Zwang zum Geschäft - Europäische Initiative will Privatisierung öffentlicher Wasserbetriebe verhindern
Von Marian Krüger
Die Europäische Kommission macht die Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung zur Bedingung für die Länder, die Eurorettungshilfen empfangen wollen.
Die Kommission macht keinen Hehl daraus, dass sie die Schuldenkrise dazu nutzen will, um EU-weit die Privatisierung öffentlicher Dienste voranzutreiben. Dazu heißt es in einem Schreiben der EU-Generaldirektion vom 26. September 2012, das dem »nd« vorliegt: »Wie Sie wissen, trägt die Privatisierung öffentlicher Betriebe sowohl zur Verringerung der öffentlichen Schulden, als auch öffentlicher Subventionen… bei.« Die Kommission »glaubt, dass die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, einschließlich der Wasserversorgung,« nützlich für die Gesellschaft sein kann, wenn sie »sorgsam durchgeführt« werde und »geeignete Regelwerke gegen den Missbrauch durch private Monopole bestehen«.
Nun wissen wir, woran die Kommission weiter glaubt, auch wenn sie damit gelegentlich auf die Nase fällt. Erinnert sei an einen Vorfall aus diesem Jahr, als das italienische Verfassungsgericht die von den Regierungen Berlusconi und Monti betriebene Wasserprivatisierung für ungesetzlich erklärte. Doch das ficht die Kommission nicht an.
Auch in anderen europäischen Ländern stoßen solche Pläne auf harsche Proteste, die bis in den politischen Mainstream reichen. So ereifert sich das österreichische Boulevardblatt »Kronenzeitung« über die EU-Kommission, die das »weiße Gold« der Alpenrepublik in die »Hände mieser Geschäftemacher« bringen will. Sie zitiert den SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, der angekündigt hat, »die Privatisierung unserer Wasserreserven mit allen Mitteln zu bekämpfen«. Für die Föderation der Europäischen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (EPSU), ist diese Position der dem EU-Kommissar Olli Rehn unterstehenden Behörde ein Beweis dafür, dass die ganze Kommission wohl »die Verbindung mit der Realität verloren hat«. Ihre ideologische Argumentation beruhe nicht auf Fakten und »ignoriere auf extreme Weise den demokratischen Willen der Völker«. Die Kommission müsse nun »eine Menge erklären«, sagte Jan Willem Goudriaan von der EPSU, denn »nirgends gibt es einen Beweis, dass der private Sektor effizienter ist..., dafür wachse überall der Widerstand gegen Privatisierung«.
Die EPSU zählt zu den Organisatoren der bereits im Juni 2012 gestarteten Europäischen Bürgerinitiative gegen die Wasserprivatisierung. Ein Ziel der Initiative besteht darin, dass die »Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen« nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden soll. Neben dem Europäischen Gewerkschaftsbund EGB und der Aqua Publica Europea, einer Vereinigung öffentlicher Wasserbetriebe, unterstützen zahlreiche Einzelgewerkschaften und Bürgerinitiativen die Aktion. In Deutschland sind dies u. a. ver.di, Attac und der Berliner Wassertisch.
Bis zum Sommer 2013 sollen in den EU-Staaten eine Million Unterschriften gesammelt werden. Die EU-Kommission kann durch eine Europäische Bürgerinitiative aufgefordert werden, Verordnungen und Richtlinien zu einem bestimmten Thema zu verabschieden. Dieses Recht besteht sonst nur noch für das Europäischen Parlament und den Rat der EU. Die Unterschrift unter die Initiative kann auch online geleistet werden.
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