"Schäubles Zukunftspläne"? - Kurzkommentar
Von Karl Mai
Wolfgang Schäuble hat die bösen „Enthüllungen“ des „Spiegel“ sofort in „bild.de“dementiert – ein Politiker seines Formats lässt sich einfach nicht öffentlich festnageln.[1] Frage von „bild.de“: „Gibt es in Ihrem Ministerium Pläne für ein umfangreiches Sparpaket nach der Bundestagswahl? Wolfgang Schäuble: Nein, das habe ich ja auch umgehend dementieren lassen. Ich wundere mich schon, wer es alles selbst über Weihnachten trotzdem nicht lassen konnte, sich dazu zu äußern. Richtig ist: Wir wollen noch vor der Wahl 2013 den Entwurf für einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen.“
Das erweckt den Anschein, ein „strukturell ausgeglichener Haushalt“ erfordere keine umfassenden Sparanstrengungen für die Zukunft. Eine solche Schlussfolgerug oder Unterstellung von Schäuble stellt jedoch eine grobe Vereinfachung der Zukunftsproblematik dar.
Folgen wir nun dem Spiegel-Beitrag. Bundesfinanzminister Schäuble schmiede an „eisernen“ Plänen für die Zukunft der Finanzhaushalte in Deutschland, verkündete lauthals der „Spiegel“. „Es darf eisern gespart werden“ im künftigen Deutschland. Schäuble selbst könne sich nun auch eine weitere Amtszeit als Finanzminister vorstellen, wie der „Spiegel“ wissen will, um seinen Euro-Rettungs-Sparkurs in Deutschland durchzusetzen.
Schäubles Agenda fuße auf „realistischen“ Einschätzungen in seinem Ministerium, in die der „Spiegel“ offenbar – trotz ausdrücklicher Geheimhaltung – offenbar Einblicke gewonnen hat. Warum wurde diese Geheimhaltung jetzt eklatant durchbrochen? Die insgeheim anvisierten „eisernen“ Sparvorhaben erleichtern doch einen Wahlsieg der schwarz-gelben Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel im Herbst 2013 nicht in geringster Weise, wie jeder Leser unschwer feststellen wird.
Welche Maßnahmen sollen durch Schäuble angeblich lt. „Spiegel“ strategiewirksam werden? „Um die Folgen der Währungskrise auszugleichen, muss künftig bei Rentnern und Vorruheständern gespart werden“, schreibt der „Spiegel“. Der Bund haftet gegenüber dem ESM inzwischen mit 190 Milliarden Euro. Falls nur ein Teil dieser Garantien und Kredite krisenbedingt verloren geht, könnten „die Verluste im Bundesetat leicht einen zweistelligen Milliardenbetrag erreichen.“ Unheil ist auch zu erwarten, wenn die großzügige Hilfe an das innerdeutsche Bankrott-Bankensystems platzt und „Kapitalspritzen und Garantieleistungen in Höhe von ca. 180 Milliarden Euro“ durch die Banken nicht refinanziert werden könnten, so dass die Verluste anteilig durch den Staat gezahlt werden müssten.
Da wundert es den „Spiegel“ nicht, wenn vermeintlich im BMFi damit gerechnet wird, den Frührentnern (vor der Regelaltersgrenze) den Abschlag auf 6,7 Prozent zu verdoppeln. Eine drastische Absenkung der Hinterbliebenen-Rente von gegenwärtig 55 Prozent soll die Rentenversicherung um weitere Milliarden entlasten.
Geradezu grotesk scheine der Ausblick Schäubles auf eine Erhöhung der Regelaltersgrenze über 67 Jahre hinaus, die man aus einer Verlängerung der Lebenserwartung ableitet. In Widerspruch dazu sollen durch einen „Gesundheits-Soli“ zusätzliche steuerliche Mehreinnahmen in die Krankenkassen fließen, während man gleichzeitig den jetzigen staatlichen Zuschuss zum Gesundheitsfonds um 10 Milliarden kürzen wolle.
Da dies alles gemäß der Vermutung des „Spiegel“ noch nicht reichen wird, plane man durch Wegfall der niedrigen Belastung mit einer 7-prozentigen Umsatzsteuer und Anhebung auf das 19 Prozent-Niveau die Staatseinnahmen um 23 Milliarden zu erhöhen. Dies beträfe dann z. B. Lebensmittel, Bücher oder Straßenbahnfahrten – also wichtige Ausgabeposten des Lebensunterhalts der Bevölkerung. Dies führt m.E. zu einer weiteren faktischen Anhebung der realen Lebenshaltungskosten der verarmenden breiten Massen, insbesondere der mit Niedrigeinkommen.
Soviel zur Logik und Argumentation im „Spiegel“. (Fußnote 1)
Es bleibt zu vermerken: Wolfgang Schäuble scheint damit seiner Rolle als politischer General-Lobbyist des Finanzkapitals der Euro-Kernländer weiter gerecht zu werden. Unentwegt verfolgt er – immer noch verdeckt – seiner Vision von einem zentralistisch geführten europäischen Staatshaushaltssystem, das in den von EU-Kommissionspräsident Barroso initiierten Stufenplan[2] einmündet. Offiziell hebt Schäuble jedoch in „bild.de“ einige positive Fakten einseitig hervor, um den „Spiegel“ öffentlich zu dementieren. Negative Fakten übergeht er, die sein geschöntes Bild „stören“.
Man soll so offenbar nicht vorzeitig glauben, dass der neoliberale Sparzwang generell auch in Deutschland weiter verschärft werden wird. Selbst die Bundeskanzleien hat – zeitlich nach dem Spiegel-Artikel – in der Neujahrsansprache kleinlaut eingeräumt, die Euro-Krise sei noch lange nicht ausgestanden und weitere Lasten für Deutschland für möglich gehalten.
Der Widerspruch dieser Positionen z. B. zum gewerkschaftlichen „Marshallplan für Europa“, welcher kürzlich veröffentlicht wurde, könnte nach dem „Spiegel“-Artikel deutlicher nicht ausfallen. Um alle neoliberalen Pläne künftig zu durchkreuzen, ist die politische Wende zu einem neuen Wirtschaftskurs in Deutschland dringend erforderlich.
[1] „Der Spiegel“, Nr. 52/2012, S. 18 – 20; hierzu das Dementi Schäubles vom 28.12.12http://www.bild.de/politik/inland/wolfgang-schaeuble/interview-euro-krise-27877812.bild.html[2] Siehe dazu: http://www2.alternative-wirtschaftspolitik.de/uploads/m3212.pdf
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