine (Fast)-Allparteien-Koalition im Bundestag nicht die „roten Haltelinien“ des Grundgesetzes überschritten seien. Einerseits wer-den dadurch nämlich Kompetenten der Haushaltsführung teilweise auf die europäische Ebene verschoben, andererseits ist der Fiskalpakt so konstruiert, dass er – einmal verabschiedet − auch durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat nie wieder geändert werden kann.
Diese Einsprüche sind die verfassungsrechtlich zugespitzte Form einer Stimmung in der Be-völkerung, nach der 71 Prozent meinen, dass eine Volksabstimmung darüber entscheiden müsse, falls mehr nationale Kompetenzen an die EU abgegeben werden sollten. Nur 27 Prozent meinen, dass eine solche Entscheidung vom Bundestag getroffen werden könne. Falls die Bürger an einer Volksabstimmung teilnehmen könnten, würden sich 39 Prozent für eine zentrale europäische Haushaltspolitik und Haushaltskontrolle entscheiden. Eine Mehrheit von 55 Prozent würde laut Umfrage hingegen dafür votieren, dass die Haushaltspolitik und Haus-haltskontrolle in der Hoheit der Mitgliedsländer verbleibt.
Der Präsident des Verfassungsgericht Voßkuhle betonte in der mündlichen Verhandlung zu-recht die Herausforderung, dass auch in ungewöhnlichen Krisensituationen die Verfassung nicht außer Acht gelassen werden dürfe. "Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere!"
Die Euro-Zonen-Krise beherrscht seit geraumer Zeit nicht nur die politische Klasse und die wirtschaftlichen Eliten der Berliner Republik. Auch im Alltagsbewußtsein der Bevölkerung nimmt sie seit drei Jahren mehr und mehr einen zentralen Stellenwert ein. Die wichtige Schlussfolge-rung aus dieser anhaltenden Politisierung der europäischen Krise lautet: Die Zeit der Gestaltung des europäischen Einigungsprozesses durch die weit abgehobenen politischen (und ökonomischen) Eliten ist endgültig vorbei.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die spanischen Banken stehen wegen ihrer irrwitzigen Immobilienfinanzierungen vor dem Zusammenbruch und dem darf man nicht tatenlos zuschauen. Für Rekapitalisierungen in Spanien gelten aber die gleichen Forderungen der LINKEN wie für Deutschland: Der Staat steigt als Eigentümer ein, übernimmt aktiv das Management, krempelt die Branche um und stutzt sie auf eine dienende Zubringerfunktion für die Realwirtschaft zurecht. Neben einer drastisch verschärfter europäischen Finanzmarkt-regulierung tritt dann auch eine europäische Bankenaufsicht, die nicht nur von EU-Kommission und Europäischem Rat kontrolliert werden muss. Vielmehr muss das Europäische Parlament massiv in seinen Befugnissen aufgerüstet werden, gerade damit demokratische Spielregeln nicht komplett auf der Strecke bleiben.
Natürlich wissen auch wir, dass strengere Auflagen und ein besseres Bankmanagement in der Zukunft die geschäftspolitischen Fehler und Dummheiten der Vergangenheit nicht beseitigen können. In Deutschland bekommen wir dies ständig mit dem Fiasko der HRE und ihrer Bad Bank vor Augen geführt. Es bleibt also die Frage, wer für die zurückliegenden Banksünden in Deutschland, in Spanien, in Irland etc. bezahlt.
Auch diese Frage gehört auf die europäischen Ebene: Wir brauchen eine Umverteilung zwischen den Reichen und den arm-gemachten in Europa über eine europäische Vermögens-abgabe. Diese muss für Umverteilung sowohl innerhalb als auch zwischen den EU-Ländern sorgen. Wenn dadurch vom Vermögen deutscher Großindustrielle und Banker sowohl bei der entlassene Schlecker-Kassiererin als auch beim entlassenen griechischen Zugschaffner etwas ankommt, dann prima. Und die Karten stehen nicht schlecht, dass dabei auch die spanischen Baulandspekulanten und Bauunternehmer ihr Fett wegkriegen, die vor der Krise sehr reich geworden sind.
Wie auch die Verhandlung vor dem Verfassungsgericht am Ende ausgeht, die Schlussfolgerung für die politische Arbeit von Bundestagsfraktion und Partei DIE LINKE lautet: wir müssen uns verstärkt um eine Zukunftskonzeption für Europa einsetzen, bei der sowohl die Anforderungen eines demokratischen und sozialen Rechtsstaates eingehalten, als auch eine Regulierung der ökonomischen und finanziellen Verhältnisse durchgesetzt wird und die das Entstehen von riesigen Abschreibungsverlusten von Banken unterbindet. Selbstverständlich müssen auch wir für eine Antikrisenpolitik eintreten, die uns aus der wirtschaftlichen Schwächephase heraus-führen kann und die Abwälzung der Krisenlasten auf die breite Bevölkerungsmehrheit verhin-dert. Wir sollten dies in eine Zukunftskonzeption für Europa einbauen.
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