Alternativen für Europa
Von Axel Troost
Der EU-Kommissar László Andor, zuständig für Beschäftigung und Soziales, warnt vor der Vertiefung der sozialen Spaltung in der EU: „Diese unakzeptabel hohen Arbeitslosenzahlen sind eine Tragödie für Europa und sie zeigen, wie ernst die Krise ist, in der sich einige Staaten der Eurozone befinden“.
Im Februar 2013 waren in der EU-27 insgesamt 26,338 Millionen Männer und Frauen arbeitslos, davon 19,071 Millionen im Euroraum. Die Arbeitslosenquote im Euroraum lag im Februar 2013 stabil bei 12 Prozent. In den 27 EU-Staaten ist die Arbeitslosenquote leicht angestiegen auf 10,9 Prozent, gegenüber 10,8 Prozent im vorherigen Monat. Während Deutschland mit 5,4 Prozent nach Österreich (4,8 Prozent) die niedrigste Arbeitslosenquote aufweist, sieht es vor allem in den südlichen Krisenländern dramatisch aus: Die höchsten Quoten meldeten Griechenland (26,4 Prozent im Dezember 2012), Spanien (26,3 Prozent) und Portugal (17,5 Prozent).
Noch dramatischer ist die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit. Während auch hier Deutschland mit 7,7 Prozent die geringste Quote zu verzeichnen hat, lag sie mit 58,4 Prozent (im Dezember 2012) in Griechenland am höchsten, gefolgt von Spanien (55,7 Prozent), Portugal (38,2 Prozent) und Italien (37,8 Prozent). Insgesamt lag die Jugendarbeitslosenquote im Februar 2013 in der EU27 bei 23,5 Prozent und im Euroraum bei 23,9 Prozent. Damit waren in der EU-27 im Februar 5,694 Millionen Menschen im Alter unter 25 Jahren arbeitslos, davon 3,581 Millionen im Euroraum.
Die Zahlen verdeutlichen die anhaltende Krise. Die Wirtschaft der Eurozone befindet sich tief in der Rezession. Im März sank die Industriekonjunktur in allen Ländern der Eurozone. Vor allem Italien und Frankreich stecken tief in der Krise, nur in Griechenland ist die Lage noch düsterer.
Diese Entwicklung war vorhersehbar, denn der aus dem Fiskalpakt abgeleitete Konsolidierungskurs musste sich in einen wirtschaftlichen Abwärtstrend umsetzen. Das Institut für Makro-ökonomie (IMK) macht daher zu Recht die „verfehlte Wirtschaftspolitik“ der EU verantwortlich. „Dieser Austeritätskurs, auf den immer mehr EWU-Länder einschwenkten, bremste die wirtschaftliche Erholung im Euroraum stark ab und führte – entgegen den eigentlichen Bestrebungen der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF
– zu einer weiteren Belastung der öffentlichen Haushalte und einer Erhöhung der Schuldenstandsquote. Die betroffenen Staaten reagierten auf diese Entwicklung mit einer weiteren Verschärfung ihres Sparkurses.“
Eine Rückblick auf die letzte Zeit belegt: mit dem restriktiven Kurs wird eben kein Beitrag zur Überwindung der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme gelegt. Im Gegenteil: die Kürzungen der öffentlichen Mittel schwächt die Ökonomie und erhöhte die Staatschuldenquote. „Am meisten nahm die Verschuldung in jenen Euroländern zu, die von der Finanzkrise am stärksten betroffen waren und die die radikalsten Sparprogramme umsetzten. (…) Stabilisierende Maßnahmen in signifikantem Umfang, wie etwa eine gezielte Wachstumsstrategie für schwache Euroländer, sind derzeit nicht angedacht. Die aktuelle Entwicklung ist daher ein Abbild der verfehlten Wirtschaftspolitik.“[1]
Zu dieser Politik gibt es Alternativen. Seit dem vierten Quartal 2011 schrumpft die Wirtschaftsleistung des Euroraums kontinuierlich. Insgesamt liegt die Wirtschaftsleistung der Euro-Zone noch immer unter dem Vorkrisenniveau von 2008. Die Niedrigzinspolitik und die expansiven geldpolitischen Maßnahmen reichen alleine nicht aus, um einen nachhaltigen Aufschwung in Gang zu setzen. Nur bei einer erfolgreichen Stabilisierung der Konjunktur kann mittelfristig eine Sanierung der öffentlichen Finanzen gelingen. Wir brauchen ein nachhaltiges sozial-ökologisches Wirtschaftswachstum, das stark genug ist, die Kapazitätsauslastung zu erhöhen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Außerdem müssen die Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit reduziert werden. Dies kann durch einen Einstieg in eine europäische Ausgleichungsunion auf den Weg gebracht werden. Wenn man allerdings die Konsolidierungspolitik verlängert, werden die Zentrifugalkräfte in der EU und der Euro-Zone immer stärker.
Vor allem die hohe Arbeitslosigkeit ist gesellschaftlich unakzeptabel und wirtschaftspolitisch eine Katastrophe. Die mahnenden Stimmen, dass es „so nicht weitergehen kann“ und gegen die Jugendarbeitslosigkeit etwas unternommen werden müsse, werden lauter. Nur: Die von der EU jetzt bis 2020 pro Jahr beschlossenen Programme mit etwas über 100 Euro für die arbeitslosen Jugendlichen pro Kopf werden nicht ausreichen. Eine Arbeitslosigkeit der Jugendlichen von 7,5 Millionen - das löst man nicht mit Almosen, sondern mit konkreten Investitionsprogrammen in Arbeit, von der die Menschen eben leben können.
Der europäische Weg mit Schuldenbremse, Fiskalpakt und Austeritätspolitik vernachlässigt immer noch das Wirtschaftswachstum. All die Hilfen der EU, die manchen wie Geschenke erscheinen, sind in Wahrheit mit vergifteten Auflagen versehen. Notwendig ist jetzt die Intensivierung der öffentlichen Debatte um die möglichen Alternativen zu dem gescheiterten Kurs: Aus unserer Sicht ist das ein Gemenge von Wachstumsanreizen und Sanierungsmaßnahmen für die öffentlichen Finanzen. Außerdem brauchen wir Strategien gegen Europas interne Ungleichgewichte und Deutschlands enormen Leistungsbilanzüberschuss. Konkret bedeutet dies Lohnerhöhungen in Deutschland und eine Industriepolitik, die in den Volkswirtschaften Randeuropas den Export und die Produktivität fördert.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat einen »Marshall Plan für Europa« vorgeschlagen, bei dem über einen Zeitraum von zehn Jahren jedes Jahr zusätzliche Investitionen in Höhe von 260 Mrd. Euro (ca. 2% des BIP) getätigt würden. Ein Europäischer Zukunftsfonds würde Anleihen emittieren, die von allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten garantiert werden. Das Startkapital für den Fonds käme von einer einmaligen Vermögensabgabe.
Mit solchen Schritten käme ein Entwicklungsprozess in Gang, der den Menschen in den gebeutelten Staaten wieder eine Perspektive gibt. Solange dort keine erfahrbaren Verbesserungen der Lage eintreten, werden die Ressentiments gegen „die Deutschen“ steigen. Wir sollten nicht ignorieren, dass die Stimmung in den Ländern nicht nur berechtigte Kritik an der von vor allem von Deutschland durchgesetzten Politik enthält, sondern auch destruktive, spaltende, nationalistische Elemente.
[1] www.boeckler.deÄhnliche Artikel
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